Kommentar
13:02 Uhr, 28.03.2014

Krise? Also fundamental sieht das alles gar nicht schlecht aus

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Die Konjunkturunsicherheiten in den Schwellenländern und die Krim-Krise werden die Finanzmärkte weiter begleiten. Bislang blieben harte Wirtschaftssanktionen des Westens zwar aus, sind im Falle weiterer Territorialansprüche Russlands aber nicht ausgeschlossen. Eine diplomatische Lösung der Krim-Krise ist noch nicht in Sicht.

Sorgenkind China?

In China hat sich der von der HSBC Bank veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bereits den fünften Monat in Folge auf einen Wert von 48,1 nach 48,5 eingetrübt und liegt nun unter der Expansion anzeigenden Schwelle von 50. Die Konjunkturabschwächung in Asien erschwert den eingeleiteten Transformationsprozess der chinesischen Wirtschaft hin zu einer stärkeren Binnennachfrage.

So hat der von der Citigroup veröffentlichte ökonomische Überraschungsindex - er misst positive sowie negative Abweichungen der tatsächlichen Konjunkturdaten von den Konsensschätzungen der Volkswirte - nach einer bereits schwachen Entwicklung zu Jahresbeginn im März erneut deutlich nachgegeben. Ähnlich negative Werte wurden zuletzt nach der Lehman-Pleite Ende 2008 verzeichnet.

Um die Ausweitung eines Bank-Runs zu verhindern - Gerüchten zufolge steht die erste chinesische Geschäftsbank vor der Insolvenz - garantierte die People’s Bank of China sofort die Zahlungsfähigkeit dieser Bank. Grundsätzlich wird die chinesische Notenbank keinen Kollaps einer großen Geschäftsbank mit im Extremfall dramatischen Folgen für Konjunktur und Finanzmärkte Chinas, aber auch der Welt zulassen.

Zur chinesischen Exportstützung wird mittlerweile auch die Währungspolitik eingesetzt. Denn die von der japanischen Geldpolitik betriebene Yen-Abwertung setzt dem chinesischen Außenhandel heftig zu. Immerhin hat der Renminbi zuletzt gegenüber Yen, US-Dollar und Euro bereits nachgegeben.

Insgesamt weisen die Emerging Markets im Vergleich zu den Industrieländern eindeutig bessere Fundamentaldaten auf. Zur Konjunkturstabilisierung stehen den Schwellenländern ohnehin größere Verschuldungsmöglichkeiten zur Verfügung: In China und Südkorea ist der Schuldenstand nur halb so hoch wie in den Industriestaaten und Brasilien und Indien bewegen sich nur knapp über dem Maastricht-Verschuldungskriterium von 60 Prozent zum BIP.

Grundsätzlich scheinen internationale Anleger diese stabilen Daten wieder wertzuschätzen. Denn in den letzten Tagen ist - auf Euro-Basis - eine Erholung der Aktienmärkte der Schwellenländer unverkennbar.

US-Konsumenten als konjunkturelle Sorgenpause

Die US-Konjunktur ist im abgelaufenen IV. Quartal stabil um 2,6 Prozent zum Vorquartal gewachsen. Zudem gewinnt die Binnennachfrage an Dynamik. So hat sich das Konsumentenvertrauen von der verunsichernden fiscal cliff-Debatte im Herbst 2013 erholt und stieg trotz des harten Winters zuletzt auf den höchsten Stand seit Januar 2008. Auch die US-Konsumentenkredite haben sich wieder auf das Niveau vor der Lehman-Pleite eingependelt.

Deutsche Konjunktur stabil

Die Euro-Wirtschaft kann sich nicht der verhaltenen Nachrichtenlage der vergangenen Wochen entziehen. So hat sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland das zweite Mal in Folge - jedoch nur noch leicht von 53,2 auf 53 - verringert. Ebenso gab der Index für das Dienstleistungsgewerbe zuletzt minimal auf 52,4 nach. Insgesamt signalisieren die euroländischen Stimmungsindikatoren immer noch eine Konjunkturerholung, die allerdings anfällig ist.

Zugpferd der euroländischen Konjunktur bleibt Deutschland. Dieses positive Bild unterstreichen auch die ifo Geschäftsdaten. Setzt man die ifo Geschäftslage deutscher Unternehmen zu den ifo Geschäftserwartungen gemäß der vier typischen Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Bezug, bewegt sich die Stimmung im deutschen Verarbeitenden Gewerbe weiter in eine Boom-Phase hinein. So konnte sich zuletzt die ifo Geschäftslage mit einem Wert von 115,2 auf den höchsten Stand seit rund zwei Jahren verbessern, während allerdings die ifo Geschäftserwartungen - beeinflusst durch die Verunsicherungen in den Schwellenländern und die Krim-Krise - leicht nachgaben, sich aber dennoch weiter auf hohem Niveau befinden.

Nicht zuletzt zeigt sich die deutsche Binnennachfrage ungebrochen stark. Trotz der geopolitischen und weltkonjunkturellen Unwägbarkeiten liegt der deutsche GfK Konsumklimaindex wie im Vormonat auf dem höchsten Niveau seit 2006. Der Index der Anschaffungsneigung konnte sogar weiter zulegen. Hintergrund sind die stabile Beschäftigungslage, reale Einkommenszuwächse und die unattraktiven Sparzinsen.

Deutsche Aktien fundamental gut unterfüttert

Nach aktueller Datenlage dürfte sich die stabile Stimmung in der deutschen Industrie zukünftig in verbesserten Gewinnausweisen der Unternehmen zeigen. Denn typischerweise nach etwa sechs Monaten schlagen sich die ifo Geschäftserwartungen in entsprechenden Gewinnveränderungen nieder.

Jedoch müssen die Anleger mit Blick auf die Krim-Krise und die wirtschaftlichen Eintrübungen der Schwellenländer ein mögliches Down Side-Risiko einkalkulieren. Hierbei sollte der Knick bei den ifo Geschäftserwartungen nicht überinterpretiert, aber zumindest beachtet werden.

Die steile Zinsstrukturkurve in Deutschland - die Rendite deutscher Staatsanleihen liegt höher als die Notenbankzinsen - ist grundsätzlich ein klarer Anhaltspunkt für eine auch zukünftig freundliche Aktienmarktstimmung. Dieses Zinsszenario lieferte bereits zwischen 2003 und 2007 sowie ab 2009 klare Argumente für die Aktienhausse des DAX. Eine steile Zinsstrukturkurve sorgt für ein attraktives Investitionsklima: Es lohnt sich, kurzfristig und zinsgünstig aufgenommenes Geld in längerfristige, höher rentierliche Investments wie Aktien anzulegen.

Auf absehbare Zeit ist keine Änderung dieses positiven Zinsklimas zu erwarten. Denn die fortgesetzte geldpolitische Rettung der Eurozone und die Bekämpfung der Deflationserscheinungen in der Euro-Peripherie lässt der EZB keine andere Wahl.

Grafik der Woche: Zinsstrukturkurve in Deutschland und Deutscher Aktienindex (DAX)

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Die europäischen Aktienmärkte setzen ihre Stabilisierung wegen der bislang ausgebliebenen Eskalierung der Krim-Krise fort. Mit Blick auf die vorhandenen geopolitischen Restrisiken und den Umbau der Volkswirtschaften der Schwellenländer zu stärkeren Binnenkonjunkturen bleibt die Volatilität an den Aktienmärkten jedoch zunächst hoch. Ausgehend vom Basisszenario einer allmählichen diplomatischen Krisenbeilegung und der Aussicht auf eine Konjunkturstabilisierung insbesondere in China, dürfte es an den Aktienmärkten spätestens in der zweiten Jahreshälfte wieder nachhaltig bergauf gehen. Dann dürfte sich der DAX wieder Richtung 10.500 Punkten entwickeln.

Im Falle einer erneuten Korrektur wartet beim DAX der erste Widerstand im Bereich zwischen 9.450 und 9.500 Punkten. Der nächsten liegen dann bei 9.340 und 9.140 Punkten. Darunter gibt die nächste Unterstützung an der 200-Tage-Linie bei aktuell 8.875 Punkten Halt. Wird diese jedoch signifikant durchbrochen, findet sich die nächste nennenswerte Unterstützung im Bereich zwischen 8.500 und 8.450 Punkten. Unterhalb dieser Zone besteht die Gefahr einer Baisse. Dann muss ein Rutsch bis zur wichtigen Auffangzone zwischen 7.600 und 7.500 Punkten einkalkuliert werden.

Und was passiert in der nächsten Woche?

Fraglich ist, ob der offizielle chinesische Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe den Einschätzungen des von der HSBC Bank veröffentlichten Indikators folgt. In Japan dürfte der Tankan Geschäftsklimaindex der japanischen Großunternehmen einen sich weiter aufhellenden Konjunktursausblick bestätigen.

In den USA weisen freundliche Auftragseingänge in der Industrie sowie ein stärkerer Arbeitsmarkt im März ebenso auf eine weiter anziehende Konjunkturdynamik hin wie die erneute Aufhellung des ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe.

In Deutschland zeugen robuste Auftragseingänge in der Industrie und stabile Arbeitsmarktdaten von einer fortschreitenden Konjunkturerholung.

Anämisches Wachstum und Deflation schüren bei vielen Anlegern die Erwartung, dass die EZB auf ihrer Sitzung die Zinsen senkt oder neue Liquiditätsmaßnahmen beschließt.

Halvers Woche: Quo vadis, deutsche Konjunktur und deutscher Aktienmarkt?

In Krisenszenarien stehen die deutschen, typischerweise konjunktur- und exportsensitiven Aktienunternehmen immer in Hab Acht-Stellung. Denn geht es der weltweiten Wirtschaft schlecht, geht es auch ihnen nicht gut. Erinnern wir uns: Der Einbruch der Weltkonjunktur nach dem Platzen der Immobilienblase hat vor allem unserer Volkswirtschaft und unserem Aktienmarkt zugesetzt.

Inwieweit kann nun die geopolitische Krim-Krise zu einer weiteren ökonomischen Krise der Weltwirtschaft mit Kollateralschäden für deutsche Aktien führen? Tatsächlich befinden sich die deutschen Frühindikatoren wie ZEW oder ifo aktuell nicht mehr auf Wolke sieben.

Zurück in die weltwirtschaftliche Steinzeit?

Russland zahlt jetzt schon einen hohen Preis für die Krim-Krise. Die Wirtschaftspsychologie schlägt gnadenlos zu: Denn westliche Investoren, denen bei eskalierenden Sanktionen die Enteignung ihrer Vermögenspositionen in Russland droht, werden schon aus Vorsicht zunächst keine Neuinvestitionen mehr in Putins Reich planen. Zusätzlich holen sie umfänglich Kapital in die sicheren westlichen Häfen zurück, um nicht zuletzt das Rubel-Währungsrisiko auszuschließen. Bei Fortsetzung werden die russischen Banken bald aus dem letzten Loch pfeifen. Und ohne Moos nix los: Ohne Kapital bleiben zum Schluss selbst attraktivste russische Investitionsmöglichkeiten so brach liegen wie ein Acker im sibirischen Winter.

Und was hieße das für uns? Kalter Krieg-ähnliches Sanktions-Ping Pong träfe auf eine Euro-Wirtschaft, die sich nur durch einen beherzten Griff in die Schuldenkiste und einen besonders großen Schluck aus der geldpolitischen Pulle ganz vorsichtig aus der Rezession entfernen konnte. Daneben macht die starke Gemeinschaftswährung - Konsequenz des Euro-Rettungsversprechens der EZB - unserem Export zu schaffen. Ohnehin scheint die geopolitische Krise auch bei unseren bisherigen Konjunktur-Wohlfühloasen, den Schwellenländern, anlegerpsychologisch Tribut in Form von Nummer Sicher-Kapitalabzug zu fordern.

Das diplomatische Eisen muss geschmiedet werden, solange es heiß ist

Vor diesem Hintergrund weiß jeder in Ost und West, dass bei der Krim-Krise außer einem „moralischen“ Trostpreis kein wirtschaftlicher Blumentopf zu gewinnen ist. Das spricht dramatisch für eine diplomatische Lösung der Krim-Krise, bei der der Westen die russische Annexion der Krim - wenn auch nicht offiziell, aber hinter vorgehaltener Hand - akzeptiert, dann aber dem russischen Bären auch sehr klar macht, dass ihm bei weiteren territorialen Gelüsten die weltwirtschaftliche Isolationshaft droht.

Schnellstmöglich sollte der Westen seine Hollywood-reife, mit Verlaub teilweise dümmliche Putin-Empörungs-Show abrüsten, auch wenn sich Uncle Sam im Augenblick in der lange nicht mehr gespielten Rolle des Freundes und Beschützers seiner europäischen Schäfchen sehr gefällt. Na ja, er hat ja wirtschaftlich auch weniger zu verlieren. Und in der Ukraine sollte sich eine gewisse Politikerin, die ihren eigenen radikal anti-russischen Mikrokosmos zum Leitbild des ukrainischen Polit-Makrokosmos machen will, überlegen, besser andere berufliche Perspektiven zu verfolgen. Krawallschläger auf beiden Seiten sollten auf unbestimmte Zeit in bezahlten Luxusurlaub geschickt werden. Dieses Geld ist gut angelegt, hält es doch das Zeitfenster für weise und besonnene Lösungen offen. Solange man miteinander sprechen kann - das weiß z.B. jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft - wird man immer einen Ausweg finden.

Fundamental sind Weltkonjunktur und Aktienmärkte besser als ihr Ruf

Immerhin arbeitet die Pekinger Führung hart daran, das chinesische Wirtschaftswachstum über mehr nachhaltigen Binnenkonsum und durch Vorziehen von Konjunkturmaßnahmen - auch mit Schulden - zu stabilisieren. Gegenüber den USA und Europa ist China in punkto Staatsverschuldung noch ein regelrechtes Waisenkind.

Überhaupt, mir kann doch keiner weiß machen, dass sich die großen Notenbanken als Duckmäuser in die Büsche schlagen, wenn die Weltkonjunktur deflationäre Tendenzen zeigen sollte. Die geldpolitische Koalition der Willigen wird im Bedarfsfall hüben wie drüben in Wallung geraten.

Ich bin optimistisch, dass die Aktien-Sache im zweiten Halbjahr besser aussieht und der DAX das Jahr oberhalb von 10.000 Punkten beendet. Dann sollte die Krim-Krise abgeebbt sein und die Schwellenländer wieder mehr finanzwirtschaftliche Wertschätzung erfahren. Überhaupt, schon heute haben wir eine stabile Binnennachfrage, weil die Bundesbürger ohne Kredite, nämlich zulasten ihrer Ersparnisse konsumieren. So entstehen keine amerikanischen Konsumblasen.

Und wenn die Mehrheit der DAX-Unternehmen ihre Dividenden im Vergleich zu 2013 erhöhen, ist das kein Krisenindiz. Oder würden sie als Unternehmenslenker in schlechten Zeiten ihr Geld verprassen? Apropos Dividenden, sie sind grundsätzlich eine wunderbare Ersatzbefriedigung zu entgangenen Zinsen.

Bleiben Sie Aktien treu, vor allem über Sparpläne

Das alles ist Balsam für die deutsche Konjunktur-Seele und - über wieder aufgehellte Gewinnschätzungen - auch für den deutschen Aktienmarkt.

Aber vorübergehend kann die nächste Zeit geopolitisch und weltwirtschaftlich durchaus turbulent bleiben und sich am Aktienmarkt in hohen Kursschwankungen zeigen.

DAX und MDAX kommen als export- und industriesensitive Aktienmärkte hohe konjunkturseismographische Qualitäten zugute. Da sie aktuell trotz allem Steherqualitäten beweisen, ist mir um deutsche Aktien nicht bange.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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