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11:06 Uhr, 01.10.2024

Normenkontrollrat: Politik muss Momentum zum Bürokratieabbau nutzen

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat eine Abflachung des Belastungstrends durch Bürokratie festgestellt, mahnt aber angesichts weiter hoher Lasten zu einem dauerhaften Abbau. "Gegenüber den Milliardenanstiegen vergangener Jahre verlangsamt sich der Aufwuchs beim Erfüllungsaufwand - das heißt beim Zeitaufwand und den Kosten, die neue Gesetze Jahr für Jahr verursachen", erklärte das Gremium in seinem Jahresbericht. Das Plus von Juli 2023 bis Juni 2024 betrage noch 400 Millionen Euro: Während die Verwaltung einen Anstieg von 821 Millionen schultern müsse, werde die Wirtschaft erstmals seit 2019 entlastet - um 433 Millionen Euro. Die durch Informationspflichten verursachten Bürokratiekosten sanken demnach sogar um 655 Millionen Euro.

"Angesichts milliardenschwerer Anstiege in den vergangenen Jahren bewertet der NKR positiv, dass sich der Belastungstrend abgeflacht hat", sagte der Vorsitzende des unabhängigen Kontroll- und Beratungsgremiums, Lutz Goebel. "Die Politik darf das Momentum jetzt nicht vorbeiziehen lassen", forderte er. "Sie muss den dauerhaften Willen aufbringen, den Bürokratieabbau vom Einzel- zum systematischen Regelfall zu machen." Die Bemühungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau begännen sich auszuzahlen. "Das hat ein verhaltenes Lob verdient", betonte Goebel. "Verhalten deshalb, weil wir insgesamt auf einem sehr hohen Aufwands-Plateau angekommen sind." Die Politik müsse sich weiter anstrengen und nicht nur Aufwuchs vermeiden, sondern das Bestandsrecht vereinfachen.

Deshalb komme die Wachstumsinitiative zur richtigen Zeit. "Die Bundesregierung hat einen Abbaupfad angekündigt, allerdings ohne zu sagen, wie ambitioniert der ausfallen soll", monierte Goebel allerdings. "Wir brauchen eine verbindliche Zielgröße: 25 Prozent weniger Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand in vier Jahren", forderte er. "Das wären fünf Milliarden Euro weniger Aufwand, Jahr für Jahr." Genauso wichtig sei ein anderer Aspekt der Wachstumsinitiative - der Praxischeck verbunden mit dem Ziel, Gesetze so zu vereinfachen, dass unnötige Hürden für die Umsetzung abgeräumt werden.

Als Beispiele führte er in einer Pressekonferenz Regelungen zur Sozialversicherung und zum Führerschein an. Da sei es "ein Witz, dass man Papier durch die Gegend schickt". Der NKR drang auch auf Vereinfachungen für Genehmigungen für Schwerlasttransporte und Bundesländer übergreifende Regelungen. "Warum müssen gewisse Dienstleistungen in jeder einzelnen Kommune erbracht werden? Warum werden Dinge nicht komplett zentralisiert an einer einzigen Stelle und werden für alle Kommunen dann durchgeführt?", fragte Goebel. "Das wäre ja viel, viel effizienter."

Entsprechende Änderungen würden gerade angedacht bei den Autokennzeichen, aber da würden noch viele weitere Maßnahmen folgen müssen. Nachdem das Wirtschaftsministerium gezeigt habe, wie so etwas gehe, seien jetzt alle Ressorts verpflichtet nachzuziehen. "Das ist ein Meilenstein für die bessere Rechtsetzung und vom NKR lange gefordert worden", sagte Goebel. Allerdings müsse die Bundesregierung nun noch weitere Beschlüsse fassen und Ressourcen bereitstellen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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