Ölpreis: Wenn Hedging an Grenzen stößt
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„Seit dem historischen Abkommen im November 2016 hat die OPEC+ die Märkte unterstützt, und anfangs sah es nach einem Gemeinschaftsprojekt aus. In jüngster Zeit jedoch schultert Saudi-Arabien die Aufgabe weitgehend alleine, weil Russland und andere lieber ihre Gewinne maximieren. Wegen der hohen Preiselastizität des Angebots muss Saudi-Arabien immer noch aggressiv kürzen. In der Spieltheorie könnte man sagen, dass das Nash-Gleichgewicht den Saudis keine andere Wahl lässt. Doch wenn sie anderen Ländern glaubwürdig mit Nachteilen drohen können, dann könnte es auf längere Sicht für sie auszahlen, jetzt die Produktion zu erhöhen und andere auf Linie zu zwingen. Es geht darum, glaubwürdig rücksichtslos zu sein.
Ölflut: Gewinner und Verlierer
Eine langfristige Preissenkung ist unhaltbar, da der IWF den fiskalischen Break-even Saudi-Arabiens bei über 85 US-Dollar schätzt und die Saudis wegen der Dollarbindung Ihrer Währung nicht abwerten können, um den Schlag abzuschwächen. Die Frage ist also, ob sie genug Druck auf andere ausüben können, bevor sie gezwungen sind, selbst die Strategie zu wechseln. Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass Russland die Auswirkungen stark zu spüren bekommt: Hier liegt der fiskalische Break-even eher bei 50 US-Dollar, und ein großer Teil der Produktionskosten fällt in lokaler Währung an. Das fängt die Schwäche im Rohöl teilweise auf. Andere Mitglieder der OPEC+ sowie Nicht-OPEC-Länder sind in einer schwierigeren Position, auch US-Schieferöl.
Letztendlich wird dies wahrscheinlich den Preisverfall beschleunigen und Abweichler auf Linie zwingen, da die Einbußen zu schmerzvoll sein dürften. Der wahre Gewinner könnte Russland sein. Es würde von einer durch die Volatilität verursachten Angebotsverknappung profitieren, aber die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen des saudischen Experiments sind deutlich begrenzter. Längerfristig stärkt es die Realeinkommen, drückt die Inflation, stützt den Verbrauch und hebt so die Auswirkungen des Coronavirus zum Teil wieder auf. Indem es Inflationsängste zurückdrängt, erhöht es außerdem den Spielrauf der Notenbanken für kräftige Zinssenkungen.
Staatsanleihen: Jede Woche eine neue Angst
Seit 1990 sind die US-Zehnjahresrenditen nur dreimal um mehr als 30 Basispunkte an einem Tag gefallen: alle drei Fälle in den Wirren der Finanzkrise. Der Markt startete heute auf vergleichbaren Niveaus als Reaktion auf die Virus-Eskalation und den Ölschock vom Wochenende. Der jüngste Rückgang wurde mit einer Abflachung der Kurve in Verbindung gebracht, im Gegensatz zur Dynamik letzte Woche, in der das Short-End den Ausschlag gab. Davor herrschte die Meinung vor, der Markt nehme die Kürzungen der Federal Reserve vorweg. Heute gehen die Märkte vom Rückgang der Inflationserwartung und einem Wiedereinstieg in das quantitative Easing aus.
Dollar: Die Fed hat Spielraum
Was bedeutet das also für den breiten Markt? Der US-Dollar wurde hart getroffen, da die US-Geldpolitik die Preise wieder die Nulllinie ansteuert. Der Markt glaubt der Fed zwar weiterhin, dass es keine negativen Zinsen geben wird – aber wenn die Dinge eskalieren, wird auch die Fed schnell unter Druck geraten, weitere QE-Maßnahmen und andere unkonventionelle Schritte zu prüfen. Der Dollar könnte sich durchaus erholen, wenn sich die Bedingungen verschlechtern; im Moment wird er zwar für den raschen Zinsrückgang abgestraft, aber mit ihren erfolgreichen Zinserhöhungen hat sich die Fed in letzter Zeit mehr Munition verschafft als viele andere Zentralbanken, und das könnte den Dollar sogar zu einem sicheren Hafen machen.
Unternehmensanleihen: Zwischen Hedging und Herdentrieb
Credit hat sich dem Druck endlich gebeugt, der European iTraxx Crossover verzeichnet heute seinen bislang größten Tagesausschlag. Der Ausverkauf ist auch eine Warnung gegen den Herdentrieb: Gold, das liebste Hedging-Instrument der meisten Anleger, ist in den letzten zwei Wochen um weniger als ein Prozent gestiegen. Jeder ist auf der Jagd nach Absicherung, und als Manager müssen wir rein und raus sein, bevor die breite Masse ankommt. Sonst riskieren wir enttäuschende Hedging-Erfolge, selbst wenn sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sollten.“
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