Lindner: Müssen in Finanzpolitik umsteuern und mehr für Sicherheit tun
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Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner hält in der Finanzpolitik ein Umsteuern für nötig, da mit der Zeitenwende mehr Geld in die Verteidigung Deutschlands gesteckt werden müsse. Dabei seien erhebliche Anstrengungen nötig, um die von den Nato-Staaten vereinbarten Verteidigungsausgaben in Höhe von 2 Prozent der Wirtschaftsleistung auch nach dem Auslaufen des Sondervermögens zur Finanzierung der Bundeswehr ab 2028 zu erreichen, wie er in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt.
Er warnte zudem die EU-Kommission vor der Einführung einer sozialen Taxonomie, mit der die Sozialverträglichkeit von Investitionen bewertet und diese entsprechend gelenkt werden sollen. Diese dürfe nicht die Verteidigungsindustrie belasten, mahnte Lindner.
Mit der vor zwei Jahren begonnenen Zeitenwende der deutschen Sicherheitspolitik sei ein Einschnitt in der Finanzpolitik verbunden.
"Die 'Friedensdividende' der Vergangenheit wurde genutzt, um insbesondere den Wohlfahrtsstaat auszubauen. Nunmehr stehen wir am Beginn der Epoche der 'Freiheitsinvestition', weshalb ein Umsteuern nötig ist", schreibt Lindner. "Um nach dem Ende des Sonderprogramms für die Bundeswehr, das im Grundgesetz abgesichert wurde, die Befähigungen zur Landes- und Bündnisverteidigung mit 2 Prozent unserer jährlichen Wirtschaftsleistung abzusichern, wird ab spätestens 2028 eine erhebliche Finanzierungsanstrengung nötig sein."
Linder betonte, dass zum Erreichen dieses Zieles erstens die deutsche Wirtschaft wieder auf den Erfolgspfad geführt werden müsse, weil dann der Aufwuchs aus "Wachstumsdividenden" erfolgen könne. Zweitens mahnte er zur Vorsicht bei neuen strukturellen, dauerhaften Ausgabenverpflichtungen. "Eine für unser Land ungewohnte Zurückhaltung bei neuen Aufgaben, Ausgaben, Subventionen und Verteilungsideen ist unvermeidlich, wenn wir realistisch an die fiskalischen Möglichkeiten unseres Staates und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gehen", so Lindner.
EU-Pläne für soziale Taxonomie kontraproduktiv
Nach Ansicht des FDP-Chefs sind die Pläne der EU-Kommission für eine soziale Taxonomie, mit der sie die Sozialverträglichkeit von Investitionen bewerten und diese entsprechend lenken möchte, "kontraproduktiv".
"Die Finanzierung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie darf nicht erschwert werden. Es darf nicht dazu kommen, dass Rüstungsunternehmen unter Verweis auf die soziale Taxonomie die notwendigen Kredite verwehrt würden", mahnte Lindner.
Um das Finanzierungsdefizit zu beseitigen, sollte sich ergänzend zudem die Europäische Investitionsbank im Defense-Bereich engagieren, so der Minister. "Jenseits der Bereitstellung von Kapital hätte dies eine kommunikative Wirkung auf private Akteure", schreibt Lindner.
Europäer müssen in der Nato mehr Verantwortung übernehmen
Mit Blick auf die Nato betonte er, dass Grundlage für die hiesige Sicherheit das Bündnis mit den USA sei und bleibe, egal wer nach der nächsten Wahl oder in weiterer Zukunft im Weißen Haus regieren werde. Aber Europa müsse mehr Verantwortung übernehmen.
"Deutsche und europäische Diplomatie müssen deshalb weiter (und mehr) in das transatlantische Verhältnis investieren. Unsere Attraktivität als Partner und Verbündeter sollten wir dabei auf Leistung gründen", so Lindner. Jene Stimmen in den USA, die eine gerechtere transatlantische Lastenteilung forderten - immerhin bestritten die USA rund 70 Prozent der gesamten Verteidigungsausgaben der 31 Nato-Mitglieder - hätten schließlich gute Argumente.
Es sei Zeit, dass die europäischen Mitglieder der Nato "stärker Verantwortung" für die Bündnisverteidigung übernähmen, um die USA zu entlasten, die auch an anderen Stellen der Welt gefordert sind. Außerdem müsse die EU mit ihren 450 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von 15,8 Billionen Euro selbst zu einem eigenständigen Anbieter von Sicherheit werden, um die unverzichtbare Rolle der Nato zu ergänzen.
"Konkret bedeutet ein sicherheitspolitischer Aufbruch der EU zum Beispiel, die europäische Rüstungsproduktion schnell und wirksam zu mobilisieren", so Lindner. Europa müsse zudem an der nuklearen Abschreckung festhalten, solange es Nuklearwaffen auf der Welt gibt. Man dürfe nicht schutzlos der Erpressung autoritärer Staaten ausgeliefert sein.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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