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16:22 Uhr, 09.06.2003

Kommentar: Steht die Deflation vor der Tür?

Externe Quelle :

Original des DIT

Steht die Deflation vor der Tür?

Das Inflationsgespenst ist out, die "Teuro"-Debatte ebenfalls. Deflation heißt das neue Paradigma an den Finanzmärkten. Sowohl die US-Notenbank Fed als auch der Internationale Währungsfonds (IWF) haben jüngst vor möglichen Deflationsgefahren gewarnt. Droht nun das Deflationsungeheuer?

Bei der Diskussion ist zunächst von Bedeutung, was hinter dem Begriff Deflation steht und was ihn gefährlich macht. Im Gegensatz zur Inflation, also einem Anstieg des allgemeinen Preisniveaus mit der Tendenz sich selbst zu verstärken, steht Deflation für einen dauerhaften Preisrückgang "auf breiter Front". Aus Sicht der Konsumenten eigentlich ein Grund zur Freude, wären da nicht die aus volkswirtschaftlicher Sicht negativen Konsequenzen, die sich seit einigen Jahren in Japan zeigen: Die fallenden Preise führen zu einer Verhaltensänderung der Konsumenten, da sie auch in Zukunft von sinkenden Preisen ausgehen. Dies mündet in einer sich selbst verstärkenden Spirale aus rückläufigem Konsum, sinkender Kapazitätsauslastung, weiter fallenden Preisen, höherer Arbeitslosigkeit, sinkenden Einkommen und somit noch stärker schrumpfendem Konsum. Gefährlich ist diese Situation vor allem, weil die üblichen Konzepte der Geldpolitik ins Leere gehen. Mit Blick auf die Entwicklung der zehnjährigen Renditen, die zuletzt sowohl in den USA als auch in der Eurozone auf langjährige Tiefstände fielen, könnte man den Eindruck haben, als stünden weite Teile der Weltwirtschaft kurz vor der Deflation. Ist dies tatsächlich der Fall? Auf kurze Sicht sicher nicht, denn:

- In Deutschland liegt die Preissteigerungsrate derzeit bei 0,7%, in der gesamten Eurozone bei 2%, in einigen Ländern aber deutlich höher, wie z.B. in Irland (4,6%) oder Portugal (3,7%). Mit 2,2% liegt die Inflation auch in den USA noch deutlich über 0%-Linie. Sicherlich ist der Preisauftrieb, vor allem bei der Kernrate (Verbraucherpreise ohne die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise), in den letzten Wochen spürbar zurückgegangen. Dies ist auf den gesunkenen Ölpreis, die schwache Konjunktur und die Euro-Aufwertung zurückzuführen. Bereits 1986 sanken die deutschen Verbraucherpreise aufgrund eines Verfalls der Importpreise, von Deflation sprach aber keiner.
- Einer Faustformel folgend, verringert eine Aufwertung des Euro um 10% unter sonst gleichen Bedingungen die Inflationrate um etwa 0,5 Prozentpunkte. Aber Vorsicht: Zum einen ist die momentane Aufwertung nur temporär und zum anderen verursacht eine Aufwertung keine Veränderung des Preisniveaus, sondern der relativen Preise zwischen inländischen Gütern und Importgütern. Diese Veränderung gilt aber nicht als Niveauverschiebung und ist somit auch nicht als deflationär einzustufen.
- Trotz schwacher Binnenkonjunktur ist in Deutschland keine Nachfragelücke in der Größenordung der IWF-Schätzung (2,75%) zu erkennen. Der Auslastungsgrad in der westdeutschen Industrie liegt im ersten Quartal 2003 nach dem Ifo-Konjunkturtest leicht über dem langjährigem Durchschnitt. Bei einer deflationär wirkenden Nachfragelücke müsste dieser deutlich geringer sein.
- Empirischen Studien zufolge wird die Inflation mittelfristig neben den Importpreisen vom Kostendruck in den Unternehmen (Lohnstückkosten) bestimmt. Diese stiegen 2002 um knapp 1% und werden 2003/2004 leicht zunehmen.
- Beide Zentralbanken (Fed & EZB) stehen Gewehr bei Fuß. Sie haben signalisiert, dass sie die Gefahr erkannt haben und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen ergreifen. Mit der Steuerung der Erwartungen der Marktteilnehmer haben die Notenbanken die ersten Schritte zur Vermeidung der Deflation eingeleitet.
- Auch die Bundesregierung ist aktiv, wenn vielleicht auch unbewusst: Durch die geplante Anhebung der Tabaksteuer würde die Inflationsrate um etwa 0,6 Prozentpunkte ansteigen. Hierdurch würde sich die Inflationsprognose für 2004 auf 1,3% für Deutschland und 1,6% für die Eurozone erhöhen.

Schlussfolgerung: Der Preisauftrieb bleibt zwar gering, aber eine Deflation droht derzeit nicht.

Quelle : DIT

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