Märchenhafte Gewinne?
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Trotz sich abkühlender Weltkonjunktur melden die Unternehmen weiter steigende Gewinne: Zu schön, um wahr zu sein? Welche realwirtschaftlichen Entwicklungen stehen hinter den anhaltend guten Bilanzdaten? Was ist für die zukünftige Entwicklung der Ertrags- und der Kostenseite zu erwarten?
2004: Ein unübertreffliches Jahr?
Die Weltwirtschaft expandierte laut IWF im letzten mit real gut 5 % so kräftig wie seit gut 20 Jahren nicht mehr. Mit der gesamtwirtschaftlichen Erholung ging eine Verbesserung der Bilanzdaten bei den meisten börsennotierten Unternehmen einher. Schaut man auf heutige Gewinnniveaus bei den im MSCIWorld enthaltenen Aktienunternehmen, sieht man die alten Höchststände der Jahre 2000/2001 bereits wieder überschritten. Auch wenn diese Beobachtung nicht über alle Branchen und Länder hinweg gilt, dürften Basiseffekte bei den Gewinnzuwächsen 2004 somit eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dennoch stiegen die durchschnittlichen Unternehmensgewinne der Aktiengesellschaften im letzten Jahr, gemessen an IBES Daten, durchschnittlich um gut 20 % an.
Im Jahr 2005 ist mit einer merklichen konjunkturellen Abkühlung nahezu überall auf der Welt zu rechnen. Finden damit auch die guten Jahre bei den Unternehmensgewinnen ihr Ende?
Richtig ist, dass die Unternehmensgewinne langfristig nicht stärker zunehmen können als das gesamte nominale Volkseinkommen eines Lands. Addiert man zum prognostizierten realen Wachstum des BIP eines Landes die Inflationsrate, sollte man also eine gute Schätzung für die langfristig zu erwartende Zunahme der Unternehmensüberschüsse erhalten. Aber auch hier gilt der häufig zitierte Ausspruch des Ökonomen John Maynard Keynes, „In the long run, we are all dead“. Zu deutsch: Langfristige theoretische Zusammenhänge können in der Praxis von vorübergehenden Effekte über Jahre hinweg überlagert werden. Stellt sich die Frage, welche Faktoren für das überdurchschnittliche Gewinnwachstum im Jahr 2004 verantwortlich waren, und welche Aspekte zukünftig wichtig sind.
Drei Regionen im Vergleich
Um die Analyse überschaubar zu halten, ist es sinnvoll, sich auf die drei wichtigsten Wirtschaftsregionen Europa, Japan und die USA zu beschränken. Hinsichtlich des aktuellen Börsenwertes wären damit knapp 90 % der „Aktienwelt“ abgedeckt. Welche Aspekte zeichnen die Regionen im Einzelnen aus?
USA: Wirtschaftswunderland
- In den vergangenen vier Jahren gelang es den US-Unternehmen, ihre Umsätze kräftig zu steigern. Zuwachsraten von über 10 % waren 2004 die Regel. Auch wenn sich die Wachstumsdynamik zuletzt wieder etwas abschwächte, bleibt das Umsatzwachstum hoch.
- Die günstige Umsatzentwicklung spiegelt sich auch im durchschnittlichen Cash-Flow wider, ein Indiz für eine substanzielle Verbesserung der Ertragslage. Zunehmende Liquiditätspolster mindern die Abhängigkeit von Fremdfinanzierungen, da Investitionen aus der eigenen „Kasse“ bezahlt, bzw. bereits bestehende Verbindlichkeiten getilgt werden können.
- Ein niedriges Zinsniveau und eine günstige Liquiditätslage mildern die Zinslast und stützen die Investitionsneigung der US-Unternehmen.
- Neben der Investitionsgüternachfrage nahm die Nachfrage nach Konsumgütern bis zuletzt kräftig zu. Hintergrund ist eine moderat positive Entwicklung am Arbeitsmarkt.
- Obwohl die Job-Maschine in den USA seit Mitte 2002 wieder auf Hochtouren läuft und die Anzahl der beschäftigten Personen vor allem im Dienstleistungsbereich kräftigt wächst, stieg die Arbeitsproduktivität (wirtschaftliche Leistung pro Arbeitnehmer) in den USA bis zuletzt an. Anfang 2005 lag die reale Wertschöpfung je Arbeitnehmer in den USA gut 12 % über der zu Beginn dieses jungen Jahrtausends.
- Die Lohnzuwächse lagen im Durchschnitt unterhalb des Produktivitätszuwachses. Die je produzierter Einheit gezahlten Nominallöhne (Lohnstückkosten) stiegen seit Mitte 2002 um insgesamt knapp 4 % an. In den letzten Quartalen beschleunigte sich der Anstieg, dennoch ist nicht davon auszugehen, dass Arbeitskosten 2005 zu einem zentralen Problem der USWirtschaft werden.
Fazit: Das Gewinnwachstum in den USA ist vor allem getrieben durch eine robuste Binnennachfrage und sinkende Finanzierungskosten. Trotz mittlerweile wieder steigender Lohnstückkosten helfen in der Vergangenheit erfolgte Restrukturierungen und die nach wie vor niedrige Kapazitätsauslastung, steigende Umsätze in überproportional zunehmende Gewinne zu verwandeln.
Die Gewinnmargen der Unternehmen dürften sich in diesem Jahr insgesamt einengen; bei einem Wachstum der Binnennachfrage von rund 4 % und einer Inflationsrate von rund 3 % erscheinen gesamtwirtschaftliche Gewinnzuwächse im hohen einstelligen Bereich jedoch weiterhin möglich. In den kommenden Jahren ist zwar mit einer weiteren Verlangsamung der Gewinnzunahmen zu rechnen, derzeit spricht jedoch wenig für einen tatsächlichen Rückgang der Unternehmensgewinne.
Europa – Region der Unterschiede
- Im Gegensatz zu den USA hatte der Euro- Währungsraum in der zweiten Jahreshälfte 2004 eine sich merklich abkühlende Binnenkonjunktur zu verkraften. Das BIP dürfte im laufenden Jahr nicht einmal halb so stark wachsen wie jenseits des Atlantiks. Diese Entwicklung spiegelt sich teilweise auch in der schwächeren Umsatzentwicklung wider.
- Die einzelnen Länder des Euro-Währungsraumes entwickelten sich mit deutlich unterschiedlichen Wachstumsraten. Unterschiede bei der Inlandsnachfrage konnten jedoch zum Teil durch steigende Absatzzahlen vor allem im europäischen Ausland kompensiert werden. Beispielsweise zog die Industrieproduktion in Deutschland merklich an, obwohl die Bundesrepublik beim binnenwirtschaftlichen Wachstum das Schlusslicht im Euro-Währungsraum ist.
- Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität innerhalb der Europäischen Währungsunion (EWU) enttäuschte im internationalen Vergleich. Allerdings entwickelten sich die Löhne und Gehälter auch entsprechend zurückhaltend, sodass sich der Anstieg der Lohnstückkosten zuletzt merklich verlangsamte. Einige Länder profitierten trotz niedriger Produktivitätszuwächse von einer insgesamt günstigen Entwicklung der Lohnkosten.
- In Großbritannien wird bei der Lohnentwicklung die fortgeschrittene Positionierung im Konjunkturzyklus offenbar. Die Zuwächse bei den Nominallöhnen waren zuletzt deutlich höher als in anderen Regionen, sodass die Lohnstückkosten, trotz überdurchschnittlicher Produktivitätszunahmen, kräftig anstiegen.
- Auch im laufenden Jahr dürfte die Kostenseite der treibende Faktor bei der Gewinnentwicklung in Europa bleiben. Hilfreich ist hier, dass Restrukturierungen oft erst mit Zeitverzögerung voll auf der Kostenseite durchschlagen.
Fazit: Ungeachtet einer deutlich schwächeren gesamtwirtschaftlichen Wachstumsdynamik dürfte sich 2005 auch diesseits des Atlantiks das Wachstum der Unternehmensgewinne fortsetzen. Anders als in den USA spielen hier weniger steigende Umsätze sondern vor allem sinkende Lohnstückkosten eine Rolle. Großbritannien dürfte hier die Ausnahme bilden, was die Gewinnaussichten auf der Insel dämpft.
Japan – Ende einer langen Krise?
Der asiatische Wirtschaftsriese hat seit rund sieben Jahren mit Preisrückgängen zu kämpfen, was soviel heißt, dass die nominale (zu heutigen Preisen gemessene) Wirtschaftsleistung 2004 rund 3 % unter der 1997 erwirtschafteten lag, obwohl das reale BIP in den letzten sieben Jahren um rund 6 % gewachsen ist. Die japanischen Konsumenten zahlen Jahr für Jahr weniger für Einkäufe – kein leichtes Umfeld für Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund ist die Gewinnentwicklung besonders überraschend. Nach jahrelanger Seitwärtsbewegung gelang es den japanischen Aktiengesellschaften im Jahr 2004, ihre Gewinnsituation merklich zu verbessern. Folgende Punkte standen hier im Mittelpunkt:
- Eine wieder anziehende Nachfrage aus dem Ausland – vor allem die asiatischen Nachbarn gewannen weiter an Bedeutung – ermöglichte eine beschleunigte Umsatzsteigerung.
- Auch bei den japanischen Unternehmen stiegen die Gewinne aufgrund einer Margenausweitung überproportional zu den Umsätzen. Den wichtigsten Beitrag lieferte in diesem Zusammenhang die im internationalen Vergleich besonders günstige Lohnentwicklung.
- Produktionsauslagerungen ins Ausland halfen japanischen Unternehmen die Kostenbasis zu verringern.
- Darüber hinaus spielten gesunkene Kosten für den Schuldendienst vor allem auch in Japan eine zentrale Rolle.
Die genannten Faktoren dürften auch 2005 im Mittelpunkt der Gewinnentwicklung stehen. Ein mögliches Verlassen der Deflationsspirale zum Ende diesen Jahres könnte der günstigen Gewinnentwicklung zusätzlichen Auftrieb geben.
Am Beispiel Japans zeigt sich, dass nicht nur Aktienbesitzer von steigenden Gewinnen profitieren. Eine Erholung der Bilanzüberschüsse begünstigt auch die Investitionstätigkeit und führt am Ende zu höherer Beschäftigung – ein Effekt, der sich bereits in den japanischen Arbeitsmarktstatistiken niederschlägt. Darüber hinaus fördern bessere Bilanzdaten die voranschreitende Gesundung des Bankensystems.
Kostenfalle Öl?
Neben der nationalen Konjunkturentwicklung spielen für die Unternehmen einige länderübergreifende Faktoren eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren fielen hier vor allem die gestiegenen Rohölpreise negativ auf. Welche Rolle spielen steigende Energiekosten für die Entwicklung der Unternehmensgewinne?
- Der Ölpreisanstieg der letzten zwei Jahre (immerhin insgesamt rund 250 % in drei Jahren) spiegelt sich auch in den Produktionskosten wider.
- Klar wird hier, dass sich höhere Ölpreise nicht eins zu eins auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen übertragen lassen. Die Energiepreise reagierten in Europa zeitverzögert und der Preisanstieg wurde durch eine Reihe von Sonderfaktoren gedämpft: Zum einen milderte der im Verhältnis zum US$ starke Außenwert des Euro den Energiepreisanstieg, zum anderen halfen Liberalisierungen der Energiemärkte den Unternehmen, dem höheren Ölpreis gegenzusteuern.
- Berechnungen des IWF zeigen, dass die Abhängigkeit der Weltkonjunktur vom Öl in den letzten Jahren abgenommen hat. Vor allem durch die gestiegene Bedeutung des Dienstleistungssektors wird in den USA und Japan heute lediglich halb so viel Öl zur gesamtwirtschaftlichen Produktion (gemessen am BIP) benötigt wie in den siebziger Jahren. Im Euroraum war der Rückgang der sogenannten Ölintensität etwas weniger ausgeprägt, allerdings war hier die Bedeutung des Öls für den Produktionsprozess schon früher relativ niedrig.
- Die sich abschwächende Weltkonjunktur wirkt sich negativ auf die Preissetzungsmacht der Unternehmen aus. Höhere Inputkosten können nur teilweise auf die Abnehmer abgewälzt werden, was vor allem in Europa und Japan zu einem Margenrückgang führt.
Fazit: Höhere Energiepreise führten in den letzten Monaten tendenziell zu einer Einengung der Gewinnmargen. Allerdings gilt, dass Energiepreise nur einen Teil der Kosten der Unternehmensbilanzen ausmachen. Die höhere gesamtwirtschaftliche Öleffizienz deutet darauf hin, dass der Anteil von Energie an den Gesamtkosten gesunken ist.
Quelle: dit
Der dit (Deutscher Investment Trust) verfügt über mehr als 45 Jahre Fondsmanagement-Erfahrung in Deutschland und ist Teil einer der größten Vermögensverwalter der Welt – der Allianz Dresdner Asset Management. Die Gesellschaft verwaltet derzeit in über 700 Wertpapier- und Geldmarktfonds ein Anlagevolumen von über 125 Mrd. Euro.
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