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11:59 Uhr, 30.08.2016

Margin Call: Was Trader über böse Anrufe des Brokers wissen müssen

Was genau ist ein Margin Call und wie läuft er ab? Wann wird ein Margin Call ausgelöst und was passiert danach? Erfahren Sie, wie sich ein Margin Call vermeiden lässt.

Margin-Call-Was-Trader-über-böse-Anrufe-des-Brokers-wissen-müssen-Kommentar-Michael-Hinterleitner-GodmodeTrader.de-1Wer eine Suchmaschine mit dem Schlagwort „Margin Call“ bemüht, stößt schnell auf den gleichnamigen Film aus dem Jahr 2011. Unweigerlich drängen sich den Gedanken bei dem Begriff im Hollywood-Kontext dramatische Szenen auf, in denen stressige Anrufe Minuten vor Börsenschluss über Wohl und Wehe von wem auch immer entscheiden. In der Realität laufen Margin Calls sehr viel trister ab.

Definition und Ablauf eines Margin Calls

  • Margin Calls erfolgen per E-Mail, SMS etc. und fast nie als persönlicher Anruf
  • Ein Margin Call bedeutet nicht zwingend den persönlichen Bankrott
  • Margin Calls werden abgesetzt, wenn die Maintenance Margin unterschritten wird
  • Die Konsequenz beschränkt sich meistens auf die Schließung offener Positionen durch den Broker

Ein Margin Call ist eine Nachricht des Brokers an seinen Kunden: Dieser wird darin aufgefordert, umgehend zusätzliches Geld auf sein Handelskonto einzuzahlen.

Margin Calls werden in der Regel automatisch durch die Risikosysteme des Brokers abgesetzt und per E-Mail oder SMS abgesetzt.

Jedem Margin Call geht das Unterschreiten eines bestimmten Eigenkapitalanteils voraus: Der durch den Broker festgelegten Maintenance Margin oder einer Bezugsgröße dieser.

Die Maintenance Margin ist der Eigenkapitalanteil an einer Position, der zu deren (dauerhafter) Aufrechterhaltung notwendig ist.

Im Gegensatz dazu legen Broker mit der Initial Margin fest, welcher Eigenkapitalanteil zur Eröffnung einer Position notwendig ist.

EIN FALLBEISPIEL:

Ein Kunde eröffnet eine Position im Umfang von 1,0 Standard-Lots im EUR/USD (entspricht 100.000 €). Der Broker verlangt eine Initial Margin von 1.000 € (1,0 %) und legt für die Maintenance Margin einen Wert von 40 % der Initial Margin fest.

Der Kurs entwickelt sich gegen den Kunden und die Position verliert 60 %, so dass 600 € Eigenkapital verloren sind. In diesem Moment generiert die Software des Brokers eine automatische Nachricht an den Kunden und fordert diesen auf, eine weitere Einzahlung zu tätigen oder die Position zu schließen.

Exkurs: Broker legen mit Initial und Maintenance Margin zwei Sätze fest. Das hat einen einfachen Grund: Da sowohl Long- als auch Shortpositionen eröffnet werden, unterschreitet eine von zwei Parteien nach einer Kursbewegung automatisch die Initial Margin. Wäre diese gleichbedeutend mit der Maintenance Margin, müsste nach jedem Tick eine Partei halten.

Wann wird ein Margin Call ausgelöst und was passiert danach?

Broker sind keinesfalls verpflichtet, Kunden über eine drohende oder bestehende Unterdeckung ihres Kontos zu informieren. In ihren Geschäftsbedingungen räumen sich die Anbieter das Recht zur Schließung von Positionen für den Fall ein, dass die Marginanforderungen unterschritten werden.

Der folgende Screenshot zeigt den entsprechenden Abschnitt aus den AGB des Brokers FXCM.

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Screenshot FXCM

Wird die festgelegte Maintenance Margin unterschritten und das Konto nicht umgehend kapitalisiert, greift der Close Out Level des Brokers, der z. B. bei 75 % der Maintenance Margin angesetzt werden kann.

In diesem Fall schließt die Software automatisch offene Positionen. Die Schließung folgt in der Regel einer festgelegten Rangfolge, die z. B. vorsieht, dass Positionen absteigend nach Größe, gebundener Margin oder nicht realisiertem Verlust geschlossen werden.

Im Handel mit großer Hebelwirkung kann die Zeitspanne zwischen Margin Call und Close Out Level zu kurz sein, um Kapital einzuzahlen und die Schließung von Positionen zu verhindern. Das gilt in volatilen Märkten selbst dann, wenn Einzahlungen mittels Kreditkarte vorgenommen und sofort verbucht werden.

Margin Call und Nachschusspflicht

Ein Margin Call ist nicht gleichbedeutend mit einer Nachschusspflicht, unter der die meisten Trader negative Kontostände und Verluste über das eigene Guthaben hinaus verstehen.

Der Margin Call tritt früher und auch bei Brokern auf, die negative Kontostände rechtsverbindlich ausschließen.

Wird bei einem Broker ohne solchen Ausschluss gehandelt, kann ein Margin Call tatsächlich der Auftakt zu Schlimmerem sein.

Die Close Out Level eines Brokers sind keinesfalls gleichzusetzen mit einer Garantie. Bei Erreichen des Levels werden lediglich automatisierte Glattstellungsorders generiert. Zu welchem Kurs diese ausgeführt werden, ist offen – das bekannte Risiko im Zusammenhang mit Kurslücken besteht auch hier.

Nicht nur ungünstige Kursentwicklungen, sondern auch Änderungen an den Marginanforderungen können Margin Calls und Zwangsglattstellungen nach sich ziehen.

Erhöht ein Broker aufgrund steigender Volatilität oder aufgrund eines bevorstehenden Ereignisses (etwa das Brexit-Votum im Juni 2016) die Anforderungen, unterschreiten alle Konten mit maximal ausgeschöpfter Hebelwirkung automatisch die Marginsätze.

Margin Call vermeiden durch moderate Hebel und enge Stops

Margin Calls lassen sich durch den Verzicht auf überhöhte Finanzhebel und eng platzierte Stops vermeiden. Dazu ein Fallbeispiel ausgehend von dem Vorhaben, pro Position nicht mehr als 1 % des Guthabens zu investieren und maximal 0,50 % zu verlieren.

Bei einem Kontostand von 50.000 € kann unter diesen Vorgaben Eigenkapital in Höhe von 500 € pro Position eingesetzt werden. Mit 100-fachem Hebel lassen sich damit 50.000 € im Markt bewegen. Da allerdings nur 250 € verloren werden dürfen, muss das Stop Loss 0,50 % unterhalb des Einstandskurses platziert werden.

Ein Teil dieser Distanz wird durch die Spreads bereits neutralisiert. Ein solches Stop Loss dürfte in der Nähe von Maintenance Margin und Margin Call liegen. Bei einem Spread von 0,10 % reicht bereits ein Kursrückgang um 0,40 % aus, um diesen Bereich zu treffen.

Seriöser erscheint es, ein Stop Loss unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Risikobegrenzung deutlich oberhalb der „kritischen Zone“ mit Margin Call, Maintenance Margin und Close Out Level zu platzieren.

Statt 50.000 könnten lediglich 10.000 € Marktvolumen werden. Die Hebelwirkung verringert sich deutlich auf den Faktor 20. Die Marginanforderungen des Brokers bleiben jedoch konstant. Das Stop Loss wird 2,5 % unterhalb des Einstandskurses platziert und wird damit deutlich vor dem Unterschreiten der Maintenance Margin ausgelöst.

Generell sollten Trader ihre eigenen Stops über den Risiko-Levels des Brokers platzieren, so dass die Notfallsysteme der Handelsplattform im Regelfall nicht in den Verlauf von Positionen involviert sind.

Fazit

Der moderne Margin Call ist zunächst nichts weiter als die automatisch angedrohte Schließung offener Positionen aufgrund unterschrittener Marginanforderungen. Nur wer sofort handelt, kann die Schließung noch vermeiden. Im schlimmsten Fall schließen sich an den Margin Call Verluste mit Nachschusspflicht an – das hat mit der Benachrichtigung aber wenig zu tun. Wer Margin Calls vermeiden will, platziert eigene Stops deutlich vor der „roten Zone“ des Brokers und übertreibt es mit dem Finanzhebel nicht.

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Über den Experten

Michael Hinterleitner
Michael Hinterleitner

Michael Hinterleitner ist seit 2006 Redakteur und Trader bei GodmodeTrader.

Bereits 1998 der Faszination Börse erlegen, wurde Trading neben dem Studium der Wirtschaftswissenschaften zu seiner Hauptbeschäftigung. Sein Fokus: Aktien. Neben der täglichen spannenden Jagd an den Börsen kam 2011 die Idee zu einem neuen Brokervergleich, der nicht nur einen detaillierten Blick hinter die Kulissen erlaubt, sondern auch handfeste Vorteile für Mitglieder bringt.

Als Mitbegründer der Vergleichsplattform BrokerDeal.de hat sich Michael Hinterleitner zum Ziel gesetzt, Licht in den Brokerdschungel zu bringen. Er erklärt, worauf es bei der Brokerwahl ankommt, welche Anbieter für welche Bedürfnisse Sinn macht und auf welche Unterschiede man bei den Produkten und der Ausführungsqualität achten sollte.

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