Kommentar
13:32 Uhr, 20.01.2016

Lehren aus 50 Jahren DAX

  • Soll man in der gegenwärtigen Unsicherheitsphase Aktien verkaufen oder die Portefeuilles nach unten absichern?
  • In den letzten 35 Jahren ist der DAX auch unter Einrechnung aller Kursrückgänge im Schnitt um knapp 9 % jährlich gestiegen.
  • Aktives Kaufen und Verkaufen von Aktien im Zyklus verringert das Risiko der Anleger, erhöht aber in den seltensten Fällen die Gesamt-Performance.

Der katastrophale Start der Aktienmärkte in diesem Jahr
hat die Anleger nicht nur viel Geld gekostet. Er hat sie auch grundlegend verunsichert. Ist das nur eine von den üblichen Dellen, die es immer wieder gibt? Oder ist es das Ende des siebenjährigen Bullenmarktes? Muss man die Schmerzen aushalten und warten bis es besser wird oder soll man die Aktien trotz mancher aufgelaufenen Verluste verkaufen?

Die fundamentale Betrachtung ist hier nicht sehr hilfreich. Es gibt Argumente in die eine wie in die andere Richtung. Auf der einen Seite stehen die Gefahr einer Weltrezession, die Terroranschläge und geopolitischen Spannungen rund um den Globus sowie die bereits erreichten hohen Bewer­tungen an den Märkten. Der legendäre amerikanische In­vestor George Soros erklärte in den letzten Tagen, dass ihn die Situation an die Finanzkrise von 2008 erinnere.

Auf der anderen Seite ist die Konjunktur vor allem in Euro­-
pa gut. Das Wachstum wird sich in diesem Jahr vermutlich noch erhöhen. Die Geldpolitik ist nach wie vor extrem ex­pansiv. Es gibt zudem viel Geld, das nach Anlage sucht. Mit Aktien kann man eine Dividendenrendite erzielen, die deut­lich über den Zinsen am Kapitalmarkt liegt.

»Aktives Verkaufen oder Kaufen von Papieren bei Hochs oder Tiefs erhöht die Sicherheit der Investments. Es hilft aber nur in den seltensten Fällen die Gesamt-Performance zu verbessern.«

Was soll man bei einem solchen argumentativen Patt tun? Wie bei vielen anderen Fragen habe ich mir dazu einmal die ganz langfristige Entwicklung der Aktienkurse angesehen. Dabei zeigt sich, dass das übliche Bild, das viele vom Ak­tienmarkt haben, nicht korrekt ist.

Die meisten Anleger denken in Zyklen. Sie gehen davon aus, dass sich die Aktienkurse im Zeitablauf immer ein paar Jahre nach oben bewegen, dass sie dann aber wieder fallen und erst danach wieder steigen. In Deutschland waren die letzten Höhepunkte im Jahr 2000 am Ende des New Econo­my Hype, dann 2007 vor der großen Finanzkrise und dann im April 2015, als der DAX knapp 12.400 erreichte. Danach kamen jeweils Bärenmärkte, bei denen die Kurse um 68 % beziehungsweise um 51 % zurückgingen. Solche Verluste will natürlich keiner noch einmal erleben.

Ein solches Denken in Zyklen entspricht aber nicht bezie­hungsweise nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen. Schauen Sie sich die Grafik an. Sie zeigt die Entwicklung des DAX in den letzten 46 Jahren (weiter geht die Reihe lei­der nicht zurück). Ich habe dabei den logarithmischen Maß­stab gewählt, um die jeweiligen Auf's und Ab's besser ver­gleichbar zu machen.

Hoch, höher, am höchsten?
DAX, log. Maßstab

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Quelle: Bundesbank

Man kann hier zwei Phasen unterscheiden. Die eine geht von 1959 bis 1980. In dieser Zeit standen in der Tat die Schwankungen im Mittelpunkt. Es gab jeweils Auf's und Ab's in der Größenordnung von plus/minus 30 % bis 40 %. Der langfristige Trend zeigte nur leicht nach oben. Über den ganzen Zeitraum erhöhte sich der DAX um weniger als 1 % pro Jahr. Für den Investor war die Aktienanlage generell nicht interessant. Nur wer gut Traden konnte, also zum rich­tigen Zeitpunkt kaufen und dann auch wieder zum richtigen Zeitpunkt verkaufen, konnte an der Börse Geld verdienen. Aus dieser Zeit stammt das negative Image, das die Aktien­anlage in Deutschland immer noch hat.

Die zweite Phase geht von 1980 bis heute. Hier ist alles ganz anders. Seitdem überwiegen nicht mehr die Schwan­kungen, obwohl sie zeitweise größer als früher waren. Im Mittelpunkt steht der Aufwärtstrend. Er geht sehr viel stärker als früher nach oben. Über den gesamten Zeitraum von 35 Jahren erhöhten sich die Kurse von einem Indexstand von 490 auf jetzt über 9.500. Das entspricht einer jährlichen Zu­wachsrate von knapp 9 % p. a. Das ist erstaunlich viel. Da sind die Einbrüche nach den Jahren 2000 und 2007 einge­rechnet. Ohne sie wären es noch mehr.

Historisch und international ist diese Phase kein Ausreißer. Sie entspricht vielmehr weitgehend dem Muster, was wir in den USA in den letzten 100 Jahren erlebt haben.

Ist Traden in einem solchen Modell noch sinnvoll? Theore­tisch kann man die Gesamt-Performance auch dann noch erhöhen, wenn man Aktien auf temporären Höhepunkten verkauft (oder absichert) und sie bei Erreichen der Tiefpunk­te wieder kauft (beziehungsweise die Absicherung auflöst). Praktisch ist dies jedoch sehr schwierig. Denn an der Börse wird nicht geklingelt, wenn die jeweiligen Höhe- oder Tief­punkte erreicht werden. Man wird den richtigen Zeitpunkt also nie genau erreichen. Zudem kostet die vorübergehen­de Absicherung Geld und geht damit auf Kosten der Ge­samt-Performance.

Traden dient in diesem Umfeld im Wesentlichen dem Si­cherheitsbedürfnis des Anlegers. Je weniger Schwankun­gen es gibt, umso weniger muss er befürchten, dass erziel­­-
te Kursgewinne verloren gehen. Die Gesamt-Perfor­mance wird nur dann nennenswert erhöht, wenn es gelingt, die ganz großen Schwankungen auszuschalten.

Für den Anleger

Langfristige Aktienanlagen sind in einem Marktumfeld, wie wir es derzeit haben, auch ohne aktives Traden attraktiv. Aktives Verkaufen oder Kaufen von Papieren bei Hochs oder Tiefs erhöht die Sicherheit der Investments. Es hilft aber nur in den seltensten Fällen, die Gesamt-Performance zu verbessern. Es macht auch nur bei größeren Schwan­kungen Sinn. Wer heute den Beginn eines längerfristigen Bärenmarktes mit Kursrückgängen von 50 % und mehr er­wartet wie in den Jahren 2000 oder 2007, sollte in der Tat daran denken, sein Portfolio abzusichern. Wer aber nur mit geringeren Schwankungen rechnet (was eher meine Erwar­tung ist), kann, muss aber jetzt nicht unbedingt aktiv wer­den.

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