Kommentar
16:59 Uhr, 16.02.2015

Ketchup-Effekt: Vorsicht vor Tomatenspritzern

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„Der Ketchup-Effekt kann zu einer unerwarteten Inflation führen.“

Antoinette Hunziker-Ebneter, Forma Futura Invest AG, während der 30. Kapitalanlegertagung im Januar 2015 in Zürich.

Nassim Taleb hob im Jahr 2010 den Ketchup-Effekt in das Bewusstsein der Finanzanleger. Er stellt ihn sich so vor: Die Zentralbanken blasen die Geldmengen auf. Zunächst bleiben die Preise stabil oder fallen sogar. Mit Zeitverzögerung steigt die Inflation plötzlich drastisch an. Zuerst will partout nichts aus der Flasche – dann kommt alles in einem Schwall.

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Ketchup zählt zu den thixotropen Fluiden – wie Zahnpasta oder Margarine. Wird die Flasche geschüttelt, verflüssigt sich der Zucker-Tomaten-Essig-Mix. Hört man auf zu schütteln, verfestigt sich der beliebte Fitten-Geschmacksverstärker wieder.

Die Zentralbanker Japans und der EU schütteln die Ketchup-Flasche schneller und schneller. Die US-Zentralbank nimmt etwas Tempo heraus. Doch reicht das, um den Ketchup-Effekt zu stoppen? Gegner dieser Theorie argumentieren, dass die Globalisierung und die damit verbundene verteilte Produktion keinen Platz für Inflation lässt.

Die Referenten, die anlässlich der 30. Internationalen Kapitalanlegertagung im Januar in Zürich zusammenkamen, waren sich einig: Inflation sucht man derzeit in den Industrieländern – und zunehmend auch in den Schwellenländern - vergebens.

Eugen Keller und Sebastian Sachs, Metzler Capital Markets, stellten ihren Workshop unter das Motto „Investieren im Zeitalter der Zentralbank-Verwaltungswirtschaft“. Sie beschrieben die Deflationsängste als auf einem Extrem liegend. Den USA beschieden sie weiterhin gute Wachstumsaussichten. Für Europa und Japan blieben sie skeptisch. Entsprechend sollten die Renditen in Europa eher fallen, aber in den USA steigen. Die US-Inflationsrate sollte seitwärts laufen. In der norwegischen Krone sahen sie Chancen. Der USD-Dollar sollte gegenüber dem Euro im Vorteil bleiben.

Eine andere Meinung vertrat Chris Zwermann. Der Euro/Dollar sollte nur kurzzeitig unter 1,20 fallen. Zum Jahresende 2015 sollte sich der Wechselkurs oberhalb von 1,30 befinden. Kupfer bezeichnete er als „Rohstoff des Jahres“. Folgerichtig sollte Dr. Copper ein Signal für deutlich steigende Inflationsraten im 2. Halbjahr sein. Die Renditen sollten ebenfalls anziehen. Die Aktienmärkte Indiens und Indonesiens sollten gut performen.

Originell war der Vorschlag von Tagungsleiter Philipp Vorndran, anstelle von Dollar, Euro oder Yen eine aktiengedeckte Weltwährung einzuführen. Der MSCI-World-Index könnte als Sicherheit dienen. Deutsche Wohnimmobilien bezeichnete er als unterbewertet.

Die Frage nach der Konvergenz oder Spaltung der Europäischen Union stellte Prof. Dr. Otmar Issing. Er bezeichnete das fiskalpolitische Fehlverhalten als eine Hauptursache der Krise, verwies aber gleichzeitig auf Fortschritte im Anpassungsprozess.

Prof. Dr. Arthur Laffer („mein Nachbar Al Gore“) klopfte sich im Bezug auf sein Heimatland kräftig auf die Brust. Die Situation in den USA sei deutlich solider als in Europa. Der US-Dollar werde in den kommenden Jahren aufgrund von Kapitalzuflüssen weiter aufwerten. Die Fed werde bald die „straffste“ Zentralbank der Welt sein. Auch dies würde den US-Dollar unterstützen. Er warnte allerdings davor an der Steuerschraube zu drehen, da der aktuelle Aufschwung der schwächste nach der großen Depression sei. Die Umsetzung einer Erhöhung der Besteuerung der Wohlhabenden sei für Steuereinnahmen und Wachstum stets kontraproduktiv gewesen.

Den Emerging Markets wurde in zwei Vorträgen ein größerer Raum zuteil. Frank Holmes, CEO von US Global Investors, stellte die Demografie Indiens und die neue politische Ausrichtung als größte Pluspunkte des Subkontinents heraus. Seitdem Narendra Modi zum indischen Premierminister gewählt wurde, seien Milliarden von US-Dollar zusätzlich in indische Investment-Fonds geflossen. Marc Faber favorisierte ebenfalls den asiatischen Währungsraum und auch Indien. Daneben nannte er Thailand, die Philippinen, Singapur und Indonesien als interessante, aufstrebende Länder. Die US-Wirtschaft nannte er „Botox-Wirtschaft“. Das von der US-Zentralbank gedruckte Geld würde sich nicht gleichmäßig verteilen. Die aktuellen Probleme seien mit der Geldpolitik nicht zu lösen. Wie stets empfahl Faber Gold als Versicherung für den Fall einer Katastrophe.

Auch Dr. Jens Ehrhardt und Dr. Ulrich Stephan (Deutsche Bank) waren gegenüber dem US-Dollar positiv gestimmt. Die Bewertung des US-Aktienmarktes erschien beiden jedoch vergleichsweise hoch, so dass in erster Linie auf europäische Aktien zurückgegriffen werden sollte.

Fazit: Während der 30. Kapitalanlegertagung war eine plötzlich auftretende, starke Inflation („Ketchupeffekt“) nur ein Randthema. Die Deflationsangst befindet sich aktuell auf einem Höhepunkt. Aus Sentimentsicht gibt es keinen idealeren Zeitpunkt, um über wieder steigende Inflationsraten zu diskutieren. Die Fans des Ketchup-Effekts dürften ab dem zweiten Halbjahr zahlreicher werden.

Aber ist so etwas tatsächlich realistisch? Russlands Inflationsrate verdoppelte sich innerhalb eines halben Jahres von 7,5 auf aktuell 15 Prozent. Der Ketchup-Effekt wirkt hier allein durch die Währungsabwertung. Am stärksten ist dieser Effekt, wenn eine Währungsabwertung und ein Rohstoffpreisanstieg zusammenwirken. Fällt eine Währung stark und steigen gleichzeitig die Rohstoffpreise (z.B. der Ölpreis), dann würde der Ketchup anfangen, sich aus der Flasche zu ergießen.

Für Europa erwarten wird eine solche Situation nicht, da wir einen sich stabilisierenden Euro/Dollar annehmen. Aber Japan erscheint doch gefährdet. Wir halten den Yen – im Gegensatz zum Euro – durchaus anfällig für eine Fortsetzung der seit einigen Jahren laufenden Abwertung. Sollten die Rohstoffpreise zusätzlich ihre vierjährige Baisse beenden und drehen, dann würde Japan über eine Inflationsrate reden, die sich deutlich über dem 2-Prozent-Ziel der Zentralbank bewegen würde.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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