Öl, Aktien und Gold: Willkommen im neuen Bärenmarkt
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Die Regierungen und Zentralbanken der Länder befinden sich im Spannungsfeld zwischen Aufrechterhaltung von Konjunkturmaßnahmen und der Gefahr, mit billigem Geld Spekulationsblasen zu erzeugen, deren Platzen ihrerseits zu einer neuen Belastung für die Wirtschaft werden könnte.
Die lockere Geldpolitik der US-Notenbank „motiviert spekulative Investments in Aktien und Immobilien und wird sich zu einer neuen, echten und unüberwindbaren Gefahr für die globale Wirtschaftserholung“ entwickeln, warnt Liu Mingkang, Vorsitzender der chinesischen Bankenaufsichtsbehörde. Die Sorgen sind berechtigt, immerhin wächst die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr um rund 9% und wird auch 2010 gut dastehen.
Anders sieht es da in den USA aus. Das 700 Mrd. Dollar schwere Konjunkturpaket entfaltete im dritten Quartal seine stärkste Wirkung und wird im zweiten Quartal 2010 auf ein Viertel seiner Stärke abgeklungen sein. Anfang Dezember warnt US-Notenbankchef Ben Bernanke vor „erheblichem Gegenwind“ für die US-Konjunktur und bekräftigte trotz der Kritik aus China, dass die Zinsen noch für einen „ausgedehnten Zeitraum“ auf dem Niveau zwischen 0 und 0,25% verharren werden. China antwortete prompt am Tag nachdem Bernanke dies sagte und bestätigte seinerseits, die Politik des billigen Geldes aufrecht erhalten zu wollen.
Epizentrum der Korrektur
Bei dem Geplänkel auf beiden Seiten des Globus gerät der US-Dollar zu einem Nebenschauplatz, obwohl hier die eigentliche Schlacht geschlagen wird. „Die inverse Korrelation zwischen Aktien und Rohstoffen einerseits und dem US-Dollar andererseits ist nicht zu übersehen“, meint Harald Weygand, Head of Trading bei Godmode-Trader.de. „Wenn der Dollar fällt, steigen Rohstoffe und Aktien.“ Der US-Dollar habe in den letzten Wochen einen Boden ausgebildet und könnte nun um 15-20% ansteigen, analysiert Weygand.
Dass eine Dollar-Rally eine Korrektur bei Rohstoffen und Aktien auslösen würde, liegt also an der inversen Korrelation, die sich wiederum daraus erklärt, dass die US-Zentralbank an Geschäftsbanken Geld quasi kostenlos ausleiht. Diese Geschäftsbanken veranlagten das Geld an den Märkten: Sie kauften damit Rohstoffe wie Öl und Gold, Aktien in Europa, den Emerging Markets oder Währungen rohstoffintensiver Länder wie Australien oder Neuseeland. Dieses Spiel hat die stark gedrückten Aktivapreise weltweit nach oben bewegt. Sprich: Die Rally finanziert.
Eine Geschäftsbank, die sich am Zentralbanktresen mit günstigem Geld eindecken kann, ist flexibel. Ein Sparer oder Anleger ist es nicht. Wer in den USA heute auf Nummer sicher gehen will und sein Geld in einen Geldmarktfonds einzahlt, wird bestraft. Die Rendite bei den meisten Geldmarktfonds liegt bei homöopathischen 0,01%. Das Sparen wird von der Notenbank bestraft, die ihre Referenzzinsen niedrig hält und durch quantitative Lockerung dafür sorgt, dass die Zinsen auch am realen Markt nahe Null bleiben. Sparer und defensive Investoren werden durch Niedrigzinsen gezwungen, Risiken bei Aktien, Immobilien oder Rohstoffen einzugehen.
„Es würde rund 6.932 Jahre dauern, bis ich mein Geld mit dieser Rendite verdoppeln könnte“, schimpft Bill Gross, der Manager des weltgrößten Anleihenfonds PIMCO in seinem Dezemberkommentar und meint damit die magere Rendite am Geldmarkt. Dieses Spiel geht solange gut, wie zwischen Renditeerwartung und Kreditkosten eine ausreichend hohe Gewinnspanne übrig bleibt. Wenn die Spanne auf null fällt, platzt die Blase. Die Kostenseite könnte bald steigen, glauben einige Marktteilnehmer. Tatsächlich steht die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung der US-Notenbank im Juni 2010 bei 50%, ausgelöst durch überraschend gute US-Arbeitsmarktdaten für den Monat November. Die Zinsen, sprich die Kosten für geliehenes Geld könnten also bald wieder steigen.
Auf der anderen Seite sind auch die Renditeerwartungen gefallen. Die OPEC zeigt sich mit einem Ölpreis um 80 Dollar pro Barrel „zufrieden“, Fundamentalanalysten verweisen auf das hohe Bewertungsniveau am Aktienmarkt und selbst die Goldbullen aus der Pekinger Regierung bezeichnen Gold bei 1200 Dollar pro Unze als „teuer“. Dass der DAX in den nächsten sechs Monaten nochmal um 60% zulegt, wie in den vergangenen sechs Monaten, glaubt wohl auch kein Anleger mehr. Die Renditeerwartungen sind also ebenfalls gefallen.
Steigende Zinserwartungen und fallende Renditeerwartungen kündigen also eine mögliche Korrektur an. „Diese Bewegung kann uns unmittelbar bevorstehen“, warnt Elliottwellenanalyst André Tiedje. „Die nächste große Bewegung ist an der Wall Street und in Frankfurt abwärts gerichtet.“ Konkret rechnet der Wellentechniker mit einem Rutsch des Währungsverhältnisses Euro zum US-Dollar bis auf unter 1,30, ausgehend von einem Kursziel von 1,5122 US-Dollar, das Anfang Dezember bereits erreicht wurde. Nach dieser Definition befänden sich die Märkte bereits inmitten eines neuen Bärenmarktes, und tatsächlich: Seit Erreichen des Kursziels beim Währungsverhältnis Euro-Dollar wird der Dollar stärker, und die Aktienmärke, Gold und Erdöl schwächer.
Deflation ist nicht abgewendet
„Sobald Ihr Geld Corporate America und Hausbesitzer zu neuem Leben verholfen und rekapitalisiert hat, wird die US-Notenbank damit beginnen, sich über Inflation Sorgen zu machen, aber nicht früher“, führt PIMCO-Chef Gross weiter aus. Tatsächlich kämpft die US-Notenbank derzeit aber gegen deflationäre Tendenzen, die aus der Rückführung von Fremdkapital durch Unternehmen und Konsumenten resultiert. Die Wahrscheinlichkeiten sprechen dafür, dass die Inflation sich in Europa und den USA in den nächsten zwei Jahren auf null und möglicherweise sogar darunter bewegen wird. Das gilt insbesondere dann, wenn die Prognose von Tiedje und Weygand über eine Korrektur bei Rohstoffen einträfe. Zentralbanken wollen das Deflationsrisiko nicht anerkennen, weil sie ihre Inflationserwartungen nicht senken wollen. Daher sprechen sie von den Inflationserwartungen, die „für längere Zeit niedrig“ bleiben würden. Was damit gemeint ist, ist aber vielmehr der Druck auf die Preisentwicklung, sprich also der Gefahr fallender Preise.
Steigende Deflation und ein „zweites Japan“ ist die größte Angst von Ben Bernanke. Wohl aus diesem Grund bekämpft er die Krise, die durch billiges Geld ausgelöst wurde, mit noch mehr billigem Geld, eine Strategie, die von einer wachsenden Zahl von Marktkommentatoren kritisiert wird. Als eine Reaktion auf diese Politik des billigen Geldes scheint sich Asien nach innen zu wenden. „Innerhalb Asiens halten wir es für ziemlich wahrscheinlich, dass es zu einer entscheidenden Wende bei der Abhängigkeit von den Industrieländern kommen könnte, primär bei den Exporten, aber auch in anderen Bereichen“, verkünden Analysten von Goldman Sachs. Es tut sich also einiges, auch weiterhin. Bleiben Sie bei Ihren Anlagen an der Börse auf der Hut und machen Sie sich immer Ihre eigenen Gedanken.
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