Kommentar
16:16 Uhr, 13.06.2023

Kann sich die Fed eine Zinspause überhaupt leisten?

Wie auch immer man es nennt, ob Pause oder Auslassen eines Zinsschrittes, es wird am Mittwoch kein Zinsschritt erwartet. Manche sehen das als großen Fehler an. Wieso?

Die US-Wirtschaft widersetzt sich den Zinserhöhungen bisher konsequent. Das war vor einem Jahr nicht zu erwarten. Auf Jahressicht ist der Leitzins um fast fünf Prozentpunkte gestiegen. Das gab es bisher nur im Zinserhöhungszyklus in der ersten Hälfte der 70er und Anfang der 80er Jahre (Grafik 1).

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Im Gegensatz zu damals ist die Inflation heute tiefer und nicht zweistellig. Viel wesentlicher ist aber, dass sowohl Staat als auch Unternehmen und Haushalte deutlich geringer verschuldet waren. Bei hoher Verschuldung und rasch steigenden Zinsen wird die Zinslast schnell erdrückend.

Umso bemerkenswerter ist es, dass Staat, Unternehmen und Haushalte immer noch konsumieren und investieren. Selbst der Immobilienmarkt sendet Lebenszeichen, obwohl Hypothekenzinsen bei 6-7 % stehen. Gleichzeitig sind Wohnimmobilien noch immer teuer. Dass der Markt bei dieser Mischung nicht zusammenbricht, gleicht einem Wunder.

Die Gesamtwirtschaft wächst und wächst. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Zinserhöhungen hätten keinen Effekt. Das haben sie zum Teil tatsächlich nicht. Nach Beginn eines Zinserhöhungszyklus bleiben Konsum und Wachstum noch mehrere Monate robust. Ein Jahr nach Beginn des Zyklus beginnt die Schwäche.

Beim Güterkonsum fällt das Wachstum nach einem Jahr langsam und fällt nach knapp zwei Jahren in den negativen Bereich (Grafik 2). Aktuell zeigt sich eine Stabilisierung. Dass der Realkonsum derzeit negativ ist, hat mit den vorgezogenen Warenkäufen während der Pandemie zu tun. Das neue Sofa oder der neue Fernseher ist gekauft. Man braucht nicht gleich den nächsten.

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Beim Dienstleistungskonsum zeigt sich derzeit eine Beschleunigung. Das ist im Vergleich zum durchschnittlichen Verlauf untypisch. Bis zu einem gewissen Grad findet noch ein Nachholeffekt statt. Das ist aber nicht der einzige Grund.

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US-Haushalte haben immer noch 600 bis 900 Mrd. USD an überschüssig Erspartem. Als die Pandemie Konsum verhinderte und der Staat Geldgeschenke verteilte, stieg der Sparbetrag. Jetzt wird weniger gespart als vor der Pandemie üblich. Der Überschuss wird langsam abgebaut (Grafik 4). Bis der Überschuss vollständig abgebaut ist, dauert es noch bis Ende 2024 oder sogar bis 2025.

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Nicht jeder Haushalt hat noch Überschüsse. Höhere Einkommenssichten hingegen können auf den Überschuss zurückgreifen – und sie tun es. Der Konsum ist daher durch Zinserhöhungen kaum zu bremsen. Ähnlich verhält es sich bei Investitionen in Wohnimmobilien.

Damit Zinsen das bewirken, was sie bewirken sollen, müssen sie höher sein als in früheren Zyklen. Ein Aussetzen der Zinserhöhungen wird daher von einigen als Fehler eingestuft. Man kann zwar mit höheren Zinsen gegen Rücklagen vorgehen, riskiert dann aber später einen Einbruch. Persönlich favorisiere ich Geduld. Zinsen jetzt weiter zu erhöhen, lässt die Wirtschaft zu einem späteren Zeitpunkt nur tiefer fallen. Das aufzuräumen ist schwieriger, als jetzt geduldig zu sein.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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