Kommentar
02:00 Uhr, 06.11.2008

Leerverkauf ... Keck verhökern diese Knaben, Dinge, die sie gar nicht haben ...

Seit Wochen kursiert in der Heavytraderszene ein Gedicht, dass fälscherlicherweise Kurt Tucholsky zugeordnet wird. Die Stuttgarter Zeitung hat sich des Themas angenommen und recherchiert. Autor des Gedichts sei Richard G. Kerschhofer, der es unter dem Pseudonym "Pannonicus" auf der Internetseite der "Gesellschaft für freiheitliches Denken" veröffentlicht habe.

Ich hatte das Gedicht vor einigen Wochen in der US Trackbox veröffentlicht. Einigen Leserinnen und Lesern hatte das Gedicht sehr gefallen, sie konnten den Link dazu aber nicht mehr finden. Deshalb das Gedicht nochmals anbei, obwohl mir die angeblich negative Bedeutung der Leerverkäufer etwas sehr überzeichnet scheint. Die Aktienkurse der Bankentitel verzeichneten bekanntermaßen trotz Leerverkaufsverbote weitergehende drastische Kursverluste. Das Beispiel der Volkswagenaktie in den vergangenen Wochen zeigt darüberhinaus eindrucksvoll, dass Leerverkäufe mit erheblichen Risiken verbunden sein können. Es ist ein Trugschluß zu glauben, dass Shortseller sich dumm und dormelig verdienen.

Interessant an dem Gedicht ist sicherlich das Ende. "Dann wird bisschen Krieg gemacht." Die Analysten und Marktbeobachter, die sich intensiv mit bisherigen großen Wirtschaftskrisen befaßt haben, berichten übereinstimmend davon, dass in der Kette der Ereignisse nach der Finanzkrise, der Wirtschaftskrise im schlimmstenfall größere kriegerische Auseinandersetzungen folgen. Nach 1929 nahm auf dem europäischen Kontinent eine Tragödie sondergleichen ihren Lauf, deren Ursache allerdings vielfältig waren.

Es gibt in der aktuellen Marktphase Experten, - anerkannt und geschätzt - , die wieder die Möglichkeit größerer kriegerischer Auseinandersetzungen als Folge einer Wirtschaftskrise sehen. Einer von ihnen ist Johann Saiger. Ich kann mich erinnern, wie ich mit Saiger auf einer Rohstoffmesse diskutierte. Wenn ich mich richtig entsinne, war das im August 2007. Er sagte mir, dass er ab Oktober 2007 einen Crash an den Aktienmärkten erwarte. Tatsächlich bildete der DOW Jones im Oktober 2007 sein Allzeithoch bei 14.200 Punkten aus und begann zu korrigieren. Bis September 2008 war das zwar kein Crash, aber immerhin eine ausgedehnte Korrektur.

Ein Edelmetallhändler berichtete mir vor einigen Wochen, dass Saiger auf einem aktuellen Vortrag einen dritten Weltkrieg für möglich gehalten habe. Und damit gebe ich diese Aussage noch recht behutsam wider. Wie dem auch sei. Saiger ist nicht irgendein paranoider Gold-Guru, er ist wirklich ein Fachmann. Von seiner These kann man halten, was man will. Ebenso von seiner Prognose, dass der Goldpreis bis 2010 bis auf 5.000 $ ansteigen werde. Seine Aussage unterstreicht jedoch die Brisanz der Krise, in der wir uns bewegen.

Nochmal. Diese Einschätzung mag überzeichnet sein, es geht hier definitiv nicht darum, unbegründete Sorgen aufkommen zu lassen. Es steht außer Frage, dass beispielsweise nach dem Abenteuer der USA im Irak das viel wahrscheinlichere Scenario die Vermeidung von solchen Auseinandersetzungen ist. Wenn man den Wahlkampf von Obama Revue passieren läßt, wird man feststellen, dass der Mann nicht nur brachiales Charisma mit sich bringt, - man kann sich sogar als Außenstehender aus dem fernen Europa dieser Empathie nur schwerlich entziehen -, sondern auch strategisches Kalkül. Er hat sich trotz einiger Provokationen aus dem Lager der Republikaner nicht aus der Reserve locken lassen. Man hatte weitgehend den Eindruck, dass er über den Dingen stand. Diese Fähigkeit, so wage ich zu behaupten, wird ihn davon abhalten, sich wie George W. Bush in einen sinnlosen Krieg ziehen zu lassen bzw. einen solchen anzuzetteln. Ich gehe deshalb besonders auf die USA ein, weil von großer Relevanz ist, ob sie in mögliche kriegerische Auseinandersetzungen involviert sind oder nicht.

Nachdem ich wieder einmal meinen Gedanken freien Lauf gelassen habe und somit etwas abgeschweift bin, anbei nun das Gedicht ...

Wenn die Börsenkurse fallen,

regt sich Kummer fast bei allen,

aber manche blühen auf:

Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben

Dinge, die sie gar nicht haben,

treten selbst den Absturz los,

den sie brauchen - echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten

tun sie sich mit Derivaten:

Wenn Papier den Wert frisiert,

wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,

haben Sparer nichts zu lachen,

und die Hypothek aufs Haus

heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft's hingegen große Banken,

kommt die ganze Welt ins Wanken -

auch die Spekulantenbrut

zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?

Da muss eingeschritten werden:

Der Gewinn, der bleibt privat,

die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,

und das bringt erneut Profite,

hat man doch in jenem Land

die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen

hat der Kleine Mann zu blechen

und - das ist das Feine ja -

nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,

fängt von vorne an der Reigen -

ist halt Umverteilung pur,

stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen

das mal nimmer bieten lassen,

ist der Ausweg längst bedacht:

Dann wird bisschen Krieg gemacht.

Abschließend noch folgender kurzer Hinweis. Am Freitag werde ich im Rahmen der n tv Telebörse wieder aus charttechnischer Sicht Rede und Antwort zu den Finanzmärkten stehen. Heute bin ich als Referent auf der Tagung deutscher Metallhändler vertreten. Das wird sicherlich auch für mich richtig interessant. Sie interessiert, wie diejenigen Marktakteure, die sich seit einigen Jahren immer intensiver in "ihren" Markt bewegen und ihnen die Preise kaputtmachen, agieren und mich interessiert, wie die Marktteilnehmergruppe vorgeht, die sich klassisch gegen Preisrisiken am Markt abhedget.

Herzliche Grüße,
Ihr Harald Weygand

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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