Kommentar
10:14 Uhr, 14.09.2006

Marktumfeld bietet stabile Ertragspotenziale

Dieser Kommentar enthält einen kurzen Überblick über die europäischen Aktienmärkte, die langfristigen Anlageperspektiven in der Region und die Faktoren, die in der nächsten Zukunft wahrscheinlich das Marktgeschehen bestimmen werden. Überdies skizziert er den Ansatz, den unsere Fondsmanager in den kommenden Monaten verfolgen werden, sowie die Art von Unternehmen, die vor allem als Investitionsobjekte in Frage kommen.

Zusammenfassung:

- Europa bietet eine Vielfalt qualitativ hochwertiger Titel mit globaler Ausrichtung.

- Solide Unternehmenslandschaft mit ausgewogenen solide Bilanzen und hohen Cashflows.

- Investoren sollten die zyklischeren Bereiche des Marktes mit einer gewissen Vorsicht betrachten und eher nach Unternehmen Ausschau halten, bei denen die Indikatoren auf langfristiges Wachstum hindeuten.

Unserer Überzeugung nach gibt es weiterhin gute Gründe, in europäische Aktien zu investieren. Einige der erfolgreichsten international tätigen Unternehmen aus den verschiedensten Branchen sind in Europa angesiedelt. Zahlreiche Qualitätsunternehmen mit Sitz in Europa bieten Kunden in der ganzen Welt aufgrund bestimmter technologischer Vorteile oder einzigartiger Kompetenzen ein breites Spektrum hochwertiger Produkte und Leistungen. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die über lange Zeit (in einigen Fällen über mehr als ein Jahrhundert) organisch gewachsen sind und heute zu den Key Playern auf verschiedenen Nischenmärkten zählen.

Fachwissen und Erfahrung dieser Unternehmen erschweren Newcomern den Markteintritt und sorgen so für hohe Preismacht und Kundenbindung. Diese Unternehmen zeichnen sich durch stetiges Gewinnwachstum aus, das sich im Laufe der Zeit in hohem Shareholder Value niederschlägt.

Unserer Auffassung nach werden europäische Aktien sich in der näheren Zukunft ausgesprochen günstig entwickeln. Die Unternehmenslandschaft ist gesund und zeichnet sich nach einer Periode der Umstrukturierung und Kostensenkungsprogramme wieder durch solide Bilanzen aus. Der „free cash flow yield“ bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau, d. h. die Unternehmen können aus dem operativen Geschäft in erheblichem Maße eigene Mittel erwirtschaften. Die lebhafte Fusions- und Übernahmetätigkeit hält an und sollte dem Markt positive Impulse liefern.

Aber trotz der gegenwärtig weitgehend positiven Ertragslage und überzeugender Rahmendaten hegen wir gewisse Vorbehalte, was die zyklischeren Bereiche des Marktes betrifft. Um das Potenzial der europäischen Aktienmärkte bis auf weiteres optimal zu nutzen, sollten Investoren sich daher vor allem auf Unternehmen konzentrieren, die langfristig solide Wachstumsmerkmale aufweisen.

Gerade in einer von extrem hoher Profitabilität geprägten Phase müssen Anleger Titel vermeiden, deren Wertentwicklung sozusagen zyklisch aufgebläht ist. Vor diesem Hintergrund sollte man unbedingt die Nachhaltigkeit der Ertragsentwicklung hinterfragen.

Aktuelle Situation

Im Zeitraum vom zweiten Quartal 2003 bis Mai 2006 fand auf den europäischen Aktienmärkten eine starke Rally statt: So erzielte der MSCI Europe Index in den drei Jahren bis zum 15. Mai 2006 eine Rendite von 78,4 Prozent, während der MSCI EMU Index, der Aktien aus der Eurozone enthält, im selben Zeitraum sogar um 85,7 Prozent zulegte. Diese Rally wurde in erster Linie durch die exportgestützte Erholung der Unternehmenserträge angetrieben, nachdem zu Beginn dieses Jahrzehnts noch Kostensenkung und Restrukturierung die bestimmenden Themen waren. Auch die regen Fusions- und Übernahmeaktivitäten steuerten positive Impulse zum Marktgeschehen bei. Hinzu kam eine starke Nachfrage nach dynamischeren Small- und Mid-Caps. So lag die Rendite des HSBC Smaller European Index über denselben Dreijahreszeitraum bei beachtlichen 140,8 Prozent (alle Renditeangaben in Euro).

Mitte Mai erlebten wir sowohl auf den europäischen als auch den globalen Aktienmärkten eine scharfe Korrektur. Grund waren eine Reihe von Faktoren, die sich einzeln sicherlich nicht wesentlich auf die Märkte ausgewirkt hätten, in Kombination aber zu einem starken Anstieg der allgemeinen Risikoscheu führten. Die wichtigsten Auslöser waren die gestiegenen Inflationsängste in den USA und – in geringerem Maße – in Europa. Damit rückte eine geldpolitische Drosselung zur Bekämpfung des Inflationsdrucks in greifbare Nähe – ungünstig für Aktien. Während die Fed bereits seit zwei Jahren eine restriktive Geldpolitik gefahren und die Europäische Zentralbank mit der Anhebung der Leitzinsen von 2 auf nunmehr 3 Prozent begonnen hatte, verstärkte der unerwartet hohe Inflationsdruck die Ungewissheit im Hinblick auf Zeitpunkt und Ausmaß künftiger Zinsentscheidungen der beiden Notenbanken. Dieses Umfeld fand seinen Ausdruck in einer vermehrten Risikoscheu, von der vor allem risikoreichere Assetklassen wie Small Caps und Rohstoffwerte betroffen waren.

Viele Investoren entschieden sich zur Mitnahme ihrer (zum Teil erheblichen) Gewinne, die seit Beginn der Rally Anfang 2003 in ihren Portfolios aufgelaufen waren. Der anschließende Kursrutsch im Mai und Juni betraf dann allerdings so gut wie alle Marktsegmente. Nach unserem Dafürhalten hatten sich die Unternehmensrahmendaten jedoch nicht wesentlich geändert. Unsere Fondsmanager nutzten daher die Kursschwäche, um bestehende Positionen auszubauen.

Unternehmenssektor bleibt gesund

Seit der Korrektur im Mai und Juni haben die Aktienmärkte ihr Gleichgewicht wieder gewonnen und auch das Anlegervertrauen hat sich weitgehend erholt. Negative Faktoren wie Inflations- und Zinsängste sowie seit kurzem auch geopolitische Sorgen (Naher Osten und Iran) wurden durch positive Unternehmensmeldungen zur Ertragslage und Indizien auf ein bevorstehendes Ende des aktuellen Zinsstraffungszyklus der Fed aufgewogen.

Auch die volkswirtschaftlichen Meldungen haben die allgemeine Zuversicht gestärkt. So konnten sowohl Deutschland als auch Frankreich in den letzten Wochen mit positiven Wirtschaftsdaten aufwarten. Während das BIP-Wachstum in den vergangenen Jahren vor allem auf eine exportinduzierte Erholung zurückzuführen war, deutet jetzt einiges auf eine „hausgemachte“ Erholung der Volkswirtschaften hin. In Deutschland kommt es derzeit zu einer allgemeinen Belebung der Bautätigkeit, während sich in Frankreich endlich ein Rückgang der Arbeitslosenzahl abzeichnet.

Einige der kleineren Länder Europas erfreuen sich weiterhin kräftiger Wachstumsraten: Im Jahresvergleich beträgt das BIP in Spanien und der Schweiz 3,5 Prozent, während Irland, Schweden und Norwegen sogar jährliche Wachstumsraten von über 5 Prozent verbuchen. Angesichts stetiger Wachstumsraten und steigender Inflation rechnet man zwar mit weiteren Zinserhöhungen durch die EZB, insgesamt bleibt es jedoch bei einer stimulierenden Geldpolitik.

Aber vor allem – und dies ist für uns als Fondsmanager, die bei der Titelselektion nach einem Bottom-up-Ansatz vorgehen, besonders wichtig – bleibt der Unternehmenssektor außerordentlich leistungsfähig. Im Anschluss an Umstrukturierung und Kostensenkungsprogramme zu Anfang des Jahrzehnts sind die Bilanzen jetzt wieder gesund. Die Unternehmen generieren zudem in erheblichem Maße eigene Mittel – der „free cash flow yield“ bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau. Wir schätzen das Ertragspotenzial der Unternehmen nach wie vor positiv ein. Wir glauben zwar nicht, dass die Erträge auf Dauer mit der gegenwärtig beobachteten Rate von über 20 Prozent jährlich wachsen können, rechnen aber mit einem kräftigen Wachstum in einer Größenordnung von 8 bis 10 Prozent jährlich. Insbesondere die stärker konjunkturabhängigen Titel, die besonders deutlich zugelegt haben, werden das gegenwärtige Tempo wohl nicht beibehalten können.

Die Fusions- und Übernahmetätigkeit spielt weiterhin eine wichtige Rolle für die Bewertungen; eine Reihe von Deals, ob tatsächlich oder kolportiert, erregen bereits das Interesse von Investoren. Zu den Ereignissen, die in den letzten ein, zwei Wochen Schlagzeilen machten, zählen auch die Fusion von Italiens zweit- und drittgrößter Bank (Bank Intesa und SanPaolo IMI), die laufenden Verhandlungen zur Fusion von Suez und Gaz de France sowie die Übernahme der russischen Geschäfts- und Retail-Bank Promsvyazbank durch die Commerzbank.

Bewertungen in weniger zyklischen Sektoren attraktiv

Zyklusbedingt sind die Unternehmensgewinne derzeit recht hoch; man kann also nicht behaupten, dass der Markt unterbewertet ist. Die Bewertungen sind zwar angemessen, aber der Markt ist keinesfalls preisgünstig. Vor dem Hintergrund niedriger Anleiherenditen und eines (noch) niedrigen Zinsniveaus bieten Aktien ganz klar das bessere Wertverhältnis. Man halte sich nur vor Augen, dass Aktien durchaus 4,5 Prozent abwerfen und dabei gleichzeitig noch Wertsteigerungschancen bieten. Wir stoßen immer noch auf Unternehmen mit überzeugenden Wachstumsaussichten und attraktiver Bewertung. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl von Titeln mit einem niedrigen KGV von 11.

Die Bewertungen von Large-Caps sind attraktiver als die von Small- und Mid-Caps. Da sich die Bewertungslücke zwischen Unternehmen mit geringer bzw. mittlerer und solchen mit hoher Marktkapitalisierung jetzt verringert, haben wir unsere Positionen bei Small- und Mid-Caps in letzter Zeit zurückgefahren. Unserer Einschätzung nach bieten die weniger zyklischen Sektoren das beste Wertpotenzial. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die in allen Phasen des Konjunkturzyklus Umsatz- und Gewinnwachstum aufrechterhalten können. Auf dem ganzen Markt gibt es attraktive Anlageziele. Das sind vor allem Unternehmen, die sich durch Ertragsstabilität auszeichnen.

Ein Beispiel für ein solches Unternehmen ist der Schweizer Pharmakonzern Novartis, der in mehreren unserer Portfolios vertreten ist. Novartis gliedert sich in drei Sparten: unter dem Markennamen Novartis vertriebene pharmazeutische Produkte, das Generika-Geschäft Sandoz (Verkauf von Arzneimitteln, bei denen es sich um Nachahmungen von Medikamenten handelt, deren Patentschutz abgelaufen ist) und Consumer Health/Selbstmedikation (Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Produkte, wie z. B. Vitamine). Attraktiv ist vor allem der hohe Diversifizierungsgrad der Ertragsströme des Unternehmens, der langfristig ein höheres Maß an Stabilität bietet. Vor allem die Generika-Sparte Sandoz stellt einen wirksamen Puffer gegenüber Absatzrückgängen bei Markenprodukten dar. Hier können infolge von Konkurrenzdruck stagnierende Absätze durch eine Steigerung der Generika-Absätze ausgeglichen werden.

Gegenwärtiges Umfeld bietet stabile Ertragspotenziale

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es auf die soliden Wachstumsmerkmale der Anlageobjekte ankommt, wenn Investoren das gegenwärtige Potenzial der europäischen Aktienmärkte erfolgreich nutzen wollen. Gerade in einer von extrem hoher Profitabilität geprägten Phase müssen Anleger Titel vermeiden, deren Wertentwicklung sozusagen zyklisch aufgebläht ist. Vor diesem Hintergrund sollte man unbedingt die Nachhaltigkeit der Ertragsentwicklung hinterfragen. Ertragsstabilität ist nach unserer Einschätzung im gegenwärtigen Umfeld das wichtigste Merkmal, das ein Unternehmen aufweisen muss, um als Anlageziel in Frage zu kommen.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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