Analyse
21:52 Uhr, 07.11.2008

Obama, der Kongress und die neue Fiskal- bzw. Steuerpolitik

Externe Quelle: UniCredit

- Barack Obama hat die Wahlen klar gewonnen, und die Demokraten konnten ihre Mehrheit im Kongress ausbauen, wenngleich sie an der Filibuster-Mehrheit von 60 Sitzen scheiterten (und so die Dauerreden-Verschleppungstaktik nicht ausbremsen kann).

- Das letzte Streitthema im Präsidentschaftswahlkampf bildete die Steuerpolitik. Die Wähler lehnten John McCains Vorschlag ab, Bushs Steuersenkungen festzuschreiben. Sie fühlten sich stärker von Obamas Versprechen angezogen, die Steuern für Familien mit weniger als 200.000 USD zu senken.

- Doch Obamas Steuerprogramm beschränkt sich nicht nur darauf. Zudem haben die (neu gewählten) Volksvertreter auf Seiten der Demokraten durchaus eigene Vorstellungen über notwendige Steuerrechtsänderungen.

- Für den neuen Präsidenten wird die Abstimmung eines Steuerkonzepts mit der Kongressführung die erste und wahrscheinlich wichtigste Herausforderung in der Übergangsphase sein. Die Finanzmärkte werden dabei sehr genau auf Inhalte und handelnde Personen achten.

Steuerpolitik als wichtigste Herausforderung für Obama

Bushs umfangreiches Steuersenkungsprogramm läuft 2010 aus. Deshalb muss der Kongress möglichst rasch ein neues Gesetz verabschieden, um die 2001 und 2003 beschlossenen Steuererleichterungen unverändert oder in abgeänderter Form fortführen zu können. Im Verlauf des kommenden Jahres kann und wird wahrscheinlich das gesamte Steuersystem der Vereinigten Staaten Änderungen erfahren. Obama und die Kongressabgeordneten der Demokraten werden dabei den Prozess steuern. Sie werden aber zumindest versuchen, eine Reihe von Republikanern für ihre Pläne zu gewinnen. Der Ausgang des Gesetzgebungsprozesses wird für Steuerzahler, Investoren und Finanzmärkte tief greifende Konsequenzen haben. Wie das Ergebnis letztendlich aussehen wird, kann derzeit noch niemand mit Gewissheit sagen. Trotzdem lohnt es sich, einen Blick auf die Vorschläge Obamas und die der Kongressabgeordneten zu werfen.

Die Vorschläge für Alleinstehende & Familien

1. Einkommensteuer: Obama wird sehr wahrscheinlich sein wichtigstes Wahrversprechen umsetzen und für Familien mit einem Jahreseinkommen unter 200.000 USD die Steuern senken. Dafür wird er die Steuerlast für Alleinstehende mit einem jährlichen Einkommen von über 250.000 USD wieder auf die Niveaus von vor der durch Bush eingeführten Steuererleichterung anheben, d.h. auf 36% bzw. 39,6%. Dies dürfte im Kongress breite Unterstützung finden. Allerdings werden sich die Republikaner gegen eine solche Gesetzesvorlage stellen und eine Verabschiedung durch den Senat möglicherweise durch einen Filibuster zu vereiteln versuchen. Um dies zu umgehen, können die Demokraten ihre Vorlage aber an den jährlichen Haushaltsentwurf koppeln. Das macht es sehr wahrscheinlich, dass die Gesetzesvorlage zügig verabschiedet wird.

2. Dividenden und Kapitalgewinne: Auch hier laufen die von Bush eingeführten Steuererleichterungen 2010 ab. Die Mehrheit der Experten hält es aber für unwahrscheinlich, dass die Demokraten sie wieder vollständig abschaffen. Sie werden die Kapitalertragssteuer für Alleinstehende mit einem Jahreseinkommen unter 200.000–250.000 USD vermutlich bei 15% belassen. Obama möchte den Steuersatz für Einzelpersonen mit einem höheren Einkommen aber auf 20% anheben. Die Lobby der Mutual Funds und Banken wird hingegen darauf drängen, den niedrigeren Satz für alle Steuerzahler zumindest solange beizubehalten, solange der Aktienmarkt sich noch nicht von dem jüngsten Einbruch erholt hat.

3. Alternative Mindeststeuer, AMT: Bei diesem alternativen Besteuerungssystem, das ursprünglich eingeführt wurde, um sicherzustellen, das sehr vermögende Steuerzahler keine legalen Schlupflöcher nutzen, um einen Großteil ihres Einkommens vor der Steuer in Sicherheit zu bringen, hat der Kongress viele Jahre in Folge jährliche Anpassungen vorgenommen. Die Inflation hat in Kombination mit dem Wegfall der meisten Steuerlöcher jedoch mit der Zeit dazu geführt, dass Millionen von Steuerzahlern aus der oberen mittleren Einkommensklasse auch nach diesem System besteuert wurden. Die Demokraten möchten diese Steuer schon seit Jahren abschaffen, doch der Einnahmenverlust wäre dann wohl zu groß. Obama verfolgt deshalb den zurückhaltenderen Ansatz, weiterhin jährliche Anpassungen vorzunehmen und die Mindeststeuer an die Inflation zu koppeln. Dies dürfte durch den Kongress gehen.

4. Lokale Grundsteuer: Die Demokraten werden wahrscheinlich Vorschläge unterstützen, die darauf abzielen, den Pauschalabzug für die Steuerzahler zu erhöhen, welche die Steuerabzüge nicht als Anteil der Grundsteuer, die sie den lokalen Regierungen und School Boards entrichten müssen, deklarieren.

5. Wohnbeihilfen: Die Demokraten werden wohl ein Gesetz zur Förderung der Wohnbeihilfen für Angestellte seitens der Arbeitgeber schaffen. So ist beispielsweise eine Verringerung der Unternehmensbesteuerung um bis zu 50% der Wohnungsausgaben, die vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers übernommen werden.

6. Arbeit muss sich wieder lohnen (making work pay): Obama plant eine Steuergutschrift von bis zu 500 USD pro Kopf (bzw. 1.000 USD je Arbeitnehmerfamilie) sowie eine allgemeine 10%-ige Hypothekensteuergutschrift für Hausbesitzer, die keine Abzüge in ihrer Einkommensteuererklärung geltend machen. Dadurch würde sich die Steuerlast für viele Niedrigund Mittelverdiener verringern.

7. Negative Einkommenssteuer (Expanded Earned Income Tax Credit, EITC): Bei der EITC handelt es sich um eine Art „negative Einkommensteuer“ für ärmere Arbeitnehmer. Obama möchte den Kreis der Berechtigten vergrößern, die Vorteile ausbauen und den EITC-Abschlag bei Verheirateten abschaffen. Nicht alle Demokraten im Kongress halten dies jedoch für eine gute Idee. In Rezessionsphasen aber hat sie ihre Berechtigung. Daher wird der Vorschlag vermutlich als befristete Maßnahme umgesetzt.

8. Unterstützung bei College-Gebühren: Obama strebt eine Steuergutschrift in Höhe von 4.000 USD an (die so genannte American Opportunity Tax Credit), um Familien bei den College- Gebühren für ihre Kinder unter die Arme zu greifen.

Vorschläge zur Reform der Unternehmensbesteuerung

1. Forschung & Entwicklung: Beide, Obama und McCain, haben vorgeschlagen, die gegenwärtige Steuerabzugsfähigkeit von Personalkosten im Bereich Forschung & Entwicklung auf Dauer beizubehalten. Ein entsprechendes Gesetz dürfte daher mit großer Unterstützung beider Parteien verabschiedet werden.

2. Körperschaftssteuer: Obama strebt niedrigere Körperschaftssteuersätze für Unternehmen an, die in den USA aktiv werden oder aber expandieren. Er zieht auch eine Vergünstigung von 3.000 USD je neu eingestellten Mitarbeiter für Firmen in Erwägung. Gleichzeitig soll es großen multinationalen Unternehmen erschwert werden, „Steuerfluchthäfen“ im Ausland zu nutzen. Dieser Vorschlag findet überraschend große Unterstützung unter den Republikanern. Trotz starker Opposition der Unternehmerlobby dürfte er daher in irgendeiner Form auch umgesetzt werden.

3. Gewinnbeteiligung (Carried Interest, kurz: Carry): Diese Thematik wurde zum Gegenstand politischer Diskussionen, als Demokraten, die sich um einen Platz im Kongress bewarben, es als ungerecht anprangerten, dass Private Equity- Gesellschaften und Hedge Funds – die Hauptnutznießer dieser Steuervergünstigung – ihre Steuerschuld reduzieren können, weil die Gewinnbeteiligung mit dem deutlich unter dem Einkommensteuersatz liegenden Kapitalertragssteuersatz besteuert wird. Andere kamen allerdings schon bald zu dem Schluss, dass es schwierig würde, den Carry ausschließlich bei Anlageberatern steuerlich als ordentliches Einkommen zu behandeln. Würde man den Carry im weiteren Sinne als ordentliches Einkommen behandeln, so wären womöglich auch Steuerzahler betroffen, welche die Demokraten eigentlich entlasten möchten. Obama hat sich zu dieser Thematik nicht geäußert. Angesichts des gegenwärtigen Drucks an den Finanzmärkten ist es allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass die Besteuerung der Gewinnbeteiligung für die Obama-Regierung eine hohe Priorität haben wird. Folglich dürften sie wohl weiterhin als Kapitalgewinne behandelt werden.

4. Energiebranche: Die Demokraten, Obama eingeschlossen, streben bereits seit Langem die Wiedereinführung einer Steuer auf unverhoffte Gewinne („windfall profits“) der Ölgesellschaften an. Durch den jüngsten Ölpreisrückgang hat eine solche Maßnahme jedoch ihre Dringlichkeit und ihren Reiz verloren. Stattdessen wird Obama Vorschläge wie eine Steuergutschrift in Höhe von 7.000 USD beim Kauf technologisch fortschrittlicher Fahrzeuge, Steueranreize für Biokraftstoffe sowie Energierabatte für Einzelpersonen und Familien vorantreiben.

Wie steht es mit einem neuen, zweiten Fiskalpaket?

Es ist davon auszugehen, dass der Kongress unmittelbar nach dem Finanzgipfel am 14. und 15. November mit den Hearings zu einem zweiten Fiskalpaket beginnen wird. Die Demokraten stehen wohl nicht mehr voll hinter einer weiteren Runde von Steuerschecks, wie die 100 Mrd USD, die im letzten Frühjahr ausgezahlt wurden. Verschiedenen Steuergutschriften und -rabatte wie z.B. der o.a. Energiezuschlag hätten allerdings, wenn sie denn verabschiedet werden, einen ähnlichen Umfang. Führende Kongressmitglieder propagieren zudem höhere Ausgaben, vor allem für die Infrastruktur, sowie direkte Hilfen für überschuldete Bundesstaaten und Kommunen als zentrale Komponenten eines Pakets, das dann ein Gesamtvolumen von etwa 200 Mrd USD oder mehr haben könnte. Ob Fed-Chef Bernanke dies im Sinn hatte, als er Hilfe seitens der Fiskalpolitik einforderte, lässt sich nicht sagen. Allerdings werden wir wohl schon bald die Möglichkeit haben, seine eigenen Vorschläge mit ins Kalkül zu ziehen.

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