Kommentar
13:53 Uhr, 11.06.2012

Nächster Akt im Krisen-Theater

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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

eine Welle der Erleichterung schwappt nach den geplanten Finanzhilfen für die spanischen Banken über Europas Finanzmärkte. Dass Spanien nun doch unter den europäischen Rettungsschirm schlüpft, wird mit Kurssprüngen bei den Aktienmärkten und beim Euro gefeiert. Klingt etwas seltsam, ist aber so. Es scheint zunächst Erleichterung zu sein, dass jetzt darüber Gewissheit herrscht und es nicht noch schlimmer gekommen ist. Ob die heutigen Kursanstiege nach der heftigen Maikorrektur und der ersten freundlichen Juniwoche nun der Auftakt zu einer größeren Kurserholung oder sogar einer neuen Rally in Richtung Jahreshochs sind, bleibt abzuwarten. Zumindest aus charttechnischer Sicht sind weder die Aktienindizes noch EUR/USD auf die Bullenseite gewechselt, sie springen Hand in Hand an wichtige Widerstandsbereiche. Die Beruhigungspille wirkt im ersten Moment, muss sich aber noch als Heilmittel beweisen. Zumindest charttechnisch orientierte Trader sind gewarnt, die heutige Euphorie noch mit Skepsis zu betrachten.

Es ist nüchtern betrachtet ein wenig ermutigendes Zeichen, dass die viertgrößte Volkswirtschaft Europas sich nicht selbst aus der vor allem durch das Platzen der Immobilienblase entstandenen Misere befreien kann. Ein Blick in die europäische Presse am heutigen Vormittag offenbart ein sehr skeptisches Bild, unter das sich immer wieder auch Argwohn und Wut mischen. Die Stabilisierung Spaniens ist unumgänglich, um einen kompletten Kollaps der europäischen Wirtschaft und vor allem der Gemeinschaftswährung zu verhindern, soweit der Konsens. Spanien ist nicht Griechenland, auch nicht Portugal und Irland. Austrittsszenarien, wie sie aktuell auch in der Griechenlandfrage die Runde machen, sind für Spanien undenkbar. Es wäre das definitive Ende des Euro-Experiments. So wird also weiterhin Flickschusterei betrieben um immer neue Löcher im maroden Bug des Euroschiffs zu stopfen. Die Gefahr besteht, dass auch die Wirkung dieser Stütze schnell verpuffen wird, wie es schon bei früheren Finanzspritzen zu beobachten war. Die Folge wären weitere Kredite und Hilfszusagen, welche einerseits die europäische Geldpolitik in starke Bedrängnis bringen und andererseits das Misstrauen der EU-Bürger weiter steigern würde.

Die „Alles-Wird-Gut“ Mentalität wird den europäischen Politikern immer weniger abgenommen, die Steuerzahler begreifen langsam, dass sie am Ende die Zeche zahlen müssen. Wir alle müssen letztlich gerade stehen für eine von Anfang an naiv und viel zu optimistisch geplante europäische Währungspolitik sowie für die Verfehlungen und falschen Versprechungen verantwortungsloser Politiker und Finanzjongleure. Der Preis ist der teuerste, den wir nur bezahlen können: Der Verlust von Lebenszeit und -qualität sowie erschreckende Zukunftsaussichten für unsere Kinder.

Die Bürger wachen langsam (sehr langsam) auf und erkennen die Folgen der hausgemachten Probleme, deren Ursprung eindeutig systembedingt ist. Viele stellen sich Fragen wie: Warum werden Banken als mitverantwortliche der Krise der letzten Jahre jetzt noch mit Finanzspritzen belohnt, wo in einigen europäischen Ländern Rekorde in Sachen Arbeitslosigkeit und Privatinsolvenzen aufgestellt werden? Oder warum werden nicht die korrupten Politiker und Wirtschaftsbosse zur Rechenschaft gezogen, deren oberstes Ziel ganz unverblümt und offensichtlich nicht das Wohl der Allgemeinheit ist? Wieso wird die laufende Krise nicht genutzt, um zwingend notwendige Änderungen am politischen und wirtschaftlichen System vorzunehmen, anstatt den sterbenden Patienten weiter mit Drogen am Leben zu halten? Dies sind brennende Fragen, welche in naher Zukunft diskutiert werden müssen. Als geborener Optimist bin ich aber guter Dinge, dass wir, wie sagt man so schön: Die Kurve kriegen und diese Krise letztlich als Chance für einen Systemwandel hin zu echter Demokratie und ressourcenbasierter Ökonomie genutzt wird und nicht in Blutvergießen und orwellscher Diktatur endet. Um nochmals das Bild von oben aufzugreifen: Der alte, löchrige Kahn darf absaufen, ja, aber bitte erst, wenn das neue, moderne Schiff daneben steht und alle Insassen gerettet werden können.

Ihr André Rain

- Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de, Chefredakteur des Forex&CFD Report


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Über den Experten

André Rain
André Rain
Technischer Analyst und Trader

André Rain ist seit dem Jahr 2000 im Aktienhandel aktiv. Hier startete er bereits mit seiner autodidaktischen Ausbildung in Chartanalyse. Die Faszination für die Charttechnik führte ihn im Mai 2005 zu GodmodeTrader, dem Vorgänger-Portal von stock3.com, wo er als Technischer Analyst mit Schwerpunkten auf Aktien- und Indexanalysen tätig ist. Seit 2004 handelt er privat intensiv Aktien und Hebelzertifikate im kurzfristigen Zeitfenster von wenigen Minuten bis mehreren Stunden. Dabei hat er sich auf den Handelsstil des Ausbruchstradings spezialisiert, mit dem er an kurzen, dynamischen Marktbewegungen partizipiert. Seiner Meinung nach ist der Chart das beste Instrument zur Auswertung und Prognose von Bewegungen an den Finanzmärkten.

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