Kommentar
08:22 Uhr, 16.03.2020

Notenbanken gehen jetzt aggressiver vor als 2008

Der Aktienmarkt hat bisher enttäuscht auf die Maßnahmen der Notenbanken reagiert. Dabei reagieren sie entschlossener als 2008.

Anleger reagierten auf den Zinsentscheid der EZB mit Panikverkäufen. Das war vollkommen absurd. Die EZB verkündete ein Maßnahmenpaket, das alles bisherige in den Schatten stellte. Anleger wollten nun aber einmal eine Zinssenkung von -0,5 % auf -0,6 % sehen. Effektiv wäre das nicht gewesen. Es hätte weitaus weniger genutzt als das, was beschlossen wurde.

Die Situation war absolut bizarr. Der Markt verlangte im übertragenen Sinne einen 50 Euroschein und bekam einen 500 Euroschein – und beschwerte sich danach. Ein Problem an der Sache war vermutlich, dass die beschlossenen Maßnahmen so zahlreich waren. Viele dürften Probleme gehabt haben, das richtig zu interpretieren.

Die Maßnahmen haben es aber in sich. Nach der Finanzkrise mussten Banken Eigenkapital aufbauen. Die Kapitalanforderungen wurden verschärft. Nun, in der Krise, werden die Anforderungen aufgeweicht. Zum einen werden die antizyklischen Kapitalpuffer freigegeben. Zum anderen dürfen Banken auch kurzfristig unterhalb der geltenden Kapitalanforderungen weiterarbeiten.

Bisher hätten Banken bei Unterschreiten gewisser Grenzen praktisch abgewickelt werden müssen. Das wird ausgesetzt. Entsprechend gibt es auch in diesem Jahr keinen Stresstest. Wirklich beeindruckend ist aber die Liquidität, die EZB und Fed zur Verfügung stellen. Die EZB stellt praktisch unbegrenzte Liquidität zur Verfügung. Das Sahnehäubchen ist aber TLTRO III (Targeted Long Term Refinancing Operation).

TLTROs laufen mehrere Jahre. Banken können sich hier nun unter TLTRO III bis zu einer Billion mehr Geld besorgen und bekommen dafür 0,75 % an Zinsen. Das entlastet die Banken enorm. Es kann den Effekt des negativen Einlagensatzes auffangen. De facto kommt diese Operation einer kleinen Kapitalspritze gleich.

QE wird zudem um 120 Mrd. EUR in diesem Jahr aufgestockt. Die US-Notenbank kauft aktuell schneller Anleihen als bisher und ist bei der Auswahl an Anleihen flexibler. Bisher wurden kurzlaufende Papiere erworben, jetzt auch Anleihen mit langen Laufzeiten. Auch die Höhe der geplanten Anleihekäufe wurde nun am Sonntag ausgeweitet. Ursprünglich lag die Zielgröße bei 60 Mrd. USD pro Monat. Nun sollen in den nächsten Monaten insgesamt 700 Mrd. USD in den Markt gepumpt werden. Das entspricht einer QE-Erhöhung von 550-600 Mrd USD.

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Die Fed stellte über Repo Geschäfte zudem innerhalb von zwei Handelstagen 1,5 Billionen Dollar zusätzlich zur Verfügung. Es folgen bis Mitte April wöchentlich zwei weitere Refinanzierungsrunden zu je 500 Mrd. Würden Banken das komplett ausschöpfen, würde sich die Bilanzsumme der Notenbank bis Mitte April verdoppeln (siehe Grafik).

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Zu guter Letzt senkt die Fed den Leitzins auf 0-02,5 %. Die Senkung um eine Prozentpunkt in einem Schritt ist größer als zur Zeit der Finanzkrise. Damals war der größte Schritt 0,75 %.

Diese Maßnahmen stellen das, was zur Zeit der Finanzkrise gemacht wurde, in den Schatten. Es zeigt auch, dass die EZB tatsächlich noch Möglichkeiten hat. Sie kann auch jenseits von Zinssenkungen sehr viel bewegen. Es handelt sich allerdings um Maßnahmen, die weniger einfach zu verstehen sind. Anleger haben damit so ihre Probleme. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Notenbanken gerade die Maßnahmen der Finanzkrise übertroffen haben.

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8 Kommentare

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  • Tomthecat
    Tomthecat

    leider wirken die Maßnahmen allerdings zumindest jetzt so absolut nicht, das Gegenteil ist der Fall, was hat das zu bedeuten?

    08:30 Uhr, 16.03. 2020
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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