Kommentar
17:10 Uhr, 02.12.2020

Noch nie war die Geldpolitik so geeint

Wenn die einzelnen Regionen sonst schon wenig eint, so sind zumindest die Notenbanken einer Meinung.

Die Pandemie macht nicht an Grenzübergängen Halt. Ein globales Problem braucht auch eine globale Lösung. Das wird an vielen Stellen gepredigt. Geholfen hat es nicht. Zwischen dem, was gesagt wird und dem, was dann wirklich geschieht, gibt es eine große Lücke.

Das war nicht nur bei der Bekämpfung der Pandemie so. Es setzt sich auch beim Impfstoff fort. Zwar beteuerten alle an einer gerechten Verteilung interessiert zu sein, doch es hielt keines der Länder ab, die es sich leisten können, 5 Impfdosen pro Einwohner zu bestellen. So wird das globale Angebot von relativ wenigen Ländern abgeschöpft. Viele Entwicklungsländern können es sich einfach nicht leisten, in diesen Bieterwettkampf einzusteigen.

Was politisch nicht funktioniert (an einem Strang ziehen), funktioniert immerhin geldpolitisch. Schon seit der Finanzkrise gibt es einen Tendenz zu immer niedrigeren Zinsen. Ein Drittel der größten 40 Notenbanken legte Zinsen von einem Prozent oder weniger fest. Heute sind es über 50 % (Grafik 1). Zinsen von mehr als 3 % gibt es nur noch in 20 % der Länder.


Nach der Finanzkrise war es ein Phänomen in den Industrieländern. Der Zinserhöhungszyklus 2011 und 2018 versiegte schnell wieder (Grafik 2). Inzwischen sind fast alle Notenbank bei 0 % oder nahe an der Nullgrenze. Nur Island schert mit 1 % Prozent noch nach oben aus.

Im Gegensatz zu früheren Krisen ist da Phänomen dieses Mal global. In vielen Emerging Markets sinken die Zinsen tendenziell seit vielen Jahren. Noch nie klebten die Leitzinsen auch in diesen Ländern so nah an der Nullzinsgrenze (Grafik 3). In Saudi-Arabien, Thailand, Chile, Polen und Peru liegen die Zinsen zwischen 0 % und 1 %.

Nach der Finanzkrise stiegen die Leitzinsen in den meisten Ländern in eine Range von 3-10 %. Davon ist aktuell keine Rede mehr. Selbst 2 % sind heute schon viel. Nur in der Türkei steigen die Zinsen wieder. Hier muss die Zentralbank einen Währungskollaps abwenden. Ohne Zinserhöhungen geht das nicht.

Zentralbanken agieren überall auf der Welt in Einklang. Selbst QE verbreitet sich wie ein Lauffeuer. QE und Nullzinsen schienen den Industrieländern vorbehalten zu sein. Inzwischen kann sich fast jeder dieser Instrumente bedienen.

Kurzfristig kann das funktionieren. Ist der wirtschaftliche Schock so groß wie der aktuelle, kann man die Zinsen kaum tief genug senken und nicht genug Staatsanleihen kaufen. Eine Normalisierung danach hingegen kann zu größeren Verwerfungen führen. Sobald Notenbanken nicht mehr miteinander agieren, sondern gegenläufige Entscheidungen treffen, stellt das das System unter gewisse Spannungen. Man muss schon Optimist sein, um davon auszugehen, dass diese Spannungen ohne Schäden überwunden werden.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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