Langsamer bitte! Der Ausstieg kommt in Sichtweite …
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- Die Europäischen Notenbanker peilen einen Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik an. Auf der gestrigen EZBSitzung gab EZB-Chef Trichet zu verstehen, dass die konjunkturelle Erholung und die fortschreitende Normalisierung der Finanzmärkte ausreiche, die überreichliche Liquiditätsversorgung zurückzufahren.
- Allerdings war er äußerst bemüht, zu versichern, dass die Liquidität nur sehr allmählich und in einem für die Wirtschaft und die Märkte verträglichen Tempo zurückgefahren werde.
- Folglich wird das geldpolitische Umfeld weiter für Unterstützung sorgen. Die Marktzinsen sollten sich auch in den kommenden Monaten auf sehr niedrigen Niveaus im kommenden Jahr wohl unverändert bleiben.
Liquidität wird zurückgefahren, aber nur langsam und vorsichtig
Auf der gestrigen Pressekonferenz der EZB bestätigte Trichet, dass die Europäischen Notenbanker einen Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik anpeilen, jedoch entschlossen sind, sehr behutsam vorzugehen, um die konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden. Diese Woche zeigte sich zudem, dass die wichtigen Zentralbanken eine „friedliche Einigung“ mit den Märkten anstreben und keine Konfrontation im Hinblick auf etwaige Asset-Blasen riskieren möchten. Trichet zeigte sich dabei aggressiver als Bernanke und gab explizit zu verstehen, dass das derzeitige Ausmaß an Liquiditätsunterstützung das Risiko einer Blasenbildung und übertriebener Handelsgewinne im Banksektor in sich berge. Wenngleich die jüngste moderate Korrektur bei riskanteren Anlagen dazu beigetragen hat, die Situation zu entschärfen, so ist der „Waffenstillstand“ doch nach wie vor fragil. Trichet hat implizit bestätigt, dass das im Dezember anstehende langfristige Refinanzierungsgeschäft mit einer Laufzeit von einem Jahr das letzte seiner Art sein wird, da die konjunkturelle Besserung und die fortschreitende Normalisierung der Finanzmärkte ausreicht, die außergewöhnlich expansive Liquiditätsausstattung allmählich zurückzunehmen. Allerdings war er äußerst bemüht, zu versichern, dass der Ausstieg langsam und angepasst an das Konjunktur- und Marktumfeld erfolgen wird. Er gab außerdem zu verstehen, dass die EZB nicht beabsichtigt, die kurzfristigen Zinsen weg vom Einlagensatz (0,25%) in Richtung des Refinanzierungssatzes (1.0%) zu drücken. Das aber heißt, dass das geldpolitische Umfeld weiterhin für Unterstützung sorgen wird, d.h. die Marktzinsen sollten in den nächsten Monaten sehr niedrig und der Refisatz dürfte wohl auch im nächsten Jahr unverändert bleiben. Die Liquidität wird langsam, und so wie es die Marktlage erlaubt, zurückgefahren. Die Tatsache, dass Trichet explizit von einer Rücknahme der Liquiditätsunterstützung gesprochen hat, dürfte EUR-USD stärken, ohne dass er aber die Marke von 1,50 durchbrechen dürfte. Heute Nachmittag steht dann die nächste Prüfung an, denn bei starken US-Beschäftigungzahlen könnten die Märkte versucht sein, den Waffenstillstand zu brechen.
Was den Wachstumsausblick angeht, klang Trichet gestern etwas zuversichtlicher. Er stellte für Dezember eine Aufwärtskorrektur der EZB-Prognosen in Aussicht, falls sich die jüngsten Signale seitens der harten und weichen Daten bestätigen. Allerdings ist die derzeitige EZB-Wachstumsprognose von 0,2% für 2010 ohnehin zu niedrig. Zudem wiederholte Trichet gestern gebetsmühlenartig, dass die Daten nach wie vor uneinheitlich seien, der vor uns liegende Weg so schwierig wie erwartet und nach wie vor Vorsicht geboten sei. Wichtiger ist meines Erachtens die Tatsache, dass das Risiko einer Kreditklemme nach Einschätzung der EZB offenbar zurückgeht. Trichet erklärte explizit, dass die Verlangsamung des Kreditwachstums nach wie vor in erster Linie von der Nachfrageseite ausgehe. Er hob hervor, dass die jüngste Umfrage zur Kreditvergabe der Banken Entspannung auf der Angebotsseite signalisiere. Die Tatsache, dass weniger Banken eine Verschärfung ihrer Kreditvergabestandards beabsichtigen, sowie die positive Entwicklung bei den Krediten an Privathaushalte sind als ermutigende Hinweise zu werten. Laut Aussage von Trichet ist es aber noch zu früh, eine Wende im Kreditzyklus auszurufen, auch wenn sich das Bild eindeutig verbessert habe. Er wiederholte den bekannten Aufruf an die Banken, ihre Bilanzen zu stärken, ergänzte dieses Mal aber, dass die Märkte mittlerweile empfänglicher für die Rekapitalisierungsbemühungen der Geldinstitute seien. Er bekräftigte zudem, dass die Banken ihre Gewinne den Rücklagen zuführen, in diesem Zusammenhang auch eine konservativere Gehaltspolitik verfolgen und ihre Funktion der Kreditvergabe an die Realwirtschaft erfüllen müssen. In Anbetracht der gestrigen Kommentare scheint dies allerdings im Wesentlichen bereits gegeben zu sein.
Vor diesem Hintergrund bestätigte Trichet implizit, dass das für Dezember geplante 12-Monats-Refinanzierungsgeschäft das letzte seiner Art sein wird. Er sagte, der Markt erwarte dies, und er wolle diesen Eindruck nicht modifizieren. Darüber hinaus waren seine Aussagen über die nächsten Schritte der Ausstiegsstrategie sehr vorsichtig und pragmatisch. Er betonte, die außergewöhnlichen Liquiditätsmaßnahmen seien nicht auf Dauer angelegt, versicherte aber gleichzeitig, dass ein Ausstieg ganz allmählich und angepasst an das wirtschaftliche und Markumfeld erfolgen werde. Trichet erklärte zudem, die EZB beabsichtige keine Veränderung der gegenwärtigen Situation, in der die kurzfristigen Zinsen, wie z.B. der EONIA, an den Einlagen- und nicht an den Hauptrefinanzierungssatz gekoppelt sind. Dies bedeutet, dass die EZB beim langfristigen Refinanzierungsgeschäft im Dezember wohl keine Prämie auf den Refisatz veranschlagen wird und im Rahmen der wöchentlichen Refinanzierungsoperationen weiterhin eine volle Zuteilung anstrebt.
Während der Fragestunde räumte Trichet – wie bereits erwähnt – ein, dass eine Fortsetzung der gegenwärtigen Liquiditätsmaßnahmen (vor allem des 12-Monats-Geschäfts) das Risiko einer Blasenbildung sowie übertriebener Handelsgewinne im Banksektor bergen würde. Dies bestätigt die Wahrnehmung, dass sich das wirtschaftliche und finanzielle Umfeld in einem Maße normalisiert, das eine allmähliche Rücknahme der Liquiditätsunterstützung erforderlich macht. Es ist als beachtliches Eingeständnis zu werten, dass das Risiko einer frühzeitigen Blasenbildung in den Diskussionen der EZB eine ganz konkrete Rolle spielt. Ein Thema, das nicht angesprochen wurde, ist die von uns aufgezeigte Zweiteilung innerhalb des Bankensystems im Euroraum. Einige Banken hängen noch immer in hohem Maße von der EZB ab und sind daher einem größeren Risiko ausgesetzt, sobald die Liquiditätsunterstützung gekürzt wird. Da der Rückzug jedoch nur sehr allmählich vonstattengehen soll, dürften ernsthafte Spannungen vermieden werden können.
Der EZB-Sitzung im Dezember kommt eine sehr große Bedeutung zu. Die Zentralbank wird ihre aktualisierten Wirtschaftsprognosen veröffentlichen und möglicherweise tiefere Einblicke in den weiteren Verlauf der Ausstiegsstrategie gewähren, vor allem im Hinblick auf die kurzfristigeren Refinanzierungsoperationen. Auch der Ausgang des Langfristgeschäfts im Dezember wird ein sehr wichtiges Signal setzen. Trichet redete zudem den Regierungen ins Gewissen, indem er die Dringlichkeit einer fiskalischen Ausstiegsstrategie mit dem Ziel der Vertrauensbildung hervorhob. Das Fehlen einer derartigen Strategie würde die Arbeit der Geldpolitik erschweren und letztlich zu höheren Marktzinsen und damit zu höheren Refinanzierungskosten für den öffentlichen und den privaten Sektor führen – nicht zuletzt aufgrund möglicher Rating- Herabstufungen.
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