Kommentar
10:55 Uhr, 23.04.2015

Noch tiefere Zinsen in Zukunft - Bargeld adé ?

Was vielen Sparern die Zornesröte ins Gesicht treibt gilt unter vielen Ökonomen und Notenbankern als die Lösung aller Probleme: noch tiefere Zinsen. Noch niedrigeren Zinsen steht vor allem eines im Weg - Bargeld.

Kann man es abschaffen, dann wären Zinsen leicht weiter zu senken, aber lässt sich Bargeld überhaupt abschaffen?

Vor einigen Monaten waren es wilde Theorien, die man schon fast als Verschwörungstheorien abtun konnte. Inzwischen sind es keine wilden Theorien mehr, sondern fast schon gesetzte Sache: die Abschaffung des Bargeldes. Ob es Bargeld gibt oder nicht, das ist den Zentralbanken eigentlich egal. Es geht ihnen nicht um die Scheine und Münzen an sich, sondern darum, dass Geld, welches nicht in elektronischer Form existiert, nur einer geringen Kontrolle untersteht. Solange es Bargeld gibt, lassen sich substantiell negative Zinsen nicht umsetzen.
Jeder Sparer, der auf sein Guthaben bei der Bank Zinsen zahlen muss, hat keinen Anreiz mehr es auf dem Konto zu belassen. Solange es Bargeld gibt können Sparer negative Zinsen umgehen, indem sie ihr Geld nicht mehr auf dem Konto, sondern unter der Matratze horten. Solange das möglich ist lassen sich negative Zinsen nicht durchsetzen. Sie würden auf dem Papier existieren und auch eine gewisse Wirkung entfalten, nicht jedoch jene Wirkung, die sie haben sollen.

Negative Zinsen sollen verhindern, dass Menschen sparen. Entwertet sich das Geld, wenn es einfach nur auf dem Konto liegt, dann ist der Anreiz groß das Geld auszugeben. Das hoffen Ökonomen und Zentralbanker zumindest. Vermutlich bleibt das allerdings nur Theorie. Bargeld lässt sich nämlich nicht so einfach abschaffen.
Grundsätzlich kann die Abschaffung von Scheinen und Münzen einfach beschlossen werden. Das bedeutet aber nicht, dass Bargeld damit abgeschafft ist. Es würden einfach andere Mittel zu Bargeld werden. Bevor ich negative Zinsen auf dem Konto akzeptiere, kaufe ich damit lieber Bargeldersatz. Als Bargeldersatz bieten sich vor allem Edelmetalle an. Die meiste Zeit in der Geschichte wurden Gold und Silber als Bargeld verwendet. Die Abschaffung von Geldscheinen würde uns wohl dahin zurückführen.

Ebenso wie sich bei der Abschaffung von Bargeld Probleme ergeben, ergeben sich auch Probleme beim Bargeldersatz. Geschäfte müssten akzeptieren, dass ich meinen Einkauf mit Gold bezahle. Das könnten sie tun, werden sie aber höchstwahrscheinlich nicht. Sofern Edelmetalle nicht als offizielle Zahlungsmittel anerkannt werden ist es schwer damit seinen Liter Milch zu kaufen. Wird Gold als offizielles Zahlungsmittel nicht anerkannt, dann liegt das Problem bei den Unternehmen, die es trotzdem akzeptieren. Was sollen sie damit tun? Die Kosten es zu halten sind hoch, insbesondere wenn sie es nicht in elektronisches Geld tauschen können.

Bargeldersatz in physischer Form bringt viele praktische Probleme mit sich und dürfte eher eine Randerscheinung sein, sollte Bargeld tatsächlich abgeschafft werden. Für Sparer ist das kein Problem. Man kann seine Milch ja auch – wie gewünscht – mit der Karte zahlen. Überschüssiges Geld, welches man lieber sparen als ausgeben will ließe sich ja dennoch in einen Sachwert tauschen. Alle paar Monate kauft man sich mit dem Ersparten dann eine weitere Unze Gold und lagert sie ein.
Um Bargeldersatz (nicht als Zahlungsmittel, sondern als nicht elektronisches Sparbuch) zu verhindern müsste der Besitz von einer ganzen Reihe von Sachwerten verboten werden. Dazu gehören sicherlich auch Edelmetalle. Ob sich das durchsetzen lässt, sei dahingestellt.

Nehmen wir für den Zweck der Argumentation an, dass es gelingt Bargeld in Form von Münzen und Scheinen abzuschaffen. Ferner gelingt es durch eine Flut von Verboten und Geboten Bargeldersatz zu verhindern. Sind damit die Probleme gelöst? Mitnichten.

Bereits heute gibt es mehrere digitale Währungen. Sie sind vielleicht sehr volatil und die Sicherheit ist auch so eine Sache, aber grundsätzlich sind digitale Währungen eine echte Alternative. Der Bitcoin (man mag von dieser Währung halten, was man will) wird von keiner Zentralbank kontrolliert. Es macht daher auch nichts, dass es sich um eine digitale Währung handelt. Bargeld hat ja nur einen Wert, weil die Zentralbank damit nicht beliebig tun kann, was sie will. Sofern eine digitale Währung dieses Kriterium erfüllt, kann sie auch ruhig digital sein.

Kann man digitale Währungen verbieten? Man kann es sicherlich versuchen. Was aber, wenn ein Unternehmen als Produkt einen Ersatz für die offizielle Währung anbietet? Vielleicht kommt Apple auf die Idee Kunden anzubieten, dass sie einen „Apple“ um 100 Euro kaufen können. Diesen Apple verwahren sie dann in ihrer digitalen Geldbörse (Apple Pay). Mit diesem Apple kaufe ich bei einem anderen Unternehmen ein.

Es kann unzählige solcher Lösungen geben. Solange Konsumenten und Unternehmen eine digitale Währung akzeptieren kann sie immer weiter gegen Güter getauscht werden. Von der Politik müssten schon enorme Anstrengungen unternommen werden, um das zu verhindern. Im Gegensatz zu physischem Bargeldersatz sind die mit einer digitalen Währung verbundenen Kosten sehr gering.

Ökonomen und Zentralbanken leben immer noch in einer Welt, in der es keine Alternativen zum klassischen Bankenwesen gibt. Das ist jedoch falsch. Es ist zwar mühsam, aber schon heute ist es möglich komplett außerhalb des konventionellen Bankensystems zu existieren. Ein Bargeldverbot würde diese Entwicklung explosiv beschleunigen.

Soweit muss man nicht einmal gehen, um zu begreifen, dass ein Bargeldverbot wenig bringt. Der Kapitalverkehr ist relativ offen. Würde der Euro als Bargeld abgeschafft, dann gibt es wahrscheinlich einen Run auf Wechselstuben und wechselt Euro in Dollar, Yen, botswanische Pula oder sonst was. Ohne die Abschaffung des Kapitalverkehrs kann man Bargeld nicht beseitigen. Selbst wenn man sein Geld nicht in Dollarscheine tauscht kann man das Geld einfach ins Ausland überweisen und zurückholen, sobald es notwendig ist. Kurz gesagt: es gibt unzählige Möglichkeiten wie man die Abschaffung des Bargeldes umgehen könnte.

Die Diskussion über Maßnahmen zur Abschaffung und Umgehung der Abschaffung lässt sich hunderte Seiten weiter fortführen. Das ist jedoch gar nicht notwendig. Bevor Bargeld abgeschafft wird kommt es wohl zu einer ganz anderen Maßnahme, da die Abschaffung des Bargeldes extrem umständlich und letztlich wohl doch wirkungslos wäre. Bevor also Bargeld verschwindet dürften über Nacht alle Vermögen in einem Währungsraum eingefroren werden. Der Staat würde sich dann einfach einen beliebigen Prozentsatz davon aneignen. Der Staat könnte eine Sondersteuer von 10, 20 oder 30% auf das Nettovermögen erheben.

Negative Zinsen sollen das Wachstum anschieben. Da sich negative Zinsen nur durchsetzen lassen, wenn es kein Bargeld mehr gibt, wird es substantiell negative Zinsen nicht geben. Bargeld bzw. Bargeldersatz lassen sich nicht abschaffen. Die Durchsetzung negativer Zinsen zur Ankurbelung des Konsums ist daher illusorisch. Wenn man Privatpersonen nun aber nicht durch Geldpolitik zu mehr Konsum zwingen kann, dann muss der Konsum aus anderer Quelle stammen. Der Staat kann mehr konsumieren, sofern er den finanziellen Spielraum hat. Den schafft er sich, indem er eine Sondersteuer auf alle Vermögen erhebt. Diese Steuer sind dann wie negative Zinsen. Das Geld wird nicht durch negative Zinsen über die Zeit immer weniger, sondern auf einen Schlag durch eine Sondersteuer.

8 Kommentare

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  • Erasmus v. Baden
    Erasmus v. Baden

    genauso wie jeder Trader immer wieder mal einen Black Swan erlebt, werden die Zentralbanken dieser Welt die Währungen immer iweder mal an die Wand fahren. Merke: der Mensch, insofern auch der Zentralbanker ist eben keine Maschine und erliegt seinen verwirrenden Emotionen. Und wenn alles am Ende ist, geht´s munter wieder von vorne los....bis zum nächsten Black Swan der Menschheit...

    14:23 Uhr, 23.04.2015
  • TitusvonBuch
    TitusvonBuch

    Wenn der Staat die Leute absichtlich verarmt, muß er sie später als Sozialfälle ernähren. Wo bleibt da die Logik?

    12:09 Uhr, 23.04.2015
    3 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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