Kommentar
18:29 Uhr, 21.04.2022

Können die Notenbanken die Inflation überhaupt bekämpfen?

Notenbanken wollen die Zinsen möglichst schnell auf ein neutrales Niveau anheben. Die große Überraschung: Das Niveau ist bereits erreicht.

Effektiv ist in der Geldpolitik in den USA und Europa noch wenig geschehen. Zugegeben, in den USA wurden Anleihekäufe beendet und der Leitzins wurde um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Ein Leitzins in der Bandbreite von 0,25-0,5 % kann man allerdings kaum als straffe Geldpolitik bezeichnen.

Geldpolitik ist jedoch mehr als nur der Leitzins. Viel wichtiger als der Leitzins sind die Marktzinsen, also die Renditen von Staatsanleihen. Die Zinsen für Kredite folgen der Rendite von Staatsanleihen. Da die meisten Kredite mehrere Jahre Laufzeit haben, sind langfristige Zinsen wichtiger als der kurzfristige Leitzins.

Anleiherenditen werden natürlich vom Leitzins beeinflusst. Losgelöst sind sie nicht. Die geldpolitische Wende zusammen mit höheren Inflationserwartungen hat die Rendite 10-jähriger US-Anleihen in die Nähe von 3 % gebracht.

Die Rendite 10-jähriger Anleihen ist die wichtigste für die Wirtschaft. Diese Rendite, nach Abzug der Inflationserwartungen über den gleichen Zeitraum (erwartete durchschnittliche Inflation über die nächsten 10 Jahre), war bis vor kurzem negativ. Ein negativer Realzins schiebt die Wirtschaft an. Ein positiver Realzins kann die Wirtschaft bremsen, wenn er über dem neutralen Zinssatz liegt.

Der neutrale Zinssatz wiederum ist jenes Zinsniveau, bei dem die Geldpolitik weder bremst noch anschiebt. Beobachten lässt sich dieser Zins nicht. Er wird anhand von Inflation, Wirtschaftswachstum und potenziellem Wirtschaftswachstum berechnet. Aktuell liegt dieser Wert für die USA bei ca. 0,6 %.

Da die Wirtschaft immer langsamer wächst, unter anderem wegen geringerem Bevölkerungswachstum, fiel der neutrale Zins über die letzten Jahrzehnte und wurde durch die Pandemie etwas durcheinandergewirbelt (Grafik 1). Wichtig ist jedoch vor allem, dass die Realrendite 10-jähriger Anleihen das neutrale Niveau erreicht hat oder zumindest in der Nähe ist. Ein exakte Wissenschaft ist leider nicht.

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Die US-Notenbank geht davon aus, dass ein Zins über dem neutralen Wert die Inflation senkt und ein Zinssatz darunter Inflation fördert. Historisch lässt sich das nicht belegen. Seit der Finanzkrise waren die Zinsen häufig tiefer als auf neutralem Niveau. Die Inflation sprang trotzdem nicht an (Grafik 2).

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Will die Fed die Inflation senken, reicht ein Zinssatz auf neutralem Niveau nicht. Straffere Geldpolitik hat in der Vergangenheit ohnehin nur begrenzt auf die Inflation gewirkt. Wie straff die Geldpolitik ist, lässt sich anhand des Chicago Fed Financial Conditions Index messen. Dieser Index misst den Stress im System. Je mehr Stress vorhanden ist, desto straffer ist die Geldpolitik.

In den 70er Jahren schien straffere Geldpolitik zu einem Rückgang der Inflation zu führen. Ende der 80er Jahre und zur Jahrtausendwende war das nicht der Fall (Grafik 3). Entweder wird der Einfluss der Geldpolitik überschätzt und Geldpolitik wirkte in den 70er Jahren zufällig inflationssenkend oder eine leichte Straffung wie Ende der 80er Jahre und zur Jahrtausendwende reicht einfach nicht.

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Das stellt die Fed möglicherweise vor eine sehr schwere Wahl. Die Geldpolitik muss wahrscheinlich sehr viel straffer werden, um einen Effekt zu haben. Das bedeutet, dass der Aktienmarkt deutlich fallen muss und die Wirtschaft schrumpft. Tatsächlich ist historisch das einzig wirksame gegen Inflation eine Rezession (Grafik 4). Alles andere ist Wunschdenken. Die Idee, dass die Fed die Inflation senken kann, ohne eine Rezession zu erzwingen, ist eine Illusion. Wie viel Rezession es braucht, um die Inflation auf ihr Zielniveau zu senken, lässt sich berechnen. Dazu mehr an anderer Stelle.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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