Analyse
17:44 Uhr, 13.04.2009

Liegen die Volkswirte vielleicht (wieder) schief?

Externe Quelle: Hypovereinsbank UniCredit

Die Aktienmärkte tendieren nun schon über einen Monat lang klar nach oben und "trotzen" damit der außerordentlich düsteren Stimmung unter den Volkswirten, was die weltwirtschaftlichen Aussichten anbelangt. Es dürfte sich primär aber um eine Bärenmarktrally handeln, die durch die Schließung von Short-Positionen getrieben ist. Meines Erachtens werden noch mehrere Monate verstreichen, bevor sich das Anlegervertrauen wirklich dauerhaft bessert.

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In den kommenden Monaten wird das Anlegervertrauen sicherlich noch vor erhebliche Herausforderungen gestellt: Selbst Optimisten erwarten nämlich noch einen markanten Anstieg der Zahlungsausfälle von Unternehmen sowie der Arbeitslosenquote. Zwar sollte der Inflationsrückgang die Verbraucher etwas entlasten. Doch dies vermag die Arbeitsplatzunsicherheit sowie die anhaltenden Verwerfungen an den Finanzmärkten nicht wettzumachen. Vor diesem Hintergrund sind die künftig wohl gemischter ausfallenden Konjunkturdaten kaum mehr als eine statistische Korrektur nach der vorangegangenen Talfahrt. Mit anderen Worten, die Talsohle dürfte eher mit einem dumpfen Aufschlag als mit einem kurzen (federnden) Aufprall erreicht werden. Dass die wirtschaftspolitischen Maßnahmen greifen, bleibt dabei mehr ein Ausdruck von Hoffnung als rationaler Erwartungen.

Die jüngste Aktienmarktrally sendet meines Erachtens aber ein wichtiges Signal aus, das man nicht einfach zurückweisen sollte. Sie signalisiert, dass die Wachstumsaussichten ungewiss sind. Zudem scheint die überaus schlechte Konjunkturentwicklung für die nächsten sechs bis neun Monate bereits eingepreist zu sein. Jenseits dieses Zeithorizonts sind die konjunkturellen Risiken viel ausgeglichener. Was aber heißt das? Ich gehe einerseits davon aus, dass das Jahr 2010 schwieriger werden könnte als wir es derzeit erwarten, falls die derzeitigen Bemühungen, die Transparenz im und das Vertrauen in den Finanzsektor wiederherzustellen, fehlschlagen. Andererseits dürfte das Marktvertrauen relativ schnell zurückkehren, falls sich diese Bemühungen auch nur teilweise als erfolgreich erweisen. Das wiederum würde die geldpolitischen und konjunkturellen Impulse, die bereits in der Pipeline sind, noch verstärken.

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Wir Volkswirte haben die Geschwindigkeit und das brutale Ausmaß der derzeitigen Rezession nicht vorhergesehen. Wir blieben praktisch die ganzen beiden letzten Quartale hinter der Kurve zurück und versuchten jeden Monat fast schon verzweifelt, unsere Prognosen anzupassen. Die verheerenden Auswirkungen des Zusammenbruchs von Lehman und das beispiellose Ausmaß der Finanzkrise relativieren zwar das Urteil. Doch insgesamt haben die Prognostiker versagt. Und es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Ökonomen noch einmal hinter der Kurve zurückbleiben und den Zeitpunkt sowie die Stärke der Konjunkturerholung unterschätzen, sobald die Trendwende einsetzt. Der regelrechte Kollaps nahezu aller Konjunkturindikatoren in den vergangenen sechs Monaten hat nahezu alle Ökonomen überrascht und geschockt. Wenn man sich von der überaus zerstörerischen Kraft der Krise überwältigen lässt, wird es aber praktisch unmöglich, eine überzeugende Erholung vorauszusagen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es zum jetzigen Zeitpunkt albern klingen mag, von einer schnelleren und lebhafteren Erholung zu sprechen. Die Prognosen und Analysen unseres Hauses basieren sicherlich nicht auf (irrationaler) Euphorie. Vielleicht klingt es aber nicht mehr ganz so albern, wenn wir die Frage folgendermaßen formulieren: „Irren sich die Ökonomen möglicherweise wieder?“

Fazit: Auf kurze Sicht ist noch mit einem Anstieg der Risikoaversion zu rechnen, wie die jüngste Erholung des JPY gegenüber dem EUR zeigt. Bereiten Sie sich auch auf eine Reihe schlechter Wirtschaftszahlen vor, insbesondere einen Anstieg der Zahlungsausfälle von Unternehmen sowie der Arbeitslosenquote. Bleiben Sie jedoch auch offen gegenüber der Option, dass sich tatsächlich bis zum Jahresende eine Erholung abzeichnen könnte, die zuerst in den USA und in Asien einsetzt und dann schließlich auch Europa erfasst.

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