Kommentar
12:50 Uhr, 23.02.2009

Mittel- und Osteuropa in Bedrängnis: Steigende Gefahr von Schulden- und Währungskrisen

1. Die Region Mittel- und Osteuropa ist von der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise in besonderer Weise betroffen. Die folgende Analyse erstreckt sich auf zwölf Staaten aus den Regionen Mittel- und Osteuropa, Naher Osten und Afrika (EMEA). Wir haben folgende Fragen untersucht: Wie hoch ist die Gefahr, dass in den einzelnen Ländern der externe Finanzierungsbedarf nicht gedeckt werden kann? Wo drohen Währungskrisen? Besteht die Gefahr eines Staatsbankrotts?

2. Aktuell schätzen wir die Risiken hinsichtlich Finanzierungsbedarf und Währungskrisen höher als die eines Staatsbankrotts ein. Nichtsdestotrotz sollte man die Interdependenzen zwischen den Krisensituationen berücksichtigen: Findet sich ein Land beispielsweise währungsseitig in einer Abwertungsspirale, bleibt dies nicht ohne Konsequenzen für die Finanzierungsmöglichkeiten oder für die Zahlungsfähigkeit der Staaten. Zusätzlich sind weitere negative Folgen für andere Länder in der Region zu erwarten: So würde die Erklärung eines Zahlungsausfalls durch eine der Länder der Region die Gefahr eines solchen Schrittes für die anderen Länder erhöhen, denn die Risikoaversion würde u. a. zu Kapitalflucht oder zu einem Anstieg der Finanzierungskosten verursachen. Unsere Einschätzung für: 1) das Risiko eines Liquiditätsengpass in der externen Finanzierung eines Landes, 2) für eine Währungskrise oder 3) eines Staatsbankrotts lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

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3. In den vergangenen Jahren waren alle der hier betrachteten zwölf Länder in unterschiedlichem Maße durch ein stark kreditgetriebenes Wachstum gekennzeichnet. Mit Ausnahme von Russland, das als Rohstoffexporteur von hohen Energie- und Metallpreisen profitierte, ging die Wirtschaftsdynamik mit einer deutlichen Ausweitung der Leistungsbilanzdefizite einher. Besonders ausgeprägt war es in den baltischen Staaten und in Südosteuropa, wo das Leistungsbilanzsaldo im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gar zweistellig in den negativen Bereich rückte. Die Konsumexpansion konnte dank reichlich vorhandener Liquidität auf den Weltfinanzmärkten günstig finanziert werden: So konnten die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte über mehrere Jahre hinweg aufgebaut werden. Nachdem die Insolvenz von Lehman Brothers die Finanzmärkte erschütterte und auch die Schwellenländer in den Sog der Finanzkrise zog, wird die Abhängigkeit von der Auslandsfinanzierung für die EMEA-Region zum Verhängnis. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass diese Entwicklung nicht anhalten konnte. Die steigende Risikoaversion gefährdet die Refinanzierung der kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten, setzt nun Währungen unter Druck und bringt die Stabilität der gesamten Region ins Wanken.

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4. Der Anstieg der Auslandsverschuldung, im Baltikum gar bis zu über 100 % des BIP, geht in erster Linie auf das Konto des privaten Sektors. Die Staatsfinanzen blieben davon mit Ausnahme von Ungarn weitgehend unbetroffen. In Russland konnte der Staat dank der hohen Rohstoffeinnahmen sogar fiskalische Reserven in Höhe von über 200 Mrd. USD in einem Stabilisierungsfonds aufbauen und seine Auslandsverschuldung auf unter 5 % des BIP reduzieren. Der Unternehmenssektor blieb dennoch auf die Finanzierung aus dem Ausland angewiesen, die vorwiegend in Form von (syndizierten) Krediten und Anleihen erfolgte. In Mittel- und Osteuropa wurde die Auslandsfinanzierung durch die hohe Beteiligung westeuropäischer Banken am inländischen Bankensystem (vgl. Tabelle 2) ermöglicht. Die Mutterunternehmen – die skandinavischen Finanzinstitute im Falle vom Baltikum und österreichische, italienische und deutsche Banken in Zentral- und Südosteuropa – stellten ihren Töchterunternehmen Finanzierungslinien zur Verfügung, die dann in Form von Krediten an Unternehmen und Privathaushalte weitergegeben wurden.

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5. Angesichts der Schieflage des europäischen Bankensektors und der fehlenden Liquidität auf den internationalen Finanzmärkten stellt die Refinanzierung der kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten nun ein Problem dar. In einem Extremszenario könnten die Länder zur Deckung ihres externen Finanzierungsbedarfs vollständig auf ihre Währungsreserven angewiesen sein. Der kurzfristige Finanzierungsbedarf für das Jahr 2009, der sich als Summe des prognostizierten Leistungsbilanzdefizits für 2009 und der Tilgung der kurzfristigen Außenverschuldung errechnet, übersteigt jedoch in vielen Ländern bei weitem die Höhe der Währungsreserven. Das bedeutet, dass die Staaten in mehreren Fällen in eine Schuldenkrise abrutschen würden, wenn es nicht gelingt, einen deutlichen Teil der fälligen Kredite zu refinanzieren. Die Situation ist besonders angespannt im Baltikum und auf dem Balkan, die auf hohe Refinanzierungsquoten angewiesen sind. Die Währungsreserven in Polen, Südafrika und der Türkei würden auch bei sehr geringen Refinanzierungsquoten ausreichen, um die Finanzierungslücke zu schließen. Russland, die Tschechische Republik und Ungarn (mit Berücksichtigung des internationalen Hilfspakets) verfügen über hinreichende Reserven, um die gesamten in 2009 fälligen Auslandsverbindlichkeiten aus eigener Kraft zu begleichen. Einen zusätzlichen Risikofaktor stellt jedoch auch in diesen Ländern die Möglichkeit einer Flucht aus der Heimatwährung dar, die zu einem Abschmelzen der Währungsreserven führen kann. Die Ukraine stellt einen Sonderfall dar: Unter der Berücksichtigung des IWF-Programms sieht der Finanzierungsbedarf in Höhe von 75 % der Währungsreserven zwar nicht dramatisch aus, die Aufrechterhaltung der Programms ist jedoch durch den fehlenden innenpolitischen Konsens stark gefährdet.

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6. Das Engagement des Internationalen Währungsfonds sowie der EU (im Rahmen des Programms zur Zahlungsbilanzhilfe) in Mittel- und Osteuropa wirkt sich stabilisierend auf die Lage in der Region aus. Bisher haben unter der Koordination des IWF die Ukraine, Ungarn und Lettland umfassende Notkredite erhalten. Ein Hilfspaket für die Türkei ist aktuell im Gespräch, und wir schließen nicht aus, dass auch weitere der hier betrachteten Staaten dieses Jahr noch auf internationale Kredite zurückgreifen müssen. Die internationale Unterstützung dient jedoch vor allem dazu, die Zahlungsfähigkeit der Staaten und die Stabilität der Bankensysteme zu gewährleisten, einen deutlichen Anstieg von Insolvenzen im Unternehmenssektor kann sie nicht verhindern.

7. Wir gehen derzeit davon aus, dass die hohe Beteiligung der europäischen Finanzinstitute an heimischen Banksystemen die Refinanzierung der kurzfristigen Verbindlichkeiten erleichtert. Sollte eine weitere Zuspitzung der Finanzkrise die Liquiditätssituation der Banken in Westeuropa zusätzlich verschlechtern, würde dies eine große Gefahr für die Stabilität der Bankensysteme in der EMEA-Region sowie für die Zahlungsfähigkeit der Staaten in Mittel- und Osteuropa darstellen.

Drohen Währungskrisen?

8. Eine Schuldenkrise hätte fast unvermeidlich auch eine Währungskrise eines Landes zur Folge. Als Währungskrise bezeichnen wir einen drastischen Währungsverfall innerhalb kurzer Zeit, der die Funktionsfähigkeit des Marktes zumindest vorübergehend außer Kraft setzt.

9. Ein Blick auf die Währungsentwicklung (siehe Tabelle 3) seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers zeigt, dass die Verluste gegenüber dem Euro teilweise erheblich waren, und im Falle der Ukraine geschah der Verfall der Landeswährung innerhalb so kurzer Zeit, dass man fast schon von einer Krise sprechen könnte. Der Ungarische Forint ist wahrscheinlich nur durch die Unterstützung durch den Internationalen Währungsfonds vor dem Kollaps bewahrt worden. Auch in der liquidesten Währung der Region, dem Polnischen Zloty ist es zu deutlichen Verspannungen gekommen, und die Zentralbank hat bereits stützend eingegriffen.

10. Die Stabilität von Estnischer Krone, Lettischem Lats, Litauischem Litas und Bulgarischem Lew sind auf die hier geltenden Wechselkursregime zurückzuführen. Die Währungen Estlands, Litauens und Bulgariens sind im Rahmen eines Currency Boards fest an den Euro gebunden. Die Zentralbanken dieser Staaten haben sich also verpflichtet, die Landeswährungswährung jederzeit zu einem festgelegten Wechselkurs gegen Euro anzukaufen oder diese zu verkaufen. Lettland nimmt (wie auch Estland und Litauen) am Wechselkursmechanismus EWR II teil. In diesem System sind zwar Schwankungen um den Paritätskurs um +/- 15% erlaubt, doch hält die lettischen Zentralbank den Lats in einer deutlich engerem Bandbreite von +/- 1%.

11. In Russland und der Ukraine haben die Zentralbanken Zielbänder für die Wechselkurse genannt, und diese Bänder wurden in den vergangenen Monaten abwechselnd angepasst und dann aber auch wieder durch Einsatz der Währungsreserven verteidigt. Bei den anderen sechs Ländern wird die Wechselkursfindung dem Markt überlassen.

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12. Die acht Währungen, die nicht mit einem festen Peg an den Euro gekoppelt sind, haben in den vergangenen Monaten unter dem weltweiten Anstieg der Risikoaversion gelitten. Als Emerging Markets (EM) werden all diese Staaten als riskantere Anlagewährung eingestuft als US-Dollar, Euro, Japanischer Yen oder Schweizer Franken. Sie werden jedoch nicht nur als riskant eingestuft, sondern sie werden gerade in Krisenzeiten als Gruppe wahrgenommen. So kann die Krise einer Währung auch den Vertrauensverlust in anderen Währungen nach sich ziehen. Dass auf Sicht der nächsten Monate für keine der zwölf untersuchten EMWährungen eine Krise ausgeschlossen werden kann, liegt vor allem an diesen möglichen Ansteckungseffekten.

13. Die größte Gefahr einer Währungskrise sehen wir in der Ukraine. Trotz des ausgehandelten IWFPakets und einer bereits erfolgten deutlichen Abwertung bleibt die Lage sehr angespannt. Zu den großen Problemen im Bankensektor und der Realwirtschaft kommen noch die innenpolitischen Schwierigkeiten hinzu. Die Gefahr, dass das ausgehandelte IWF-Abkommen an der fehlenden politischen Durchsetzbarkeit scheitert, ist hier besonders hoch.

14. Eine erhöhte Gefahr einer Währungskrise besteht auch in den drei baltischen Staaten und Bulgarien. Alle vier Staaten befinden sich bereits in einer Rezession oder stehen am Beginn einer solchen, und der feste Wechselkurs versperrt die Möglichkeit der Abwertung, um dieser Wirtschaftskrise entgegenzusteuern. Zudem hat sich gegenüber dem festen Wechselkurs ein Abwertungsrisiko aufgebaut. Eine schrittweise Abwertung erscheint nicht praktikabel, da die Glaubwürdigkeit der Zentralbank untergraben wäre. Aufgrund des hohen Anteils an Fremdwährungsschulden, hätte eine Abwertung vermutlich eine Schuldenkrise zur Folge, was den Währungsverfall wiederum beschleunigen würde. Als einzige Möglichkeit bliebe die Abwertung mit gleichzeitiger Bekanntgabe eines so umfangreichen IWF-Pakets, dass hierdurch neues Vertrauen geschaffen würde. Der Vorteil aller vier Staaten ist, dass sie relativ klein sind und ein Hilfspaket für den IWF problemlos zu schultern wäre.

15. Auslöser für eine Währungskrise könnte der Zusammenbruch einer wichtigen Bank sein. Die meisten größeren Banken befinden sich überwiegend in der Hand einer ausländischen Muttergesellschaft, und wir erwarten, dass die Töchter von diesen Unterstützung erhalten würden. Da derzeit eine große Verunsicherung über die Tragfähigkeit der europäischen Bankbilanzen herrscht, ist es jedoch ungewiss, ob alle Mutterinstitute zu einer solchen Unterstützung im Stande wären. Bleibt die Hilfe aus, wären die Staaten mit der Abwendung einer Bankenkrise vermutlich überfordert. Doch auch ohne eine Bankenkrise könnte die Furcht vor einer Abwertung zu einer Flucht aus der Heimatwährung führen. Dies würde eine Schrumpfung der Geldmenge und die Gefahr einer Deflation nach sich ziehen. Der Druck zur Aufgabe der Währungsbindung würde steigen.

16. Der Druck auf den Ungarischen Forint hält trotz des ausgehandelten IWF-Programms an. Aufgrund der bereits seit Jahren anhaltenden Wirtschaftsschwäche und politischen Probleme ist das Vertrauen von Unternehmen und Privaten gering. Der hohe Anteil an Fremdwährungsverbindlichkeiten sorgt dafür, dass die Abwertung den Schuldendienst erschwert. In Rumänien stellt sich die fundamentale Lage ebenfalls negativ dar. Durch den flexiblen Wechselkurs ist hier ein Teil des Abwertungsdrucks jedoch bereits abgebaut worden. Im Falle der Türkei hängt zurzeit viel am Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem IWF. Wir gehen davon aus, dass es zu einer Einigung kommt. Bei einem Scheitern würde die Türkische Lira stark unter Druck geraten. In Südafrika sind die politischen Risiken nach der Abspaltung früherer ANC-Mitglieder deutlich gestiegen, und der laufende Wahlkampf wird die Stimmung weiter anheizen. Der Südafrikanische Rand sollte vor diesem Hintergrund unter Druck bleiben.

17. In Russland wird das Vertrauensdefizit besonders deutlich. Trotz hoher Währungsreserven und eines vergleichsweise geringen Finanzierungsbedarfs haben Investoren und Privathaushalte Rubelanlagen veräußert. Da die Zentralbank nur eine schrittweise Abwertung zugelassen hat, mussten bereits in großem Umfang Währungsreserven eingesetzt werden, um den Zielkurs zu halten. Seit Ende Januar ist ein festes Kursziel von 41 RUB zum Basket (55% USD, 45% EUR) ausgegeben worden und damit ein Ende der schrittweisen Abwertung. Der Rubel hat sich diesem Zielwert zwar bereits angenähert, so dass die Zentralbank weiterhin intervenieren muss, aber wir gehen davon aus, dass sie den Wert in den kommenden Monaten halten wird, um ihre Glaubwürdigkeit nicht völlig zu verlieren. Zur Unterstützung des Wechselkurses wurden die Leitzinsen angehoben, um die Rubel-Liquidität einzuschränken und die Mittel für Spekulationen zu beschränken. Die Währungsreserven sind seit Anfang August um rund 210 Mrd. US-Dollar auf 386 Mrd. US-Dollar geschrumpft. Während der russische Staat in den letzten Jahren seine Auslandsverbindlichkeiten deutlich reduziert hat, haben sich russische Unternehmen stark im Ausland verschuldet. Eine Abwertung erschwert somit zumindest für die Unternehmen den Schuldendienst, die nicht im Exportsektor tätig sind. Die Rohstoffproduzenten leiden zusätzlich unter den gesunkenen Preisen für ihre Produkte.

18. Trotz hohen Finanzierungsbedarfs sehen wir die fundamentale Situation in Polen als stabiler an als in den zuvor genannten Ländern. Als größtes Risiko für die Währungsentwicklung bleibt somit die Gefahr eines Übergreifens der Währungskrise. Dies gilt noch mehr für die Tschechische Republik, die wir von allen untersuchten Ländern als fundamental in der besten Verfassung einstufen.

19. Die Wahrscheinlichkeit externer Unterstützung zur Vermeidung einer Krise stufen wir in allen untersuchten Staaten als hoch ein. In den acht EU-Mitgliedstaaten steht neben dem IWF auch die EU bereit, Kredite zu vergeben. Diese regionale Unterstützung ist aus unserer Sicht der wichtigste bonitätsrelevante Pluspunkt für die mitteleuropäischen Staaten in der gegenwärtigen Situation. Stehen EMEA-Staaten vor einem Staatsbankrott?

20. Die Finanzkrise und die damit einhergehende globale Rezession haben dramatische Folgen für die Staatshaushalte der EMEA-Region und haben zu Befürchtungen geführt, dass einzelne Staaten ihre öffentlichen Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können (Staatsbankrott). Belastungen erfolgen sowohl durch geringere Staatseinnahmen als auch durch zusätzliche Ausgaben. Insbesondere die Ausgabenseite kann große Risken bergen, wenn beispielsweise Banken gerettet werden müssen oder kurzfristig Konjunkturprogramme aufgelegt werden. Steigende Staatsdefizite sind vor dem Hintergrund der Verschuldungssituation und der jeweils vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten zu betrachten.

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21. Das schwache Wachstum hat in der gesamten Region zu einem Einbruch der Staatseinnahmen geführt. In Russland dürften die nominalen Staatseinnahmen in lokaler Währung gegenüber dem Vorjahr um mehr als 22 % besonders deutlich zurückgehen. Für die Ukraine und Lettland erwarten wir, dass die Einnahmen um mehr als ein Zehntel zurückgehen.

22. Neben der schlechten Wirtschaftsentwicklung leiden einige Staaten zusätzlich unter dem Rückgang der Rohstoffpreise. Von den hier betrachteten Ländern sind insbesondere Russland, die Ukraine und Südafrika betroffen. Hingegen profitieren Rohstoffimporteure wie die Türkei. Auch die Länder Mitteleuropas, Rumänien, Bulgarien oder die baltischen Länder können eine gewisse Entlastung verspüren, wenn die Preise für Rohstoffe auf einem niedrigen Niveau verharren.

23. Auf sinkende Staatseinnahmen mit Ausgabenkürzungen zu reagieren, könnte den wirtschaftlichen Abschwung beschleunigen und soziale Spannungen verschärfen. Um das Budgetdefizit unter Kontrolle zu halten, hat Polen dennoch diesen Weg gewählt. In der Ukraine, Lettland und Ungarn hat der IWF seine Hilfen an Beschränkungen der Defizite geknüpft. Insgesamt dürfte sich die Haushaltslage in den meisten Staaten verschlechtern – in den baltischen Staaten und Russland sogar sehr deutlich.

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24. Neben den planmäßigen Ausgaben kommen weitere potenzielle Belastungen auf die Budgets der Länder zu. Die öffentlichen Hände sind mit den bereits erwähnten Schwierigkeiten der Bankensysteme konfrontiert. In vielen Ländern der Eurozone, Großbritannien oder den USA haben die Regierungen die Bankensysteme bereits mit Milliardenprogrammen kapitalisiert. In Mittel- und Osteuropa ist ein Großteil der Banken in den Händen ausländischer Banken (vgl. Tabelle 2). So ist beispielsweise in Estland und in der Tschechischen Republik fast das gesamte Bankensystem im ausländischen Besitz. Für Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Litauen sind es mehr als vier Fünftel. Trotz der großen ausländischen Beteiligung und die Unterstützung ist nicht auszuschließen, dass die Regierungen einzelne Banken mit frischem Kapital unter die Arme greifen müssen, was zusätzliche Kosten für die Regierungen bedeuten würde. Bei den Ländern mit einer geringeren ausländischen Beteiligung, wie die Türkei (15 %) Südafrika (30 %), Russland (18 %) und die Ukraine (35 %), ist die Größe der Bankensysteme gemessen an der Höhe des privaten Kredites relativ zu den Ländern in Mitteleuropa, das Baltikum und den Balkan etwas geringer: Nichtsdestotrotz würde die Finanzierung von einer Bankenrettung diese Staaten in die Knie zwingen.

25. Für viele der Länder wären die Budgetdefizite oder die Kosten für einzelne Banken noch tragbar. Die öffentliche Verschuldung ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. So ist diese in Russland seit dem Jahr 2000 von 55 % des BIP auf lediglich 5,5 % des BIP im vergangenen Jahr. In der Türkei ging diese von 74 % des BIP im Jahr 2001 auf 37 % des BIP im Jahr 2008 zurück. Mit Ausnahme von Ungarn – bei rund 70 % des BIP – liegt die öffentliche Verschuldung in der Region auf einem relativ niedrigen Niveau, deutlich unterhalb der Maastricht Kriterien von einer öffentlichen Verschuldung in Höhe von 60 % des BIP. Allerdings spielt nicht nur die Höhe der öffentlichen Schulden für die Länder eine Rolle, weit wichtiger sind die Kosten für die Finanzierung, die Schuldenstruktur und insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten an den Kapitalmärkten.

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26. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die betrachteten Staaten in den letzten Jahren eine vergleichsweise verantwortungsvolle Haushaltspolitik verfolgt haben. Es ist nicht die übermäßige öffentliche Verschuldung, die die aktuelle Krise ausgelöst hat, vielmehr die starke Verschuldung der Haushalte, Banken und Unternehmen dieser Länder, die zu einer Zunahme der Risiken für die Region geführt haben. Es sind auch diese, die eine latente Belastung für die Bonität der staatlichen Emittenten darstellen. Die Gefahr, dass ein fehlender Zugang zu Finanzierung und Belastungen durch den Bankensektor die Zahlungsfähigkeit des Staates in Frage stellen, sehen wir insbesondere in der Ukraine.

Ausblick

27. Die Finanzkrise hat in den vergangenen Monaten stets die Pessimisten bestätigt, doch selbst deren düstere Prognosen wurden häufig noch übertroffen. Insofern fällt es schwer, für Volkswirtschaften, die sich jahrelang in unverantwortlicher Weise verschuldet haben und deren Zugang zu neuem Kapital stark eingeschränkt ist, optimistisch in die kommenden Monate zu blicken. Unser Ausblick fällt daher auch alles andere als rosig aus. Die Wirtschaft befindet sich in fast allen hier untersuchten Staaten in der Rezession, und im laufenden Jahr ist ein Aufschwung, der den Namen verdient, nicht in Sicht. Die globale Finanzkrise wird uns wohl noch über das ganze Jahr beschäftigen, und daher kann man weder eine nachhaltige Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten noch eine Erholung der Währungen erwartet werden. Wenn wir dennoch davon ausgehen, dass Währungs- oder gar Staatsfinanzkrisen vermieden werden können, liegt dies in erster Linie an der durchaus eigennützigen internationalen Hilfsbereitschaft. IWF und EU sind bereits eingesprungen und sollten dies weiter tun, wo es nötig ist. Von den in Not geratenen Staaten wird als Gegenleistung vor allem verlangt, einem wirtschaftspolitischen Mindestkonsens zu folgen, der sich nicht die ehrgeizigen und oft fehlgeleiteten IWF-Programme der Vergangenheit zum Vorbild nimmt, sondern deutlich bescheidener daherkommt. Wo selbst diese Bereitschaft in Zweifel gezogen werden muss, wie in der von politischen Ränkespielen zerrissenen Ukraine, muss man tatsächlich mit dem schlimmsten rechnen, auch wenn eine Krise noch abgewendet werden kann. Die anderen Staaten haben sich größtenteils im Prozess der EU-Annäherung über Jahre pragmatisch gezeigt, und diese Fähigkeit ist heute mehr gefragt denn je.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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