Analyse
06:53 Uhr, 03.09.2014

Noch mehr Unruhe im Nahen Osten? Ölpreis bricht ein!

Natürlich ist es strategisch klug, nach außen Geschlossenheit und Souveränität zu demonstrieren. "Da gibt es keinen Grund zur Sorge", wird ein Abgesandter des Ölkartells OPEC zitiert. Ob er weiß dass Brent technisch zum Abschuss freigegeben ist?

Erwähnte Instrumente

  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 100,72 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Brent Crude Öl - WKN: 967740 - ISIN: XC0009677409 - Kurs: 100,72 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation)

Der Preis für ein 159-Liter-Fass Brent Crude Oil rutschte gestern um 2,12 % auf 100,16 USD. Heute Morgen erholt sich der Preis um einen halben Dollar auf 100,68 USD/Barrel - was der Markt versucht, bleibt aber klar: Der OPEC-Mindestpreis wird attackiert. Die Unterstützung ist nun charttechnisch exponiert. Durch den gestrigen Handelstag erfolgte ein Trendfolgesignal für alle Leerverkäufer. Bedeutet: Auch wenn fast alle Kommentatoren auf verschiedenen Webseiten gelassen bleiben und fast einhellig einen wieder steigenden Ölpreis prognostizieren, spricht die Charttechnik eine ganz andere Sprache. Hier haben viele noch nicht mitbekommen dass die 100-Dollar-Marke akut bedroht ist!

Das war eine meiner Hauptthesen für dieses Jahr: Die Ölproduktion rund um den Erdball wächst heute kräftig. Chinas Nachfragewachstum liegt heute sogar unter dem indischen, und die USA haben ihr Handelsbilanzdefizit seit dem Jahr 2005 mehr als halbiert, weil sie dank eigener Ölproduktion immer weniger Öl importieren müssen. Damit verändert sich die Dynamik auf dem weltweiten Ölmarkt nachhaltig. Die OPEC verliert an Macht. Das ist insofern kritisch, als dass es mehrere Beobachter vor Ort gibt, die davon ausgehen, dass Saudi Arabiens Königshaus einen Mindestpreis beim OPEC-Ölkorb von 100 USD benötigt, um seinen Staatshaushalt zu finanzieren. Wir alle wissen: Ohne Öl geht da unten nichts mehr. Es ist noch schlimmer: Schon bei einem Ölpreis von 90 USD oder tiefer dürfte der Nahe und Mittlere Osten weiter destabilisiert werden!

Diese Bastion wird sicherlich nicht kampflos aufgegeben werden. Natürlich ist es strategisch klug, nach außen Geschlossenheit und Souveränität zu demonstrieren. "Da gibt es keinen Grund zur Sorge", wird ein Abgesandter des Ölkartells von Reuters zitiert. Der "kleine Rutsch" wird als Korrektur angesehen. Die Fundamentaldaten seien Basis von eventuellen Neuausrichtungen der OPEC-Förderquoten. Der saudische Ölminister Ali al-Naimi sagte im Juni, dass ein Preis von "$100, $110, $95 ein guter Preis" sei. Ein Vertreter der OPEC in Afrika sagte zu Reuters, der Rutsch sei lediglich ein "saisonales Phänomen" - ein Argument dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, schließlich steigt der Ölpreis normalerweise in Zeiten hoher geopolitischer Unsicherheit und auch saisonal ist der August und September kein schlechter Monat für Öl:

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Wenn Preise auf eigentlich "positive" Entwicklungen wie geopolitische Spannungen nicht mehr reagieren und trotzdem fallen dann haben wir es mit einem Bärenmarkt zu tun, und nicht mit einem "kleinen Rutsch." Seis drum: Die Ölhändler attackieren die 100-USD-Marke und das ist definitiv ein Thema in Riad und anderen OPEC-Städten. Wir haben in Deutschland eine diversifizierte Industrie, viele der OPEC-Staaten haben nur Öl. Es mag sein dass der Rückgang bislang als nicht kritisch angesehen wird. Wir sind ja auch noch über 100 USD. Aber für wie lange bleibt abzuwarten. Denn faktisch sieht der Brent-Chart alles andere als gut aus. Im Juni erfolgte ein bullischer Fehlausbruch - jetzt rutscht der Preis aus einem riesigen symmetrischen Dreieck nach unten raus. Das nüchtern daraus ermittelte Ziel - man möge in Riad diese Berechnung auch durchführen - liegt bei 75 USD:

Brent: Symmetrisches Dreieck mit bullischem Fehlausbruch
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3 Kommentare

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  • Sukram
    Sukram

    Das mit der wachsen Ölproduktion "rund um den Erdball" sehen aber IEA, EIA & Co. ganz anders; danach wächst's nur noch in den USA, bis ~2016, so jedenfalls die US-Energiebehörde, und ohne die wäre die Weltförderung "all liquids" schon letztes Jahr gesunken..

    15:33 Uhr, 03.09.2014
  • Einspruch35
    Einspruch35

    ​Nicht nur für die Saudis sind die 100 USD beim Ölpreis eine magische Marke. Der russische Staatshaushalt hat genau dieselbe Achillesferse. Nach dem Nuklear-Gipfel in Den Haag Ende März hatte Obama auf dem Heimweg noch kurz in Riad vorbeigeschaut. Da war die Krim gerade heimgekehrt ins Reich, Russland aus G8 geflogen und von Obama als Regionalmacht abgekanzelt worden. Schon bemerkenswert, wie krisenresistent sich der Ölpreis dieses Jahr zeigt, trotz Libyen, Gaza, Irak.

    11:49 Uhr, 03.09.2014
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Wie immer eine sehr gute Analyse. Ich muss aber bei der charttechnischen Analyse widersprechen. Die Prognosequalität von symmetrischen Dreiecken ist hoch - vorausgesetzt das Signal erfolgt nicht in der Spitze des Dreiecks (wie hier der Fall). Dann sinkt die Qualität der Signale in den Zufallsbereich.....

    09:25 Uhr, 03.09.2014

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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