Kommentar
14:10 Uhr, 25.05.2005

Keine Entwarnung vom ifo-Geschäftsklima

1. Das deutsche ifo-Geschäftsklima sank im Mai von 93,3 auf 92,9 Punkte. Dies ist der schlechteste Wert seit August 2003. Von Bloomberg befragte Volkswirte hatten zuletzt wie auch wir einen geringfügigen Anstieg auf 93,4 Punkte erwartet. Hinter dem Rückgang des Geschäftsklimas verbergen sich eine verbesserte Lagebeurteilung (93,4 nach 93,1 Punkten) und eingetrübte Erwartungen (92,3 nach 93,6 Punkten). Der Zeiger der von uns um den notorischen Pessimismus korrigierten ifo-Uhr bewegt sich tiefer in den sogenannten Rezessionsquadranten. Um es an dieser Stelle aber schon klarzumachen, die Kombination aus Lagebeurteilung und Geschäftserwartungen befindet sich zwar in dem von uns definierten Rezessionsvorwarnbereich, aber noch jenseits des eigentlichen Rezessionsbereichs; bislang sind die Erwartungen hierfür zu hoch.

2. Woher kommen die Zukunftsängste der Unternehmen? In den vergangenen Monaten war es die Sorge um den hohen Ölpreis, doch in den letzten Wochen hat sich die Lage am Ölmarkt deutlich entspannt. Auch Wechselkurssorgen können es kaum gewesen sein, denn der Euro wertete in den vergangenen Wochen deutlich ab. Zwei Dinge scheinen bemerkenswert. Zum einen befinden sich die Indikatoren für die Weltwirtschaft seit einigen Monaten in einer Abwärtsbewegung und wecken Befürchtungen, dass sich die Absatzmärkte der deutschen Unternehmen in den kommenden Monaten schwächer entwickeln. Zum anderen hat die „Kapitalismusdebatte“ im Befragungszeitraum eine neue Dimension erhalten. Die ursprünglich wohl wahlkampfmotivierte Kapitalismusschelte mobilisierte zunehmend die Arbeitnehmerflügel der Volksparteien, die daraufhin mehrere Aspekte der durchgeführten Reformen in Frage stellten.

3. Innerhalb der gewerblichen Wirtschaft verbesserte sich das Geschäftsklima allein im Einzelhandel. In der Bauwirtschaft verschlechterte es sich von einem für diesen Wirtschaftszweig schon „hohen“ Wert, im Großhandel und im verarbeitenden Gewerbe setzte sich die Abwärtsbewegung fort.

4. Bemerkenswert an den Maidaten ist die Tatsache, dass sich erstmalig seit dem Jahre 2001 die Geschäftserwartungen unterhalb der Lagebeurteilung befinden. Das ist eigentlich eine Kombination, die sich typischerweise in Abschwungsphasen einstellt. Für sich genommen müsste das beunruhigen, doch zwei Aspekte relativieren diese Sorge: Erstens waren die Geschäftserwartungen in den letzten Jahren tendenziell zu hoch, sonst hätte sich dieses Abschwungssignal möglicherweise schon früher eingestellt. Zweitens ist damit zu rechnen, dass sich im kommenden Monat die Ankündigung von Neuwahlen positiv auf die Erwartungen der Unternehmen auswirken wird. Nicht nur, dass eine mehr als zwölfmonatige Phase eines die Politik lähmenden Dauerwahlkampfes vermieden wird, es werden sicherlich auch Hoffnungen geweckt, dass eine neue Regierung nicht gegen den Bundesrat regieren muss und zügig weitere Reformen anpacken kann.

5. Alles in allem reiht sich das ifo-Geschäftsklima nahtlos in die Reihe schlechter europäischer Stimmungsindikatoren ein. So sanken schon die entsprechenden Indikatoren in Belgien und Italien. Die für Deutschland erhoffte Bodenbildung blieb im Mai aus. Dennoch muss man derzeit keine Rezession befürchten. Unser Bild einer ausgeprägten Konjunkturdelle bleibt unverändert bestehen. Das zweite Halbjahr sollte zum einen eine Beschleunigung der weltwirtschaftlichen Nachfrage bringen, zum anderen wird sich die Konsumaktivität vor dem Hintergrund einer technischen Besserung am Arbeitsmarkt (Abmeldungen aus der Statistik und Schaffung von Ein-Euro-Jobs) gegenüber dem Jahresanfang beleben.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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