Kommentar
16:23 Uhr, 13.02.2007

Kupfer - Erschöpfung nach dem Gipfelsturm

Ein wildes Jahr liegt hinter dem Kupfermarkt. Es begann bei etwas über 4500 Dollar pro Tonne, führte bis Mai im Fast-Senkrecht-Flug auf über 8500 Dollar, um dann bei 5600 Dollar zu enden. Damit verteuerte sich das Halbedelmetall im Jahr 2006 um satte 40% und schließt damit das fünfte Jahr in Folge mit Preissteigerungen ab. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate liegt seit 2002 bei sage und schreibe 33,4%. Der DAX brachte es im gleichen Zeitraum auf nur 5,9% pro Jahr. Die Preisrallye wurde vor allem ausgelöst durch das aufstrebende China und den boomenden US amerikanischen Immobilienmarkt, doch auch der Automobilsektor und die riesigen neu gelegten Telekommunikationsnetze in Asien führten zu einem wahren „Staubsaugereffekt“, in dessen Sog fast alles verfügbare Kupfer verschwand. Zwischen Anfang 2002 und Mitte 2005 wurden unvorstellbare 98% der Lagerbestände an der LME aufgebraucht. Auch in dem darauf folgenden Jahr konnten sich die Vorräte nicht merklich erholen, was dann im Frühjahr 2006 die Basis bildete für eine spekulative Überhitzung der Kupferpreise jenseits der 8000-Dollar-Marke. Doch dann kam die Wende. Erst allmählich, dann immer schneller. Die chinesische Nachfrage schwächte sich in der zweiten Jahreshälfte 2006 ab und ging dann so sehr zurück, dass sie im Gesamtjahr wahrscheinlich um 7% gefallen ist. Die Importe brachen im gleichen Jahr wahrscheinlich um 40% ein. Der Häuser- und Automobilsektor in den USA rutschte zur gleichen Zeit in eine Rezession. Seit Mitte des Jahres 2005 stiegen die Lagerbestände an der LME wieder um 730% an, während auch die asiatischen Bestände weiter aufgefüllt wurden.

Das BIP Chinas wuchs im Jahr 2006 um 10,7% nach 10,4% im Jahr zuvor. Das Wachstum scheint unbegrenzt, was sich in bedeutsamer Weise auf die Kupfernachfrage auswirkt. Doch es mehren sich die Anzeichen einer anstehenden Wachstumsverlangsamung. Die Maßnahmen zur Abkühlung des Wirtschaftswachstums, die die chinesische Regierung in den letzten Jahren ergriff, zeigten bisher zwar nicht den gewünschten Erfolg. Es scheinen sich aber stellenweise zeitverzögerte Auswirkungen zu zeigen. Sie könnten sich in diesem Jahr häufen und sich letztendlich ihren Weg in die makroökonomischen Daten bahnen. Doch auch von anderswo drohen in diesem Jahr Gefahren, die Chinas Wirtschaft negativ beeinflussen könnten. Die Weltwirtschaft beschreitet einen Balanceakt und die Ungleichgewichte werden von Tag zu Tag auffälliger. Die USA geben weit mehr aus, als sie sparen; zuletzt fiel die Sparrate auf den niedrigsten Stand seit 1933, der Zeit der Großen Depression. Der Rest der Welt spart weit mehr, als er ausgibt, und finanziert damit die Konsumfreude der Amerikaner. Letztendlich wird der Dollar darunter leiden und früher oder später abwerten, was schließlich merklich steigende Zinsen und eine Rezession in den USA nach sich ziehen würde. Dabei darf man den chinesischen Wirtschaftsboom nicht nur von der Nachfrageseite betrachten. Vergessen Sie Chinas Abhängigkeit von seinen Exporten nicht! Sie bilden einen Löwenanteil am Wirtschaftswachstum und florieren vor allem deswegen, weil die US Verbraucher durch Kredite konsumieren können. Eine Rezession in den USA würde sich merklich auf die Weltkonjunktur auswirken und auch der chinesischen Exportwirtschaft einen herben Dämpfer versetzen. Die Auguren sehen für das Jahr 2007 ein chinesisches Wirtschaftswachstum von 9,5 bis 10 Prozent. Nachdem diese Wachstumsraten aber mittlerweile mehr als einem Viertel Jahrhundert anhalten, wäre auch ein plötzlicher Eintritt einer Ruhephase nicht verwunderlich. Die Gefahr dabei ist, dass zwar das Potenzial, das der chinesische Wirtschaftsboom bietet, an den Märkten eingepreist ist. Das Risiko einer Wachstumsabkühlung wird unserer Meinung aber fast nicht beachtet. Es wird bereits bei Wachstumsraten unter der 9-Prozent-Marke zu drastischen Bewertungsanpassungen an den Aktien- und Rohstoffmärkten kommen, da zum einen das langsamere Wachstum, viel schlimmer aber noch das Risiko einer weiteren Abschwächung in die Kurse „eingepreist“ würde. In gewisser Weise geschieht genau das zurzeit an den Metallmärkten: Sie veranschlagen in der Angst einer Wachstumsabkühlung bereits vorweg, was im Jahresverlauf möglicherweise eintreten könnte.

Eine große Gefahr stellt die Ungleichverteilung des Wohlstands in China dar. Der Wirtschaftsboom hat vor allem den Städten mehr Reichtum und Vermögen gebracht, die Landbevölkerung lebt aber in Armut und Not. Dieses Ungleichgewicht kann schnell zu Problemen beim chinesischen Konsum führen, was drastische Auswirkungen hätte. Das weltweite BIP expandiert seit drei Jahren in Folge um über 4% pro Jahr. Sollte nun auch 2007 Wachstumsraten von über 4% erbringen, so wäre es das erste Mal seit Anfang der 70er Jahre, dass an vier aneinanderfolgenden Jahren Wachstumsraten von 4% oder mehr erreicht wurden. Auch nur eine kleine Enttäuschung kann einen Schneeballeffekt an den Finanzmärkten auslösen.

Ein weiteres Puzzleteil, das man bei der Analyse des Kupfermarktes, aber auch bei der Analyse jedes anderen Rohstoffs beachten muss, ist die Inflationsentwicklung. Das definitive Ende der Deflation in Japan und steigende Inflationsraten in anderen Wirtschaftszentren haben zu Anhebungen der Leitzinsen geführt. Wenn die japanische Notenbank ihre Zinserhöhungspolitik fortsetzt, fiele die Attraktivität von Carry-Trades, steigende Leitzinsen in Japan entzögen der Weltwirtschaft Liquidität. Damit stiegen die Risikoprämien, Märkte mit einer übermäßigen Bewertung würden gemieden. Es beträfe auch Kupfer, zum einen dergestalt, dass die Industrie in Reaktion auf höhere Kapitalkosten ihre Produktion sänke, zum anderen dadurch, dass Spekulanten und Investmentfonds höhere Finanzierungskosten für ihre Rohstoffpositionen trügen. In den Jahren 2003 bis 2005 waren die Preissteigerungen bei Kupfer vor allem durch eine steigende Nachfrage getragen. In den Jahren 2005 und 2006 gaben vor allem Index- und Hedgefonds den Ton an. Kupfer hat zu einem Finanzinstrument gewandelt und ist seither nicht mehr ausschließlich ein Industriemetall. Die Liquidität entziehende Zinswende ist damit klar negativ für Kupfer und andere Basismetallmärkte zu werten. Ein negativer Faktor für die spekulative Nachfrage nach Rohstoffen ist außerdem die Tatsache, dass die wichtigen Indizes wie der GSCI, RICI und Dow Jones/AIG in den vergangenen Monaten deutlich gefallen sind. Das könnte bestehende Anleger zu einem Verkauf ihrer Rohstoffanlagen bewegen und das Wachstum der Neuinvestments bremsen. All das wird sukzessive zu einer Abkühlung der spekulativen Eskapaden der letzten Jahre führen und die Basis für einen neuen Anstieg der Preise bilden.

Zusammenfassung

Wir sind in diesem Sinne weiterhin überzeugt von dem übergeordneten Bullenmarkt bei den Rohstoffen. Und vielleicht kann die etwas negative Färbung dieser Kupferanalyse als Kontraindikator gewertet werden. Tatsächlich sehen wir den Kupferpreis nahe eines Bodens, von dem aus er zu einer kurzfristigen Gegenbewegung ansetzen könnte. Im Anschluss sehen wir dann aber weitere Preisabgaben und eine ausgedehnte Konsolidierung über das Jahr 2007 hinweg. Wir erwarten, dass die Bewertung des Kupferpreises, die im Mai 2006 zur Oberseite übertrieben wurde, nun in die andere Richtung umschlägt. Wir sehen daher in diesem Jahr gute Einstiegschancen für jene Anleger, die niedrige Preise geduldig abwarten können. In der Zwischenzeit bieten sich sicherlich zahlreiche Möglichkeiten für einen kurzfristigen Trade. Beachten Sie hierfür die Chartanalysen auf Godmode-Trader.de. Wann es aus fundamentaler Sicht an der Zeit ist, langfristige Positionen in Kupfer zu eröffnen, erfahren Sie zu gegebener Zeit im Rohstoff-Report.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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