Kapitalmarktausblick 2006
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Angetrieben von hohen Wachstumsraten in den aufstrebenden Ländern sowie einer robusten Konjunkturentwicklung in den USA setzte die Weltwirtschaft auch im Jahr 2005 ihre kräftige Aufwärtsbewegung fort. In den USA hielt die Notenbank an ihrem geldpolitischen Kurs fest und erhöhte die Leitzinsen um 200 Basispunkte schrittweise auf 4,25 Prozent. Am Kapitalmarkt führte dies jedoch nur zu einem moderaten Renditeanstieg. Im Euroraum gaben die Renditen länger laufender Anleihen erneut nach und verzeichneten im Spätsommer sogar historische Tiefstände. Mit ihrer Zinserhöhung Anfang Dezember veränderte die EZB erstmals seit zweieinhalb Jahren den Hauptrefinanzierungssatz. Die nach wie vor reichlich vorhandene Liquidität förderte auch die Nachfrage nach höherverzinslichen Anlageformen, wovon der Corporate-Bond-Markt und vor allem Anleihen aus den Emerging Markets profitieren konnten. Am Devisenmarkt gab es eine überraschende Renaissance des US-Dollar: Im Jahresverlauf wertete die amerikanische Währung kräftig auf, allein gegenüber dem Euro um rund 12 Prozent.
Weltwirtschaft weiter auf dem Wachstumspfad
Die Weltwirtschaft steht weiter unter Volldampf. Das Jahr 2005 dürfte dem Rekordjahr 2004, in dem die globale Wirtschaftsleistung um rund fünf Prozent zugenommen hatte, kaum nachstehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht für 2005 von einem Wachstum in Höhe von gut vier Prozent aus. Nennenswerte Wachstumsbeiträge stammen dabei aus nahezu allen wichtigen Regionen. Mit einem Wirtschaftswachstum von rund 10 Prozent ist China weiterhin die Konjunkturlokomotive, deren Dynamik auf den gesamten asiatischen Raum abstrahlt. Im Windschatten Chinas hat Japan, lange Zeit eines der Sorgenkinder der Weltwirtschaft, ein bemerkenswertes Comeback geschafft. Das japanische Bruttoinlandsprodukt hat im vergangenen Jahr um gut zwei Prozent zugenommen. An den Rohstoffmärkten führte die ungebrochene Nachfrage zu weiteren kräftigen Preissteigerungen. Der Ölpreis kletterte auf neue Rekordhöhen. An den Terminmärkten mussten zeitweise fast 70 Dollar pro Fass bezahlt werden. Öl- und Rohstoffexporteure wie Russland, Mexiko oder Brasilien konnten vor diesem Hintergrund erneut ganz besonders am weltweiten Aufschwung teilhaben.
Mit einer BIP-Zunahme von dreieinhalb Prozent präsentierte sich auch die US-Wirtschaft in gutem Zustand. Als Hauptpfeiler der Konjunktur erwies sich wiederum der private Konsum. Die amerikanischen Haushalte ließen sich im letzten Jahr weder von den gestiegenen Ölpreisen noch von den verheerenden Wirbelstürmen im Süden der USA nachhaltig beeindrucken. Gestützt wurde die Konsumtätigkeit dabei von einer weiteren Zunahme der Immobilienpreise, während sich die höheren Zinsen bislang kaum bemerkbar machten. Zudem wird die US-Konjunktur von einer sehr ausgabefreudigen Fiskalpolitik der amerikanischen Regierung befeuert.
Europa hinkte, trotz einiger Lichtblicke vor allem in der zweiten Jahreshälfte, auch in 2005 dem allgemeinen Trend hinterher. Während sich die Exporte begünstigt durch die Euro-Abwertung gut entwickelten und auch von der Investitionstätigkeit der Unternehmen zusehends positive Impulse ausgingen, blieb die Konsumnachfrage der privaten Haushalte überwiegend schwach. Mit einem Wachstum von knapp eineinhalb Prozent war der Euroraum im weltweiten Wachstumsvergleich das Schlusslicht. Das deutsche BIP dürfte um rund ein Prozent zugenommen haben.
Ausblick: Für 2006 ist mit einer Fortsetzung der weltwirtschaftlichen Expansion zu rechnen. Zwar könnte sich das Wachstumstempo in den USA aufgrund einer restriktiveren Geld- und Fiskalpolitik etwas verlangsamen. Demgegenüber ist in Asien eine fortgesetzte wirtschaftliche Dynamik und in Europa eine merkliche BIP-Zunahme zu erwarten. Vor diesem Hintergrund prognostiziert der IWF ein globales Wachstum in diesem Jahr von 4,25 Prozent. Zu den Risikofaktoren zählen vor allem ein erneut steil ansteigender Ölpreis, Verwerfungen an den Devisenmärkten in Folge der globalen makroökonomischen Ungleichgewichte und spürbare Preisrückgänge am US-Immobilienmarkt, welche sich zu einer echten Belastung des Konsums auswachsen könnten. Zudem dürfen auch politische Gefahren (u.a. Irak,Iran) nicht außer acht gelassen werden. Vieles spricht dafür, dass die Konjunktur im Euroraum in den kommenden Monaten an Fahrt gewinnen wird. Eine BIP-Zunahme von zwei Prozent scheint in 2006 möglich. Impulse sollten insbesondere von weiter anziehenden Investitionen der Unternehmen und einer leichten Belebung der Konsumnachfrage ausgehen. Im Außenhandel sollten die Zuwächse aufgrund der günstigen Vorjahresentwicklung eher bescheiden bleiben. Allerdings ist trotz des verbesserten gesamtwirtschaftlichen Umfelds nicht mit einer deutlichen Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt zu rechnen.
Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr ebenfalls deutlich kräftiger wachsen als in den Vorjahren. Neben den Exporten sollten sich die Investitionen zum zweiten Konjunkturmotor entwickeln. Jedenfalls deutet die Auftragslage der Industrie darauf hin. In Folge der hohen Arbeitslosigkeit, ungünstiger demographischer Trends und den anhaltenden Spannungen in den sozialen Sicherungssystemen sowie in den staatlichen Budgets ist mit einer durchgreifenden Wende beim privaten Konsum jedoch nicht zu rechnen daran dürfte auch die anstehende Fußball-WM nichts grundlegend ändern.
Zinserhöhungszyklus in den USA vor Abschluss
Die US-Notenbank setzte ihren in 2004 begonnenen Zinserhöhungskurs auch in 2005 fort. Im Jahresverlauf hob sie die Zielrate für die Fed Funds vor dem Hintergrund einer gut laufenden Konjunktur sowie steigender Inflationsraten die headline inflation lag zeitweise bei über vier Prozent, die um volatile Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kernrate bei über 2 Prozent in acht Schritten von jeweils 25 Basispunkten von 2,25 auf 4,25 Prozent an. Damit dürften die Geldmarktzinsen jetzt nahe ihrem neutralen Niveau liegen. Das lange Ende der Zinskurve zeigte sich von den Leitzinsanhebungen indes wenig beeindruckt. Die Zehnjahresrendite erhöhte sich auf Jahressicht lediglich um rund 20 Basispunkte auf immer noch vergleichsweise niedrige 4,4 Prozent. Steigende Geldmarktzinsen bei weitgehend stabilen Kapitalmarktrenditen führten zu einer immer flacheren Zinskurve. Im Dezember hatte sie erstmals sogar wieder einen inversen Verlauf. Die Rendite zweijähriger Anleihen lag kurzzeitig über der zehnjähriger Treasuries. Darin spiegelt sich nicht zuletzt die Erwartung einer leichten Konjunkturabkühlung in den kommenden Monaten wider. Zudem gab es Anzeichen für nachlassende Inflationsgefahren wie verringerten Lohnkostendruck und nachgebende Ölpreise.
Ausblick: Dem Thema Inflation dürfte auch im kommenden Jahr besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Öl- und Rohstoffpreise werden vor allem angesichts der ungebremsten Nachfrage aus den asiatischen Ländern auf hohem Niveau bleiben und damit in den USA weiterhin für eine hohe Headline-Inflation sorgen. Die um volatile Komponenten bereinigte Kernrate dürfte aber unter Kontrolle bleiben, da der Spielraum für Lohnsteigerungen zwar besteht, aber doch begrenzt sein dürfte. In diesem Umfeld hat die US-Notenbank auch unter ihrem neuen Präsidenten Bernanke zuletzt ein mögliches Ende des Zinserhöhungszyklus in Aussicht gestellt. Mit einem abrupten Strategiewechsel ist jedenfalls nicht zu rechnen, selbst wenn Bernanke als Befürworter eines expliziten Inflationsziels gilt. Spätestens bei einer Zielrate für die Fed Funds von rund fünf Prozent sollte der Zinserhöhungskurs dann aber in der ersten Jahreshälfte ein Ende finden. Im Sog der Zinserhöhungen sollten auch die Treasury-Renditen noch etwas anziehen. Ein Überqueren der 5-Prozent-Marke ist jedoch eher unwahrscheinlich. Die Zinskurve bleibt damit sehr flach.
EZB: Vorsichtige Straffung der Geldpolitik
Am 1. Dezember 2005 hat die Europäische Zentralbank ihre schon rund zweieinhalb Jahre andauernde zinspolitische Abstinenz beendet und den Hauptrefinanzierungssatz von 2,0 auf 2,25 Prozent angehoben. Erhöhter Inflationsdruck die Teuerungsrate entfernte sich in der zweiten Jahreshälfte spürbar von dem EZB-Zielwert von knapp unter zwei Prozent sowie verbesserte Konjunkturaussichten waren aus Sicht der Währungshüter die Grundlage für diesen Schritt. Allerdings scheinen die Marktteilnehmer damit nicht gerade konform zu gegen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Kapitalmarktrenditen auch im Jahr 2005 auf dem Rückzug waren. Binnen Jahresfrist gaben die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen nochmals um rund 40 Basispunkte nach und lagen zum Jahresende bei mageren 3,3 Prozent. Im Spätsommer lagen sie kurzzeitig sogar auf einem historischen Tief von nahe drei Prozent. Auf das Gesamtjahr bezogen hat sich die Zinskurve damit auch im Euroraum merklich verflacht. Mit dauerhaft hohem Wirtschaftswachstum bei wachsenden Inflationsgefahren wird am Markt nicht unbedingt gerechnet.
Ausblick: Es scheint keine allzu gewagte Prognose, dass die EZB angesichts des bestehenden Inflationsdrucks nach Jahren des Stillhaltens in nächster Zeit wieder an der Zinsschraube drehen wird. Als Warnung vor möglichen Zweitrundeneffekten und um der Verfestigung von Inflationserwartungen entgegen zu treten, haben führende Notenbanker bereits im Zusammenhang mit dem ersten Zinsschritt die Rhetorik deutlich verschärft. Den Worten dürften aus unserer Sicht auch weitere Taten folgen. Die EZB wird dabei aber weiterhin sehr vorsichtig vorgehen, da das Konjunkturumfeld nach wie vor nicht gänzlich gefestigt erscheint. Daran ändert auch der spürbar verbesserte makroökonomische Datenkranz nichts. Da auf Jahressicht mit einer etwas anziehenden Konjunkturdynamik zu rechnen ist, dürfte es auch zu einem überschaubaren Renditeanstieg am langen Ende kommen. Ein Überqueren der 4-Prozent-Marke im Zehnjahresbereich ist jedoch nicht in Sicht. Die Renditedifferenz zu US-Anleihen bleibt damit in etwa erhalten.
Wende am Devisenmarkt?
Der Euro stabilisierte sich zum Jahresende auf einem Niveau von 1,18 US-Dollar. Im Jahresverlauf hat er damit rund 16 Cent gegenüber dem Dollar eingebüßt. Die zu Jahresbeginn 2005 vielfach geäußerten Prognosen, wonach die amerikanische Währung ihren Sinkflug aus dem Vorjahr fortsetzen würde, haben sich damit nicht bewahrheitet. Topthema am Devisenmarkt war die wachsende Zinsdifferenz zwischen den USA und dem Euroraum, die sich schließlich auf 200 Basispunkte ausweitete. Während die US-Notenbank kontinuierlich die Leitzinsen anhob, rang sich die Europäische Zentralbank erst am Jahresende zu einem solchen Schritt durch. Zudem fand im Rahmen des Homeland Invest Act eine starke Repatriierung amerikanischer Auslandsanlagen statt, was den Dollar zusätzlich unterstützte. Dagegen spielte das US-Leistungsbilanzdefizit, obgleich es neue Rekordhöhen verzeichnete, keine entscheidende Rolle.
Ausblick: Auf Dauer könnte das Thema Zwillingsdefizit in Leistungsbilanz und öffentlichem Etat wieder an Gewicht gewinnen. Zwischenzeitlich deutete sich beim Budget zwar eine Entspannung an, in Folge der verheerenden Schäden durch die jüngste Hurrikansaison nahmen die Belastungen für den US-Bundeshaushalt indes wieder deutlich zu. Hinzu kommen die hohen Kosten für die US-Streitkräfte im Irak. Das Leistungsbilanzdefizit wird zurzeit nicht als USD-Problem angesehen, da ein Ausgleich durch Kapitalzuflüsse erfolgt. Ob der Euro vor diesem Hintergrund an Boden gutmachen kann, hängt aber nicht zuletzt davon ab, ob eine Überwindung der Wachstumsschwäche der Eurozone wahrscheinlicher wird. Sollte dies zumindest ansatzweise gelingen, wofür zurzeit einiges spricht, ist auch eine kräftige Gegenbewegung im EUR-USD-Verhältnis nicht auszuschließen. Das Thema Zinsdifferenz dürfte in diesem Jahr hingegen nicht mehr so eindeutig für den US-Dollar sprechen, da die FED in absehbarer Zeit den Erhöhungszyklus beenden wird, die EZB aber gerade erst damit begonnen hat.
Emerging Markets mit Rekordjahr
Unter allen Rentensegmenten erzielten Anleihen aus den Schwellenländern (Emerging Market Bonds) im Jahr 2005 das mit Abstand beste Ergebnis. Auf Indexebene (gemessen am EMBI+) verringerte sich der Bonitätsaufschlag gegenüber amerikanischen Staatsanleihen nochmals um gut 100 Basispunkte auf ein Rekordtief von knapp 250 Basispunkten. Auf der Suche nach überdurchschnittlichen Renditen in einem globalen Niedrigzinsumfeld wurden viele Investoren in den Emerging Markets fündig. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten der meisten Schwellenländer haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Begünstigt durch steigende Öl- und Rohstoffpreise sowie Strukturreformen im Innern erhöhten sich die Wachstumsraten teilweise beträchtlich. Die Verschuldung konnte vor diesem Hintergrund in vielen Fällen deutlich reduziert werden. Von den Rating-Agenturen wurde daraufhin die Kreditwürdigkeit erhöht, was mit Kursgewinnen an den jeweiligen Bondmärkten einher ging. Die verbesserten Rahmenbedingungen nutzte eine Reihe von Regierungen, verstärkt Anleihen in lokaler Währung zu emittieren. Diese entwickelten sich auf Jahressicht noch besser als die auf US-Dollar oder Euro lautenden Schuldverschreibungen. Anzeichen für signifikante Spreadausweitungen sind derzeit nicht in Sicht.
Ausblick: Ein kräftiges globales Wachstum, anhaltend hohe Rohstoffpreise sowie reichlich vorhandene Liquidität minimieren auch für das kommende Jahr die Rückschlaggefahren. Da in Lateinamerika im kommenden Jahr eine Reihe von Wahlen ansteht, könnte es jedoch temporär zu einer erhöhten Volatilität kommen. Nachhaltige Belastungen sind dadurch jedoch nicht in Sicht. Weitere leichte Spreadeinengungen auf Indexebene sind durchaus möglich. Wir rechnen in den Emerging Markets dabei mit einer Fortsetzung des Trends zur Emission von Anleihen in lokaler Währung. Da die Zinsen im Gegensatz zu der Entwicklung in den Industrieländern in vielen Schwellenländern noch sinken werden, bieten sich hier Chancen auf Kursgewinne. Gleichzeitig bleibt das Bondangebot wegen des beschränkten Refinanzierungs-bedarfs auf einem eher niedrigen Niveau, sodass von der Angebotsseite kein Druck auf die Kurse ausgeht. Zunehmend wichtiger wird in den Emerging Markets das Thema Unternehmensanleihen, auf die ein wachsender Anteil des Marktvolumens entfällt. Dass der Markt für Schwellenländeranleihen insgesamt reifer geworden ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Derivate wie Credit Default Swaps zunehmend auch für größere Handelsvolumina verfügbar sind. In einem Umfeld mit weiterhin eher niedrigen Renditen bleiben Schwellenländeranleihen eine wichtige Anlagealternative.
Quelle: Union Investment
Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 122 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende Dezember 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.
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