Kommentar
16:16 Uhr, 18.03.2009

Konjunkturpakete - weltweites Aufbäumen gegen die Abwärtsspirale

1. In den letzten Monaten wurden viele negative Superlative geschrieben. Die Weltwirtschaft leidet unter der größten Finanzmarktkrise seit den Dreißigerjahren, in vielen Ländern platzen Blasen auf den Immobilienmärkten und in nicht gekanntem Gleichlauf verfielen die Volkswirtschaften weltweit in eine schwere Rezession. Schnell hatten die Zentralbanken rund um den Globus die Zinsen dramatisch gesenkt und den Banken Liquidität bereitgestellt. Damit gelang es zwar, den totalen Finanzmarktzusammenbruch zu verhindern, der Absturz in die Rezession ließ sich aber nicht vermeiden. In dieser Situation war die Politik gefordert, und sie antwortete spätestens nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers entschlossen mit Konjunkturprogrammen.

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2. Viele Ökonomen stehen Konjunkturprogrammen traditionell skeptisch gegenüber. Sie kämen immer zu spät, verpufften zu wichtigen Teilen und entfachten nur Strohfeuer, so die Argumentation. Untersuchungen wie die des IWF deuten in der Tat darauf hin, dass diskretionäre Fiskalpolitik – d.h. Konjunkturprogramme – erst mit einer Verzögerung von 2½ Quartalen zu wirken beginnen. Auch ist klar, dass nicht alle beschlossenen Impulse in der Wirtschaft ankommen. Werden beispielsweise Haushalte steuerlich entlastet, so wird ein Teil dieser Mittel im Sparstrumpf verschwinden. Vom verbleibenden Teil werden zwar Güter erworben. Da aber ein großer Teil nicht aus heimischer Fertigung stammt, versickert ein weiterer Teil der Mittel im Ausland. Wenn das so ist, sollte man es dann auch in der jetzigen Situation nicht lieber bleiben lassen? Die eindeutige Antwort ist: Nein!

• Eine zeitliche Feinsteuerung ist in der Tat kaum machbar. In „normalen“ Rezessionen, die in Deutschland bislang im Schnitt nur 3½ Quartale dauerten, war bislang die Zeitverzögerung zwischen dem Erkennen der Situation, der politischen Beschlussfassung bis hin zur administrativen Umsetzung zu lang. Das Ergebnis war eine ungewollte prozyklische Wirkung, d.h. die Konjunkturprogramme befeuerten den Aufschwung statt die Rezession zu bekämpfen. Die gegenwärtige Rezession ist aber keine „normale“; sie ist sowohl hinsichtlich ihrer Schärfe als auch hinsichtlich ihrer Länge einzigartig in der bundesdeutschen Geschichte. Und so ist es möglich, dass die stimulierenden Effekte auch trotz der Zeitverzögerungen noch in die Rezession fallen, also zur rechten Zeit kommen.

• Konjunkturprogramme sind kurzlebiger Natur und können folglich tatsächlich nicht mehr als ein Strohfeuer entzünden. Doch auch ein Strohfeuer wärmt für einige Zeit. Und genau dieser Effekt wird gegenwärtig benötigt. Die Konjunkturprogramme kaufen Zeit, in der die Volkswirtschaften in ihrem freien Fall gebremst werden. Es werden Vertrauenssignale ausgesendet (wie die Bodenbildung bei den ifo-Geschäftserwartungen), einer Verfestigung negativer Erwartungen wird vorgebeugt. Die hierdurch erkaufte Zeit muss allerdings auch genutzt werden. Denn für ein „normales“ Funktionieren der Wirtschaft müssen die Banken wieder ihre Funktion der Kreditgewährung übernehmen können. Ist diese Voraussetzung nicht vorhanden, werden auch die Konjunkturprogramme verpuffen. Die japanische Erfahrung zeigt dies ganz deutlich.

• Sickerverluste in die Ersparnis oder ins Ausland wird es immer geben. In einer Marktwirtschaft kann man Menschen in die Lage versetzen zu konsumieren, sie möglicherweise auch dazu motivieren, aber keinesfalls sie dazu zwingen. Doch gerade der Erfolg der Abwrackprämie zeigt, dass die deutschen Haushalte derzeit noch kaufbereit sind. Nach Jahren der Konsumzurückhaltung ein verständliches Phänomen, begünstigt durch eine bislang noch erstaunlich widerstandsfähige Arbeitsmarktentwicklung. Die Abwrackprämie zeigt aber auch, dass von dem Stimulus überwiegend ausländische Automobilhersteller profitieren. Normalerweise ein Totschlagargument für Konjunkturprogramme. Der weltweit synchrone Absturz der Konjunktur zwang die Regierungen aber auch zu einem weitgehend synchronen Handeln: Rund um den Globus wurden Konjunkturpakete im Wert von 4,7 % des Weltbruttoinlandsprodukts geschnürt. Und so werden die Sickerverluste des einen Landes zu Impulsen in anderen Ländern. Der von diesem Volumen ausgehende Stimulus fällt freilich nicht allein in das laufende Jahr, sondern verteilt sich auf mehrere Jahre. Auch hat die eine oder andere Regierung bei der Verkündung des Volumens schon beschlossene Maßnahmen dort nochmals verbucht – prominentes Beispiel ist das italienische Konjunkturpaket. Und dennoch verbleibt unterm Strich eine nicht unmaßgebliche Stimulierung der globalen Nachfrage.

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3. Auffällig ist, dass kleine wie große Volkswirtschaften, Industrienationen wie aufstrebende Volkswirtschaften bemüht sind, ihren Beitrag zu leisten. Klar, dass wenn eine Nation wie die Vereinigten Staaten ein Paket im Werte eines Prozentpunkts ihrer nationalen Wirtschaftsleistung schnürt, für die Weltwirtschaft ein größerer Stimulus ausgeht, als bei einem Konjunkturpaket Perus in gleicher Relation. Ein Blick auf die regionale Verteilung des weltweiten Stimulus zeigt, dass sich Asien als Vorreiter hervortut. Von hier kommt der größte Stimulus, knapp gefolgt von Amerika. Abgeschlagen auf den Rängen befinden sich Europa und der Nahe Osten / Afrika.

4. Bei den Konjunkturprogrammen lassen sich grob folgende Maßnahmenbündel unterscheiden.

• Das wohl am häufigsten verwendete Instrument sind öffentliche Investitionen in die Infrastruktur oder Anreizprogramme für die Bauwirtschaft. Das liegt nicht allein an dem Umstand, dass in zahlreichen Ländern die Probleme aus geplatzten Immobilienmarktblasen herrühren und die Bauwirtschaft dort eine Stimulierung benötigt. Öffentliche Infrastrukturmaßnahmen haben zudem den Vorteil, dass sie unmittelbar nachfragewirksam werden und Sickerverluste vergleichsweise gering ausfallen. Allerdings lassen sich solche Investitionen nicht von heute auf morgen in beliebiger Höhe sinnvoll gestalten.

• Eine zweite Kategorie von Hilfsmaßnahmen sind steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, gelegentlich in Verbindung mit Transferzahlungen – beispielsweise für Forschung und Entwicklungsleistungen. Des Weiteren werden Maßnahmen ergriffen, um die Einkommenssituation von Haushalten zu verbessern. Das geschieht über Steuer- und Abgabensenkungen, aber auch über Konsumgutscheine oder Prämien. Bei diesen beiden Maßnahmenpaketen hängen die stimulierenden Effekte am Investitions- beziehungsweise Konsumverhalten der Unternehmen und Haushalte und an den Sickerverlusten durch Importe.

• Schließlich finden sich neben Kreditprogrammen für Unternehmen auch Stützungsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt. In letztere Kategorie fällt beispielsweise in Deutschland die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung auf 18 Monate – eine Maßnahme, die einkommens- und stimmungsstabilisierend wirkt.

5. Anders als in der Depression der Dreißigerjahre handeln die Regierungen bislang weltweit verantwortungsbewusst und richtig. Dennoch gibt es auch Schattenseiten der Konjunkturprogramme, die es bei deren Ausgestaltung und Umsetzung zu berücksichtigen gilt. Zunächst einmal kommt es maßgeblich darauf an, den Vorteil der weltweiten Aktion zu nutzen. Protektionistische Bestrebungen laufen dem entgegen. Auch in Krisenzeiten stehen Interessengruppen bereit, Druck auf Regierungen auszuüben, und wahltaktische Erwägungen können solche Überlegungen attraktiv wirken lassen. Leicht kann eine Protektionismusspirale in Gang gesetzt werden, an deren Ende die gewünschte Stimulierung über die Außenwirtschaft ausbleibt. Freier Handel muss die Maxime für die Weltwirtschaft bleiben. Gefahren resultieren auch aus branchenspezifischen Konjunkturpaketen. Sie können zu unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen führen, verhindern zugleich oftmals auch erwünschten Strukturwandel. Die Bereinigung der weltweiten Überkapazitäten in der Automobilindustrie gehört hierzu. Schlussendlich bedeuten die Konjunkturprogramme eine Zunahme der Staatsverschuldung, die aufgrund der Bankenrettungspakete ohnehin schon ansteigt. Eine Rückführung der Staatsverschuldung nach überstandener Krise ist zwingend erforderlich, dämpft aber das Wachstum in den Folgejahren.

6. Die Länder weltweit können und sollten es sich in einer solchen Ausnahmelage erlauben, stabilisierende Maßnahmen zu ergreifen – zumal viele Nationen die günstige wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre zu einer Konsolidierung der Staatsfinanzen genutzt haben. Eine Garantie dafür, dass es gelingt, die Rezession durch die Konjunkturprogramme zu überwinden, gibt es nicht. Man darf nicht vergessen, dass die fiskalischen und monetären Stützungsmaßnahmen, wie sie gegenwärtig angelaufen sind, in der Wirtschaftsgeschichte beispiellos sind. Insofern sind wir alle Teil eines großen Experiments; Risiken und Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Deshalb aber auf die Einnahme des Medikaments zu verzichten, wäre fahrlässig. Jede weiter verordnete Dosis wird von uns protokolliert werden.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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