Kommentar
17:40 Uhr, 18.11.2014

Konjunkturpessimismus in Deutschland

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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    Aktueller Kursstand:   (XETRA)
  • Die Zeit, in der die Konjunkturprognosen nach unten revidiert werden, müsste jetzt zu Ende gehen. Man darf den Pessimismus auch nicht übertreiben.
  • Für Deutschland erscheint ein Wachstum von 1 bis 1,5 % für 2015 realistisch. Das ist nicht viel. Es entspricht aber in etwa dem langfristigen Potenzial.
  • Reformen sind auch in Deutschland nötig. Sie führen aber zunächst nicht zu mehr Wachstum. Sie verhindern lediglich, dass es noch schlechter wird.

Wie schlecht ist die Konjunktur wirklich? Es gibt derzeit viel Pessimismus hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Die Prognosen werden nach unten revidiert. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat – unter den offiziellen Institutionen – in der letzten Woche den Vogel abgeschossen. Er sagt für Deutschland 2015 nur noch ein Wachstum von 1 % voraus.

Aus meiner Sicht besteht jetzt langsam die Gefahr, dass wir nach unten übertreiben. Natürlich gibt es erhebliche Belastungen für das kommende Jahr. Niemand kann die Schwäche bei den wichtigen Handelspartnern Italien und Frankreich wegdiskutieren. Die Sanktionen gegenüber Russland aufgrund der Ukrainekrise könnten sich eher noch verschärfen. Die Vertrauenskrise bei den Unternehmen ist noch nicht vorbei.

Es gibt daneben aber auch positive Faktoren. Die USA und Großbritannien sind als Wachstumslokomotiven der Welt nach wie vor intakt. Außerhalb Europas verbessert sich die Stimmung. Die Ölpreise sind in den letzten drei Monaten um 30 % gesunken; das stärkt die Kaufkraft der Verbraucher und senkt die Kosten der Unternehmen. Zudem: Allein 0,25 % mehr BIP entstehen, weil es im nächsten Jahr weniger Feiertage gibt.

Ein Wirtschaftswachstum von 1 % für Deutschland im Jahr 2015 erscheint mir unter diesen Umständen als die Untergrenze. Eher wird es etwas mehr. Nun ist das natürlich nicht viel. Es ist nicht geeignet, den Pessimismus zu mildern. Es ist nahe an Stagnation. Die Grafik zeigt, wie gering die Wachstumsraten inzwischen sind (das sind "echte" Zahlen, keine Prognosen). Es sieht in der Tat nach japanischen Verhältnissen und "verlorenen" Jahren aus. Es entspricht vor allem nicht dem Anspruch, mit dem die deutsche Kanzlerin international auftritt.

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Es gibt deshalb viele, die jetzt Maßnahmen fordern, um das Wachstum zu stimulieren. Ich halte davon nichts. Erstens gibt es in der deutschen Wirtschaft kaum freie Kapazitäten. Die Unternehmen können gar nicht mehr produzieren, selbst wenn sie wollten. Ein staatliches Konjunkturprogramm führt nur zu mehr Importen oder steigenden Preisen, nicht zu mehr realem Wachstum.

Zweitens war das Wachstum auch in der Vergangenheit nicht viel größer. In den letzten zehn Jahren stieg das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland nur mit einer Rate von durchschnittlich 1,1 % p. a. Das entspricht in etwa der Potenzialrate, die sich aus der Zahl der verfügbaren Arbeitnehmer, dem Kapitalbestand und der Produktivität ergibt. Viel mehr ist in einer reifen Industriegesellschaft wie Deutschland offenbar nicht drin.

Drittens kann man mit einer solchen – niedrigen – Wachstumsrate leben. Gesamtwirtschaftliches Wachstum ist bekanntlich nicht alles. Vor allem ist es nicht zwangsläufig indikativ für das Wohlbefinden der Menschen in einem Land. Das ist auch eine Lehre aus den japanischen Erfahrungen. Japan hatte entgegen dem, was vielfach behauptet wurde, trotz niedrigen Wachstums in der Vergangenheit keineswegs verlorene Jahre.

Tokio war keine tote Stadt. Es wurde gebaut. Es gab Verkehrsstaus. Die Einkaufsstraßen waren voll. Abends war es schwer, einen Platz im Restaurant zu bekommen.

Viertens können die Aktienkurse auch bei geringerem Wachstum steigen. Seit 2010 hat der DAX um 155 % zugelegt, die Gesamtwirtschaft in Deutschland zu lau­fenden Preisen dagegen nur um 17 %. Das liegt – neben der starken Liquiditätsausweitung – daran, dass die deutschen Unternehmen vielfach auf den internationalen Märkten tätig sind. Ihr Geschäft orientiert sich also nicht an den Verhältnissen auf dem Binnenmarkt. Zudem sind die Löhne nur maßvoll gestiegen. Im Übrigen korrelieren die Aktienkurse auch nicht so eng mit den Unterneh­mensgewinnen.

Das ist nicht ein Plädoyer für "Nichts tun" in der Wirtschaftspolitik. Ich halte die Forderungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nach marktorientierten Reformen für richtig. Man sollte aber nicht erwarten, dass sich dadurch die Zunahme des realen BIP erhöhen würde. Auch das Potenzialwachstum wird nicht größer. Was damit erreicht wird, ist nur, dass sich die Verhältnisse in Zukunft nicht weiter verschlechtern. Wenn Deutschland keine Reformen macht, wird es über kurz oder lang hinter die "Reformländer" in Südeuropa zurückfallen. Bereits in diesem Jahr wächst beispielsweise Spanien schneller als Deutschland.

Das ist es, was die Reformpolitik in Deutschland so schwer macht. Es gilt nicht eine akute Krise zu beseitigen (so wie das vor zehn Jahren der Fall war, als Deutschland der "kranke Mann" Europas war). Es geht "nur" darum zu verhindern, dass wir in Zukunft in eine Situation geraten, in der wir dann wieder schlechter dastehen. Für Politiker ist es immer schwerer, künftige Krisen, die man noch nicht sieht, zu verhindern als akute Krisen zu bekämpfen.

Für den Anleger

Positiv ist, dass die Zeit der schlechten Nachrichten und der Korrektur der Erwartungen nach un­ten jetzt hoffent­lich vorbei ist. Das stützt die Stimmung auch an den Ka­p­italmärkten. Negativ ist dagegen, dass eine Besserung auf absehbare Zeit nicht in Sicht ist. Was bestenfalls verhindert werden kann, ist eine weitere Verschlechte­rung.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
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Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland


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