Fundamentale Nachricht
13:29 Uhr, 11.03.2020

Keine Panik! Überreaktionen der Märkte können sich in Chancen verwandeln

Pascal Blanqué, Group Chief Investment Officer bei Amundi, sieht nach einer Phase der Selbstüberschätzung zu viel Pessimismus an den Anlagemärkten.

Erwähnte Instrumente

  • Gold
    ISIN: XC0009655157Kopiert
    Kursstand: 1.665,68005 $/oz. (FXCM) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

„Die Aktienindizes in Europa stürzen ab, die Volatilität steigt sprunghaft. Die Nachfrage nach sicheren Anlagen ist auf Rekordniveau; Gold und US-Treasuries sind heiß begehrt. Alles Folgen, weil die Marktteilnehmer eine weitere Verbreitung des Coronavirus auf europäischer und globaler Ebene befürchten und die wirtschaftlichen Aussichten immer unsicherer werden. Dabei verstärken die fallenden Ölpreise das Ganze noch.

Wir denken, dass die Marktteilnehmer von einer übertriebenen Selbstgefälligkeit zu einem übertriebenen Pessimismus gewechselt sind, und nun eine längere Periode stagnierenden Wachstums erwarten. Unser Szenario sieht dagegen weiterhin nur einen vorübergehenden Rückschlag und dann eine Erholung vor. Wir könnten uns auf eine globale Rezession hinbewegen, aber wir glauben, dass dies im Moment noch ein Extremszenario wäre.

So werden wohl noch weitere Interventionen der Zentralbanken – nach der Notfallzinssenkung der Fed in der vergangenen Woche – und weitere fiskalpolitische Maßnahmen zu den bereits angekündigten in verschiedenen Ländern, wie etwa in Italien, USA oder Australien, folgen. Diese Maßnahmen könnten die Wirtschaft stabilisieren und eine globale Rezession vermeiden. Ermutigende Signale kommen aus China, wo die Wirtschaft langsam wieder ins Laufen kommt.

Gewinnmitnahmen, kurzfristige Marktvolatilität und die Überreaktion der Investoren waren bereits in den letzten Wochen zu beobachten, als sich die Situation in Europa zu verschlechtern begann. Dies unterstützte die taktischen Schritte der Anleger, das Risiko-Exposure zu reduzieren und sich mehr abzusichern, um diese Phase zu meistern.

Unsere Kernbotschaft lautet: Im aktuell quasi wahllosen Ausverkauf ist die Angst der Feind, den es zu bekämpfen gilt. Anleger sollten wachsam bleiben, aber nicht zu sehr auf die aktuellen Marktbedingungen reagieren. Unter den jetzigen Umständen könnten sich Chancen für langfristig agierende Investoren ergeben, die fundamental starke Investments, die sich langfristig auszahlen, im Blick haben. Wir haben dies in der Vergangenheit gesehen: Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich oft.

Welche potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen hat die Epidemie?

Die epidemiologischen Merkmale dieser Pandemie mit einer aktuell legen nahe, dass sich die Auswirkungen als „kurzlebig“ erweisen sollten, also auf das 1. Halbjahr beschränkt sein könnten – vorausgesetzt, der Politik-Mix ist angemessen und die fiskalischen Instrumente werden umfänglich mobilisiert.

Mit anderen Worten: Das mittelfristige Wachstumspotenzial der Volkswirtschaften ist intakt. Sobald sich die Epidemie stabilisiert hat, könnten sich die Volkswirtschaften erholen – allerdings wohl eher im zweiten Halbjahr als im zweiten Quartal. Sie könnten einen Teil des verlorenen Bodens wieder gut machen. Ausgenommen sind einige Branchen, die sich wahrscheinlich weniger schnell regenerieren, wie der Tourismus und der Luftverkehr.

Was können wir von der EZB und den Regierungen erwarten?

Europa ist derzeit der Ausbreitung des Virus stärker ausgesetzt. Zinssenkungen werden wohl den negativen Wachstumsschock nicht ausgleichen. Aber es ist falsch zu glauben, dass die Institutionen weniger Handlungsspielraum haben als in den USA. Aus unserer Sicht ist die „konventionelle“ Geldpolitik unter den gegenwärtigen Umständen relativ unwirksam. So hätte es beispielsweise keinen Sinn, die Einlagenzinsen im negativen Bereich weiter zu senken.

Die Pandemie verursacht sowohl einen Angebotsschock durch die Unterbrechung der globalen Wertschöpfungsketten als auch einen Nachfrageschock aufgrund der vielen vorbeugenden Maßnahmen. Jetzt ist es aus unserer Sicht vorrangig, den Zugang zu Krediten zu gewährleisten. Die EZB muss zeigen, dass sie bereit ist, „alles zu tun, was nötig ist“, um die Liquidität zu erhalten und die finanziellen Bedingungen stabilisieren. Die EZB verfügt über zahlreiche Instrumente und wird wahrscheinlich ihre Käufe von Vermögenswerten erheblich steigern.

Aber diese Art von Schock erfordert mehr denn je auch ein fiskalpolitisches Eingreifen. Den Regierungen stehen dabei mehrere Hebel zur Verfügung: Lohnausgleichszahlungen, Verlagerung der Ausgaben in die wirtschaftlich schwächsten Bereiche, Steuerstundungen für diejenigen, die ihre Schulden nicht bezahlen können, oder die Unterstützung von Branchen, die sich in ernsthaften Schwierigkeiten befinden, wie der Tourismussektor, das Hotel- und Gaststättengewerbe oder der Luftverkehr. Es sollte unbedingt vermieden werden, dass eine Kaskade von Unternehmensausfällen den Schock noch verstärkt.

Dies wird mit Kosten für die staatlichen Haushalte verbunden sein. Die Eurozone hat aber insgesamt ein geringeres Haushaltsdefizit als die Vereinigten Staaten; die öffentliche Verschuldung in der Eurozone nimmt tendenziell ab. Es gibt also einen Handlungsspielraum. Aber die Haushalte einiger Länder befinden sich in einer heiklen Situation. Deshalb sollte gleichzeitig die Unterstützung durch die EZB gesichert werden. Unter außergewöhnlichen Umständen hat die Europäische Kommission keinen Grund, gegen außerordentliche Maßnahmen Einwände zu erheben, und angesichts des Ausmaßes des Schocks könnte Deutschland, dessen Wirtschaft leicht in eine Rezession geraten kann, eines der ersten Länder sein, das mit gutem Beispiel vorangeht.

Unter der Voraussetzung, dass es den Regierungen und der EZB gelingt, an einem Strang zu ziehen und die Gesundheitskrise sich stabilisiert, erwarten wir nach wie vor ein U-förmiges Szenario. Dies würde die Tür zu einer deutlichen Erholung der Aktienmärkte öffnen.

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