Kommentar
19:06 Uhr, 05.01.2006

Ölpreis stabil trotz günstiger Lagerbestände

1. Die wöchentlichen Öllagerbestände in den USA entwickelten sich vor allem auf der Produktseite deutlich besser als erwartet. In der Vorwoche war bei den Rohöllagerbeständen ein Rückgang um 1,0 Mio. Barrels zu verzeichnen. Dies entsprach nahezu den Erwartungen der von Bloomberg befragten Analysten (Bloomberg-Median: -1,3 Mio. Barrels). Die Benzinlagerbestände stiegen mit +1,4 Mio. Barrels deutlich stärker als erwartet (Bloomberg-Median: +400.000 Barrels). Noch stärker fiel das Plus bei den Diesel- und Heizöllagerbeständen aus. Diese konnten um 2,1 Mio. Barrels zulegen, obwohl lediglich ein Plus von 300.000 Barrels erwartet worden war. Die Kapazitätsauslastung stieg in der Vorwoche wieder um 1,03 Prozentpunkte an. Sie liegt mit 89,9 % aber weiterhin auf einem für diese Jahreszeit recht niedrigen Niveau. Der Anstieg der Diesel- und Heizöllagerbestände überraschte angesichts der recht milden Temperaturen in der Vorwoche kaum. Diese Entwicklung dürfte laut Wettervorhersagen auch noch eine Weile andauern.

2. Die Preisreaktion auf die heute veröffentlichten Daten ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Stimmung am Ölmarkt deutlich gedreht hat. Obwohl die heutigen Daten durchaus positiv überraschten und noch vor wenigen Wochen mit Sicherheit zu deutlichen Preisrückgängen geführt hätten, hält sich der Ölpreis derzeit nach kurzzeitigen Rückgängen recht stabil.

3. Pünktlich zum Jahresbeginn scheint die vorübergehende Schwächephase am Ölmarkt ein vorläufiges Ende gefunden zu haben. Während der Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine kurzfristig keinen realen Einfluss auf den Ölmarkt hatte, ist der psychologische Effekt für die Märkte keinesfalls vernachlässigbar. Präsident Putin hat sich in Sachen Energiepolitik einmal mehr als unberechenbar erwiesen. Nachdem es bereits vor einigen Wochen Meldungen gab, dass Russland die Preise für Öllieferungen nach Europa erhöhen wolle, hat nun ein Rückgang der Gaslieferungen nach Westeuropa für große Verunsicherung gesorgt. In einem aus Angebotssicht ohnehin sehr angespannten Marktumfeld trägt die Unsicherheit über die Zuverlässigkeit Russlands als Öllieferant mit Sicherheit nicht zur Beruhigung der Marktteilnehmer bei.

Der russisch-ukrainische Gasstreit war allerdings nur einer von vielen Faktoren, die für den jüngsten Ölpreisanstieg sorgten. In den vergangenen Tagen wurde von den Marktteilnehmern insgesamt wieder deutlich mehr Augenmerk auf die Angebotsseite gelegt. Mehrmalige Verlautbarungen des Iran, man strebe eine Senkung der Förderquoten auf dem nächsten OPEC-Treffen Ende Januar an, haben dabei ihre Wirkung nicht verfehlt. Auch wenn eine Senkung der Rohölproduktion im zweiten Quartal angesichts des saisonal bedingten Nachfragerückgangs und der recht komfortablen Niveaus der Rohöllagerbestände durchaus zu vertreten wäre, dürfte eine Quotensenkung bei den Marktteilnehmern sehr schnell wieder die Sorgen über eine mögliche Angebotsverknappung schüren. Die Folge wäre vermutlich ein weiterer Preisanstieg.

Weiter zuspitzen sollte sich allerdings im laufenden Jahr die Lage an den Produktmärkten. Auch wenn es bei den derzeitigen Temperaturen etwas absurd erscheint, sich schon wieder Gedanken über die „Driving Season“ im Sommer zu machen, schließlich ist die Heizperiode noch in vollem Gang, so sind die aktuellen Entwicklungen bei den Benzinlagerbeständen dennoch wenig erfreulich. Nicht nur die absoluten Lagerbestände sondern vor allem auch die Reichweite der Lagerbestände, d.h. die Relation von Lagerbeständen zum täglichen Verbrauch, befinden sich auf ausgesprochen niedrigen Niveaus. Hinzu kommt, dass für die nächsten Monate mit umfangreichen Wartungsarbeiten bei den Raffinerien zu rechnen ist, die einem Aufbau der Benzinlagerbestände ebenfalls kaum dienlich sein dürften. Und auf eine Nachfrageschwäche kann man, nach den kräftigen Zuwachsraten der vergangenen Wochen und den im Vergleich zu den Höchstständen vom Sommer immer noch recht niedrigen Benzinpreisen, wohl kaum hoffen.

4. Die Entwicklungen am Ölmarkt werden auch im Jahr 2006 spannend bleiben. Das Risiko für kräftige Preisausschläge dürfte in den Sommer-Monaten am höchsten sein. Angesichts der kräftigen Hurrikan- Aktivität in den vergangenen beiden Jahren, die jeweils umfangreiche Produktionsausfälle zur Folge hatten, wird die Nervosität bei den Marktteilnehmern während der Hurrikan-Saison im laufenden Jahr vermutlich besonders hoch sein. Kräftige, kurzfristige Ausschläge aufgrund von Produktionsausfällen sollten allerdings nur von kurzer Dauer sein, denn meist führen derartige Ausschläge zu übertriebenem Konjunkturpessimismus bzw. zu übertriebenem Nachfragepessimismus und damit auch wieder zu fallenden Ölpreisen. Abgesehen von vorübergehenden Schwächephasen sollte der Ölpreis aber auch im Jahr 2006 tendenziell steigen.

5. Die Netto-Short-Positionen an der NYMEX wurden in der Vorwoche erneut ausgeweitet. Insgesamt wurden die Wetten auf fallende Preise seit Mitte November aber deutlich verringert. Der Preisanstieg der vergangenen Tage dürfte von einem weiteren Abbau der spekulativen Netto-Short-Positionen begleitet worden sein. Das Potenzial für weitere Preisausschläge nach oben bleibt von dieser Seite weiterhin bestehen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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