Kommentar
10:16 Uhr, 18.01.2019

Kann Geld verdienen so einfach sein?

Wer glaubt, dass man heutzutage komplexe Algorithmen oder Trading-Systeme braucht, um hohe Renditen zu erzielen, liegt falsch. Es geht sehr viel einfacher.

Die Börse hält immer wieder Überraschungen bereit. Wenn man als Anleger einmal einen Bärenmarkt durchgemacht hat, lernt man viel und hält sich für das nächste Mal optimal vorbereitet. Wenn der Drawdown dann kommt, stellt man fest, wie sehr man sich geirrt hat. Das Kursgeschehen ähnelt sich zwar immer wieder, ist dann am Ende aber doch schwerer vorherzusagen als man glaubt. Nicht zuletzt deswegen halten sich manche Anleger recht penibel an Börsenregeln, die zu funktionieren scheinen. Dazu gehören Regeln wie „Sell in May.“ In vielen Jahren funktioniert das. Wer im Mai verkauft, erspart sich häufig eine Korrektur. 2018 hat das in Europa gut funktioniert. In den USA hätte man das Beste verpasst.

Auch die Jahresendrally, die ziemlich zuverlässig kommt, fiel 2018 aus. Wer im Mai verkauft hat und erst im September zurück an die Börse ging, hat genau das Falsche gemacht. Der Aufwärtstrend wurde verpasst und die Korrektur voll mitgemacht.

Börse ist also wirklich nicht so einfach. Ausnahmen zur Regel können teuer sein. Zum Glück gibt es ein Phänomen, welches überdurchschnittliche Renditen verspricht - mit hoher Zuverlässigkeit. Es handelt sich dabei um den Turn-of-the-month-effect (TOM). Hier werden Aktien zwei Tage vor Ende eines Monats gekauft und am Ende des zweiten Handelstags des nächsten Monats verkauft.

Die überdurchschnittliche Rendite dieser Tage kann sich sehen lassen. Grafik 1 zeigt die durchschnittliche Tagesperformance dieser 4 Tage seit 1900. Die Rendite ist im langjährigen Durchschnitt nur sehr selten negativ und übersteigt die Rendite aller anderen Tage um ein Vielfaches.

Wer nur 4 Tage pro Monat investiert ist, verpasst über die Jahre wenig (Grafik 2). Dargestellt ist der S&P wie wir ihn kennen und der S&P, wenn man nur die Performance der 4 Tage berücksichtigt. Den gigantischen Drawdown der Großen Depression hat man sich erspart. Ebenso den Bärenmarkt um die Jahrhundertwende und 2008.

Seit 2008 ist aber etwas geschehen, das es so nur selten zuvor gab. Man kommt mit der Handelsstrategie seit Jahren nicht mehr so recht vom Fleck. Der TOM Effekt ist kaum noch existent. Gewiefte Anleger haben dafür eine Lösung gefunden. Sie investieren nun 4 Tage vor Monatsende und halten im neuen Monat 3 Tage. Dann funktioniert das Ganze noch.

Man kann das System so lange bearbeiten, bis es passt. Das bedeutet allerdings nicht, dass es auch in Zukunft funktionieren wird. Phänomene wie der TOM Effekt ebben früher oder später ab und verschwinden für eine Zeit lang. Aktuell hat man mit dem System keine Freude.

Der Effekt wird immer wieder ausführlich untersucht. Es gibt bisher keine stichhaltige Erklärung dafür, weshalb es diesen Effekt gibt.

Auf den ersten Blick kann Geld verdienen sehr leicht sein. Auf den zweiten Blick bleibt Börse aber schwierig. Phänomene wie der TOM-Effekt sind keine solide Strategie.

Autor: Clemens Schmale

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Berücksichtigt dabei die Transaktionskosten, die Spreads und die Tatsache, dass man die höchsten und tiefsten Punkte bestenfalls zufällig einmal erwischt, dürfte die Vorgehensweise schnell negative Renditen abwerfen.

    11:55 Uhr, 18.01.2019

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