Kommentar
08:44 Uhr, 16.02.2021

Mario Draghi, der Retter Italiens?

Anleger, Medien und Politiker sind geradezu euphorisch. Italiens neuer Premierminister, Mario Draghi, soll schaffen, was vor ihm noch keiner geschafft hat.

Seit Samstag hat Italien einen neuen Regierungschef. Unbekannt ist er nicht. Als EZB-Präsident war Draghi nach 2012 eigentlich jedem geläufig. Ihm wird die Rettung des Euros zugeschrieben. Das gelang ihm mit nur drei Worten: „Whatever it takes“ (Was immer auch notwendig ist).

2012 befand sich die Eurozone in einer sehr kritischen Lage. Die Schuldenkrise eskalierte. Griechenland brauchte bereits sein zweites Rettungspaket. Italien hatte sich gerade geweigert das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Berlusconi wollte nicht sparen und wurde von einer technokratischen Regierung abgelöst.

Zu dieser Zeit waren auch Irland und Portugal unter den Rettungsschirm geschlüpft, Zypern sollte bald folgen. Es schien als würde ein Dominostein nach dem nächsten fallen. Kein Wunder also, dass der Euro unter Druck war. Die Notenbank in Form Mario Draghis versicherte dem Markt dann, dass der Euro gerettet werden würde, was auch immer dafür notwendig sei. Das half. Das Thema war damit beendet.

Nun sind die Erwartungen an Draghi aufgrund dieser Leistung enorm hoch. Wer den Euro retten kann, wird doch wohl auch Italien retten können, denkt man sich. So einfach ist das nicht. Italien befindet sich seit 20 Jahren in einer Krise. Das reale Pro-Kopf-Einkommen ist heute tiefer als im Jahr 2000 (Grafik 1).

Spanien war wie Italien schwer von der Finanzkrise gebeutelt. Wie in Italien sank das Einkommen bis 2013. Mit Reformen kam das Wachstum zurück. Das Realeinkommen war vor Beginn der Coronakrise höher als vor Beginn der Finanzkrise. Italien hat das nie geschafft, weil bisher alle Regierungen an Reformen scheiterten.

Seit 2008 läuft die Wirtschaft permanent unter Potential. Das wird über das Output Gap gemessen. Es ist die Differenz zwischen dem möglichen und tatsächlichen BIP. Aktuell liegt diese Lücke bei 6 % (Grafik 2). Bei so hohen ungenutzten Kapazitäten kann Inflation kaum entstehen. Genau diese wäre notwendig, um die Schulden auf sanfte Weise abzubauen.


Die Herausforderungen für Italien sind enorm. Immerhin kann Draghi 200 Mrd. aus dem Pandemieprogramm der EU verteilen. Wegen Uneinigkeit darüber, wie man das Geld einsetzen soll, zerbrach die letzte Regierung. Nun soll Draghi es richten. Er hat breite Unterstützung, zumindest auf dem Papier.

Anleger feiern das. Italien zahlt derzeit so niedrige Zinsen für seine Anleihen wie noch nie. Im Vergleich zu Deutschland sind die Zinsen allerdings noch hoch. Der Spread zu deutschen Anleihen ist daher noch nicht auf Rekordtief (Grafik 3).


Man kann Draghi nur Glück wünschen. Das wird er brauchen. In den letzten 30 Jahren sind immer wieder Regierungen, auch technokratische Regierungen, angetreten, um zu reformieren. Bisher ist es nicht gelungen. Draghi hat im Gegensatz zu Berufspolitikern nichts zu verlieren, sein Ansehen ist hoch. Dank der Aura durch die Eurorettung stehen die Chancen für Unterstützung für Reformen besser als bei seinen Vorgängern.

Clemens Schmale

Lesen Sie auch: Auch Draghi wird bei der EZB keinen Schuldenerlass für Italien erreichen

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1 Kommentar

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  • vespa
    vespa

    Achtung Verschwörungstheorie:

    War ja klar, dass der von Goldman Sachs ausgebildete Mann dann in den Staat der EU eingesetzt wird, welcher die größten Probleme für den Euroraum und damit die Banken verursachen könnte...

    09:25 Uhr, 16.02.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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