Kreditkarten: Der nächste Brandherd in den USA
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Externe Quelle: UniCredit
Es hatte sich schon abgezeichnet, dass sich das Geschäft mit Kreditkarten zum nächsten Brandherd für den Finanzsektor in den USA entwickelt. Seit dem dritten Quartal ist diese Befürchtung nun Gewissheit. So haben die fünf größten Emittenten zwischen Juli und September in ihrem Kreditkartengeschäft einen Verlust von knapp 400 Mio USD eingefahren; im gleichen Quartal des Vorjahres konnte noch ein Gewinn in Höhe von 4,4 Mrd USD verbucht werden. Zwar entstanden die Verluste vor allem bei der Citibank sowie der Bank of America, doch auch die anderen drei Firmen verzeichneten einen Gewinneinbruch von durchschnittlich 50%. Und ein Ende der Probleme ist nicht in Sicht.
Alle Finanzinstitute haben in ihren Quartalsberichten nämlich die Schätzungen für weitere Zahlungsausfälle merklich erhöht. Bereits in den vergangenen Monaten ist die Zahl der Kredite, die nicht pünktlich bedient wurden, deutlich gestiegen. Und die Institute sowie Ratingagenturen rechnen mit weiteren Zahlungsproblemen. Um sich in diesem Umfeld einen einfachen Zugang zu den Liquiditätsspritzen der Fed zu sichern, hat American Express am Dienstag beantragt, in eine Bankgeselschaft (bank holding company) umgewandelt zu werden.
Investoren verlieren Interesse
Wegen steigender Zahlungsprobleme der Haushalte verlieren dann auch die Investoren das Interesse an Kreditkartenforderungen. Das trifft die Branche schwer, denn nur etwa 50% der insgesamt ausstehenden Kredite von 970 Mrd USD werden von Banken und Sparkassen noch in ihren eigenen Büchern gehalten. Die anderen 50% wurden verbrieft und in Form sogenannter Asset-Backed Securities (ABS) an Investoren verkauft.
Nach Angaben der Großbank Wachovia konnten im Oktober, erstmals seit 15 Jahren gar keine durch Kreditkarten abgesicherten Bonds (ABS) verkauft werden. Die Kaufzurückhaltung der Investoren spiegelt sich auch in deutlich gestiegenen Risikoprämien für Kreditkarten-ABS wider. So weitete sich die Differenz zwischen den Zinsen auf Kreditkarten- Bonds und dem LIBOR-Satz zuletzt auf 475 Basispunkte aus. Zwischen 2000 und Mitte 2007 lag die Differenz noch bei Null Basispunkten!
Entsprechend müssen Banken und Sparkassen wieder mehr Kreditkarten-Forderungen in ihre eigenen Bücher nehmen. Da sie damit auch das Ausfallrisiko tragen, werden die Kreditstandards für Kreditkarten merklich erhöht. Die aktuelle Senior Loan Officer Survey belegt, dass dieser Prozess bereits begonnen hat.
Als Folge dieser Entwicklungen hat sich der Anstieg der ausstehenden revolvierenden Konsumentenkredite (v.a. Kreditkarten) bereits merklich abgeschwächt. Die Jahresveränderungsrate fiel auf unter 5½%, und in den vergangenen drei Monaten stiegen die Kredite nur noch um weniger als 2½ per annum.
Abhängig von der Kreditkarte
Die Auswirkungen auf den privaten Konsum sind schmerzhaft. Denn angesichts des schwachen Arbeitsmarkts und fallender Immobilienpreise ist die Kreditkarte für viele Haushalte die einzige Chance, den aktuellen Konsum aufrecht zu erhalten. Das gilt besonders für die Empfänger niedriger Einkommen. So zeigt die dreijährliche Survey of Consumer Finance (SCF), dass die Kreditkartenschulden (in % des Einkommens) bei Haushalten mit geringeren Einkommen deutlich höher sind als bei den Empfängern höherer Einkommen. Bei den 20% der Haushalte mit dem geringsten Einkommen (<20 Perzentil) belaufen sich die Kreditkartenschulden auf etwa 25% des Einkommens. Bei den nächsten 20% (20-39,9 Perzentil), liegt die Quote schon bei weniger als 15% und bei den Haushalten mit den höchsten Einkommen (80-100 Perzentil) gar nur noch bei gut 3½%. Zwar beziehen sich die aktuellsten Daten nur auf das Jahr 2004 (der Bericht für 2007 wird voraussichtlich im ersten Quartal 2009 veröffentlicht), allerdings zeigt die Grafik, dass das Verhältnis von Kreditkartenschulden zu Einkommen für die verschiedenen Gruppen zwischen 1998 und 2004 bemerkenswert stabil geblieben ist. Wenn sich daran etwas geändert haben sollte, dann wohl nur in der Richtung, dass sich die bestehenden Ungleichgewichte noch weiter verstärkt haben.
Die angespannte finanzielle Lage der Haushalte spiegelt sich auch in dem eingeengten Ausgabenspielraum wider. So wurden im September 71½% der gesamten Konsumausgaben für Käufe von nicht-aufschiebbaren Gütern und Dienstleistungen wie Nahrung, Wohnung, Transport oder Gesundheit aufgewendet – das ist sogar mehr als in der schweren Rezession Anfang der 80er Jahre.
Schwerste Konsumrezession seit 1980
Neben dem schwachen Arbeitsmarkt sowie fallenden Aktienund Immobilienpreisen sehen sich die privaten Haushalte in den USA nun auch noch einem erschwerten Zugang zu Konsumentenkrediten ausgesetzt. Bei dem rückläufigen Interesse der Investoren, verbriefte Kreditkarten-Forderungen zu erwerben, bleibt den Banken und Sparkassen nichts anderes übrig als die Standards für Konsumentenkredite zu erhöhen. Als Folge dieser restriktiveren Kreditvergabe müssen viele Haushalte ihre Ausgaben einschränken. Bereits im vergangenen Quartal sank der private Konsum um annualisierte 3%. Und für das laufenden sowie das kommende Vierteljahr erwarten wir weitere Rückgänge. Insgesamt dürfte der reale Konsum in diesen drei Quartalen um annualisierte 2½% fallen. Das wäre das erste Mal seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Statistik im Jahr 1947, dass der private Konsum in drei aufeinander folgenden Quartalen nachgegeben hat. Zugleich ist es der schwerste Rückgang über einen Zeitraum von drei Quartalen seit der Rezession 1979/80.
Vor diesem Hintergrund erklärte Finanzminister Paulson am Mittwoch, dass ein Teil der 700 Mrd USD aus dem TARP für Ankäufe oder Garantien von verbrieften Konsumentenkrediten verwendet werden soll. Zusätzlich wird es ein neues Fiskalpaket geben, das neben Finanzhilfen für Bundesstaaten und Kommunen sowie Infrastrukturausgaben auch Zuschüsse für die privaten Haushalte beinhalten dürfte. Ob es erneut Steuerschecks sein werden, oder eine andere Form der Unterstützung wird sich zeigen. Fakt ist, dass dieses Konjunkturprogramm beim designierten US-Präsident Obama oberste Priorität genießt. In einer Pressekonferenz Ende letzter Woche betonte er, dass er das Paket so schnell wie möglich verabschiedet haben möchte. Und „if it does not get done in a lame duck session it will be the first thing I get done as president.” Das wäre dann Ende Januar.
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