Kommentar
16:16 Uhr, 26.10.2023

Kann hohe Staatsverschuldung zu einem Zinsdeckel führen?

Viele Faktoren führen derzeit zu einem Zinsanstieg. Ein Faktor ist die hohe Verschuldung in vielen Ländern. Führt dies paradoxerweise zu einem Zinsdeckel?

Die globale Staatsverschuldung ist aktuell so hoch wie noch nie. Der Internationale Währungsfonds veröffentlicht eine Zeitreihe mit der Verschuldung von entwickelten Ländern und Emerging Markets, die bis in das Jahr 1800 zurückreicht. Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Verschuldung anzusteigen, erst durch den Ersten Weltkrieg, dann die Große Depression und zuletzt den Zweiten Weltkrieg. Bis in die frühen 70er-Jahre wurde die Verschuldung reduziert. Seither steigt sie konsequent an (Grafik 1).

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Überall auf der Welt ist die Verschuldung hoch. Über alle Ländergruppen hinweg ist sie sogar so hoch wie noch nie. Im Unterschied zu den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sind Boomjahre und eine günstige demografische Entwicklung nicht abzusehen. Aus den Schulden herauszuwachsen, ist schwierig.

Bei hoher Verschuldung sind höhere Zinsen besonders problematisch. Ein Prozentpunkt höhere Zinsen bedeuten in vielen Ländern Mehrausgaben für die Zinsen in der Höhe von 1-1,5 % der Wirtschaftsleistung. Um sich dies leisten zu können, müssten alle anderen Ausgaben um 2-5 % sinken. Staatsausgaben, die um 5 % sinken, sind kaum vorstellbar. Eindrücklich zeigen dies die USA. Die Staatsfinanzen sind nicht nachhaltig. Jeder weiß es. Alle ignorieren es souverän.

Damit es nicht zum Teufelskreis kommt und höhere Zinsen nur durch noch höhere Schulden finanziert werden können, die wiederum zu höheren Zinsen führen, muss etwas geschehen. Ausgabendisziplin ist nicht erkennbar. Um diese zu erzwingen, ist die Lage noch nicht dramatisch genug. Ist die Lage erst dramatisch, kann die Notenbank aushelfen. Es wäre nicht das erste Mal.

Die längste und konsistenteste Datenbasis gibt es für Großbritannien und die USA. Großbritannien hat drei große Zyklen durchgemacht. Während des ersten Zyklus waren die Zinsen praktisch festgesetzt (Anfang des 19. Jahrhunderts). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor allem während des Zweiten Weltkrieges, hielt die Notenbank die Zinsen auf niedrigem Niveau (Grafik 2). Um den aktuellen Zyklus zu beurteilen, ist es noch zu früh.

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In den USA zeigt sich ein ähnliches Bild. Hohe Verschuldung führt nicht automatisch zu höheren Zinsen. Ist die Verschuldung hingegen nicht mehr tragfähig, wie während des Zweiten Weltkrieges, setzt die Notenbank die Zinsen für Anleihen auf niedrigem Niveau fest. Im Notfall kauft die Notenbank Anleihen, um die Rendite zu garantieren.

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Es verwundert daher nicht, dass sowohl in Großbritannien als auch in den USA die Notenbankbilanz mit der Verschuldung wächst. In den USA ist die Zeitreihe kürzer, da die Notenbank erst 1913 gegründet wurde (Grafiken 4 und 5). Die Bilanzsumme folgt der Verschuldung. Schon immer haben Notenbanken mehr oder weniger direkt interveniert.

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Anleger können auch dieses Mal darauf zählen, dass die Notenbank eine Schuldenkrise nicht zulassen wird. Was Anleger nicht wissen, ist der Zeitpunkt bzw. das Renditeniveau, ab dem Notenbanken eingreifen. In den USA übersteigen die Zinsausgaben wohl erst Ende des laufenden Jahrzehnts das bisherige Rekordhoch von 3,2 % der Wirtschaftsleistung aus dem Jahr 1990 (Grafik 6).

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Im Gegensatz zu damals steigt die Verschuldung und stabilisiert sich nicht. Die Notenbank könnte früher nervös werden. Früher heißt z.B. 2028. Es heißt nicht, dass die Notenbank höheren Anleiherenditen bereits 2024 oder 2025 entgegentritt. Wer darauf wettet, dass das derzeitige Renditeniveau wegen hoher Verschuldung schon jetzt gedeckelt ist, irrt. Davon sind wir Jahre entfernt.

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  • masi123
    masi123

    In den USA hat sich die die Staatsverschuldung seit (~15 Jahre) der Finanzkrise verdreifacht, auf nun über 33 Billionen(!) USD. Dies geht einher mit der gewaltigen Bilanzerweiterung der FED. Die Geldmengenaufblähung führte zunächst zu einer Vermögenspreisinflation (z.B. Aktien, Immobilien), die nun in die Verbraucherinflation übergeht wird (v. a. über Mieten, Pachten).

    Falls das Zinsniveau längere Zeit auf diesem Niveau oder höher bleibt und nach und nach die gesamten Staatsschulden zu diesem Zinssatz (~5 %) verzinst werden müssen, betrüge alleine die Zinslast in wenigen Jahren 2 Billionen USD. Dies sprengt jeden soliden Haushaltsentwurf und ist nur über weitere Neuverschuldung möglich. So ist schon heute in den USA das geplante Haushaltsdefizit für 2023 bei 1,6 Billionen USD.

    Da die Staatsausgaben auch einen Großteil der Wirtschaftsleistung ausmachen ist es eine Quadratur des Kreises, Verschuldung und Inflation unter Kontrolle bringen zu wollen.

    Letztlich funktioniert das Ganze nur, solange die entscheidenden Finanzakteure dies tolerieren bzw. die Verbraucher das Vertrauen in die Währung nicht verlieren. Wie lange das der Fall ist kann wohl niemand voraussagen. Und es hat auch schon Zeiten von Hyperinflation gegeben.

    17:50 Uhr, 27.10.2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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