Kommentar
15:04 Uhr, 18.07.2006

Nahost-Krise lässt Renditen sinken

Der Krieg im Libanon treibt den Ölpreis auf neue Rekordhöhen und schürt weltweit Konjunktursorgen. Die Renditen sicherer Staatsanleihen geben daraufhin auf breiter Front nach. Die japanische Notenbank beendet die Nullzinspolitik und erhöht erstmals seit sechs Jahren die Leitzinsen. Dollar tendiert vor diesem Hintergrund fester.

Neuerlicher scharfer Ölpreisanstieg

Die internationalen Kapitalmärkte standen in den letzten Tagen unter dem Eindruck massiv steigender Ölpreise. Binnen Wochenfrist verteuerte sich der Preis für ein Barrel Rohöl (159 Liter) der Sorte Brent um bis zu vier US-Dollar und notierte in der Spitze bei 78 US-Dollar. Auslöser war die Invasion des Libanon durch die israelischen Armee, nachdem zuvor die Hisbollah-Milizen von hier aus terroristische Angriffe auf Israel unternahmen. Aus Angst vor einem Flächenbrand im Nahen Osten ist die im Ölpreis enthaltene Risikoprämie deutlich angestiegen. Ein Überqueren der 80-Dollar-Marke steht nach Einschätzung vieler Beobachter unmittelbar bevor. Für die Konjunktur und Inflation in den Industrieländern sind dies eher beunruhigende Nachrichten. So überrascht es auch nicht, dass Staatsanleihen aus den Industrieländern Kursgewinne verzeichneten, gelten sie doch gerade in unruhigen Zeiten als einer der wenigen sicheren Anlagehäfen.

US-Verbraucher zurückhaltender

Die amerikanischen Verbraucher, deren lebhafter Konsum lange Zeit die wichtigste Konjunkturstütze in den USA war, scheinen vorsichtiger zu werden. Im Juni sind die Einzelhandelsumsätze um 0,1 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken. Auch das durch Befragungen der Universität Michigan ermittelte Konsumentenvertrauen bestätigte die skeptischere Haltung der privaten Haushalte. Die Wahrscheinlichkeit für eine im zweiten Halbjahr 2006 nachlassende Konjunkturdynamik hat damit neue Nahrung erhalten, zumal von den weiter steigenden Ölpreisen zusätzliches Ungemach droht. An den Rentenmärkten ging diese Entwicklung nicht spurlos vorüber. Die Renditen zehnjähriger US-Treasuries gaben im Wochenverlauf um sieben Basispunkte nach und näherten sich wieder der 5-Prozent-Marke an. Einen grundlegenden Richtungswechsel auszurufen, ist jedoch noch verfrüht. Vor allem der Ölpreisanstieg ist aus geldpolitischer Sicht ein zweischneidiges Schwert. Einerseits dämpft er die Konjunktur und eröffnet der Notenbank damit Spielraum für Zinssenkungen. Andererseits erhöht sich dadurch der Druck auf die Preise, was für eine Straffung der Geldpolitik spricht. Ein weitere Leitzinsanhebung auf dann 5,5 Prozent kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Euroraum: Kursgewinne am Rentenmarkt

Mit dem spürbaren Anstieg der Renditen verbuchten Rentenpapiere aus dem Euroraum nennenswerte Kurszuwächse. Zehnjährige Bundesanleihen rentierten erstmals seit Mitte Juni wieder unter vier Prozent. Die gestiegene geopolitische Unsicherheit dominiert damit über die alles in allem noch günstigen Konjunkturaussichten für den Euroraum. Letztere sprächen eher für steigende Renditen, zumal die Europäische Zentralbank wenig verhüllt für Anfang August die nächste Leitzinserhöhung angekündigt hat. Die Zinsstrukturkurve, die die Renditen verschiedener Anleihelaufzeiten miteinander verbindet, hat in diesem Umfeld einen flacheren Verlauf angenommen, d.h. der Zinsunterschied zwischen kurzem und langem Ende hat sich verringert, was nicht gerade für einen überschäumenden Konjunkturoptimismus spricht. Dem weiteren Fortgang der Nahostkrise dürfte in den nächsten Tagen und Wochen eine zentrale Bedeutung an den Kapitalmärkten zukommen. Die Wiederaufnahme des Trends zu höheren Renditen setzt voraus, dass der Konflikt im Libanon eingegrenzt wird und in absehbarer Zeit in einen Waffenstillstand mündet.

BoJ beendet Nullzinspolitik

Die japanische Notenbank (BoJ) hat auf ihrem Weg zur Normalisierung der Geldpolitik den zweiten Schritt unternommen und die faktische Nullzinspolitik beendet, nachdem sie sich in den vergangenen Monaten bereits von der mengenmäßigen Lockerung (Quantitative Easing) verabschiedet hatte. Dabei hat sie zum ersten Mal seit August 2000 wieder die Leitzinsen angehoben. Der Zinssatz für Tagesgeld beträgt nunmehr 0,25 Prozent, der Diskontsatz 0,4 Prozent. Dies ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass Japan die Phase mit stagnierender Wirtschaft und einer deflationären Preisentwicklung endgültig verlassen hat. Im letzten Jahr nahm das Bruttoinlandsprodukt um 2,6 Prozent zu, in diesem Jahr könnte der Zuwachs sogar noch etwas stärker ausfallen. Zudem ist inzwischen wieder ein leichter Anstieg der Verbraucherpreise zu verzeichnen. Mit einer aggressiven Zinserhöhungsstrategie ist jedoch auch zukünftig nicht zu rechnen. Die BoJ dürfte stattdessen unter Berücksichtigung von Konjunktur- und Inflationsdaten einen eher vorsichtigen Kurs in der Geldpolitik steuern.

Ausblick:

Die Veröffentlichung von Konjunkturdaten und Quartalsberichten durch die Unternehmen ist in ihrer Bedeutung für die Kapitalmärkte eindeutig hinter die geopolitischen Geschehnisse gerückt. Meldungen vom Kriegsschauplatz dürften sich unmittelbar in den Kursen niederschlagen, wobei der Ölpreis der wichtigste Krisenindikator bleibt.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 140,2 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende November 2005. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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