Kaffee: Ungewisse Zukunft
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Kaffee hat eine bewegte Vergangenheit. Das aus den Bohnen des Kaffeestrauches gewonnene Getränk wird heute von Millionen Menschen in den reichen Industrieländern getrunken, und die Nachfrage wächst kräftig mit Zuwachsraten, die der Hälfte des Weltwirtschaftswachstums entsprechen. Trotzdem befinden sich die Kaffeepreise auf einem niedrigen Niveau, der den Produzenten kaum ein Auskommen schafft. Aus Sicht der Charttechnik lassen sich aber für die nächsten fünf bis zehn Jahre überdurchschnittlich starke Preissteigerungen bei Kaffee der edlen Arabica-Sorte in New York ableiten. Aus fundamentaler Sicht besteht aber aktuell kaum Hoffnung darauf, dass die Preise nun doch endlich nachhaltig nach oben drehen.
Die New York Board of Trade, der größte Handelsplatz für Kaffee der Welt, ist ein traditionsreicher Ort. Seit mehr als 100 Jahren wird hier Kaffee gehandelt. Heute treffen hier Traditionen auf die Moderne, der damals größtenteils noch mit Handzeichen und lauten Rufen abgewickelte Handel mit Terminkontrakten läuft heute voll elektronisch, der Parketthandel steht nur noch einer ausgewählten Zahl von Handelshäusern zur Verfügung. Die Globalisierung hat hier längst Einzug gehalten, den größten Schritt tat die Nybot in diesem Jahr durch die Fusionierung mit der IntercontinentalExchange, kurz ICE. Die Preise, die hier am Morgen elektronisch bestimmt werden, schießen ohne Zeitverzögerung durch Telefonleitungen unter den Meeren hindurch und tauchen auf im Hafen von Hamburg und in den modernen Bürotürmen von Miami, wo sie auf den Computerbildschirmen der Händler erscheinen, erklimmen das Hochland von Kenia und die Berge Ugandas, wo schwielige Hände sie mit Kreide auf schwarze Tafeln schreiben - diese Zahl, an der das Schicksal ganzer Volkswirtschaften hängt und die doch nichts weiter beziffert als den aktuellen Weltmarktpreis eines Pfunds blassgrüner Bohnen.
Unorganisierte Anbieter vs. Oligopole im Westen
Die Weltmarktstruktur bei Kaffee ist schnell erklärt: Der Anbau geschieht vorwiegend in armen Ländern entlang des Äquators, mehreren Millionen meist in Familienbetrieben organisierten Kaffeeproduzenten in vielen Ländern der Erde steht ein konzentrierter Handel gegenüber. Auch die Röstung in den Industrieländern wird von wenigen Großunternehmen dominiert. Auf der Angebotsseite können nur die großen Produzentenländer wie Brasilien und Kolumbien den Markt beeinflussen, alle anderen fallen unten durch und stehen in erbittertem Wettbewerb zu einander. Jeder versucht so viel wie möglich zu verkaufen, zu möglichst guten Preisen. Doch die Computer in New York registrieren jede Veränderung der Exporte aus den Produzentenländern mit chirurgischer Genauigkeit, jede zusätzliche Menge wird mit fallenden Preisen quittiert.
Weltgrößte Kaffeeproduzenten:
Land |
Weltmarktanteil |
Produktion 2005/06* |
Brasilien |
31% |
32,9 |
Kolumbien |
11,1% |
11,9 |
Vietnam |
10,3% |
11 |
Indonesien |
7,1% |
7,6 |
Indien |
4,3% |
4,6 |
Äthopien |
4,2% |
4,5 |
Mexiko |
3,7% |
4 |
Guatemala |
3,4% |
3,6 |
Honduras |
2,7% |
2,9 |
in Mio. Bags
Quotensystem scheiterte
Ein Quotensystem, das einst das Angebot der im vollkommenen Wettbewerb zueinander stehenden Produzenten regulieren sollte, scheiterte, da es nur die Symptome der Überproduktion, nicht aber deren Ursache bekämpfte. Vielmehr noch, es verfestigte sogar die Rahmenbedingungen, die eine zunehmende Überproduktion ermöglichten. 1989 brach das Quotenabkommen zusammen. Die Weltmarktpreise für Arabica-Kaffee sanken in den Jahren von 1988 bis 1990 um 32%, für Robusta-Kaffee sogar um 42%.
Seither führten nur noch Fröste, die alle paar Jahre in Brasilien auftreten können, zu kurzfristigen Preisspitzen. Immer wieder fielen die Preise nach diesen Preisspitzen aber wieder auf ihre alten Niveaus ab. Grund hierfür ist vor allem, dass die Produzentenländer, die nicht mehr an Quoten gebunden sind, ihre Produktionsmenge nach Belieben erhöhen können, sodass frostbedingte Ernteausfälle in Brasilien oft schon im nächsten Jahr wieder ausgeglichen werden können. Der zunehmende Einsatz des technisierten Kaffeeanbaus führt außerdem dazu, dass die Produktionsmenge insgesamt weiter ansteigt.
China-Faktor spielt keine Rolle
In anderen Worten: Die gesättigten Industrieländer werden mit Kaffeebohnen überflutet; der Mangel von Organisationsstrukturen in den Produzentenländern führt dazu, dass die Kaffeeproduktion fast jedes Jahr über der weltweiten Verbrauchsmenge liegt, was zu steigenden Lagerbeständen und weiter fallenden Preisen führt. Der China-Faktor, der bei vielen anderen Rohstoffen zu Preissteigerungen führte, spielt bei Kaffee indes keine Rolle. China ist, wie einst auch Japan, ein traditionelles Teetrinkerland. Kaffee wird dort nur gebraucht, um ihn in den boomenden Großstädten westlichen Geschäftskunden zu servieren, die Chinesen selbst meiden Kaffee. Auch ein Fonds, den die Internationale Kaffeeorganisation ICO, der alle wichtigen Kaffeeproduzenten und –abnehmer angehören, zur Vermarktung von Kaffee in Ländern wie Russland und China auferlegte, zeigte bisher nur mäßigen Erfolg. In diesen Ländern herrschen zum einen andere Konsumgewohnheiten vor, zum anderen fehlt es größtenteils an Kaufkraft. Die Hoffnung auf die stark steigende Nachfrage aus Fernost dürfte sich also so schnell nicht erfüllen.
Wohlgemeinte Bemühungen
Doch es gibt zahlreiche Maßnahmen, die zur Erhöhung der Einnahmen durch den Kaffeeanbau in den Produzentenländern führen sollen. Dazu zählt auch die Verlagerung von Kaffeeröstereien in die Produzentenländer, was jedoch wegen der Etabliertheit der großen Röstereien in Europa und den USA nicht zu schnellem Erfolg führen wird. Viel versprechender ist da schon der Ansatz der Förderung hochqualitativen Kaffees und von Kaffeespezialitäten. In diesem Segment, das weis Howard Schultz, der Chef der weltweiten Kaffeekette Starbucks, droht eine Mangelversorgung des Marktes. Besonders in den USA, aber auch in zunehmendem Maße in Europa, sind Kaffeespezialitäten in Mode. Sie werden aber wenn überhaupt dann nur einer ausgewählten Zahl von Produzenten, die das Glück besitzen, vertragliche Lieferverträge mit Starbucks und anderen Kaffeeabnehmern geschlossen zu haben, helfen.
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Für den Anleger bedeutungslos
Für den Anleger sind diese Bemühungen eigentlich bedeutungslos, da er Kaffeespezialitäten nicht handeln kann, sondern nur zwischen Robusta in London und Arabica in New York wählen kann. Und beides sind Massenmärkte, deren zahlenmäßig nicht erfassbare Kleinstproduzenten von Jahr zu Jahr ein schwer bestimmbares Angebot an den Markt bringen können. Die Überraschungen sind dann immer groß, wie auch in diesem Jahr. Anfang des Jahres wurde Arabica-Kaffee als Favorit unter den Soft-Commodities genannt, zugegebenermaßen auch von uns im Rohstoff-Report. Es sollte das zweite Jahr in Folge einem Rückgang der weltweiten Kaffeevorräte kommen, was dann so aber nicht eintrat. Die Produktionsmenge lag im Erntejahr von September 2006 bis Oktober 2007 nicht wie erwartet bei 116 Millionen Bags (60-Kilogramm je Stück) – sondern bei 121,65 Bags und somit über der Weltnachfrage von 120,39 Millionen Bags. Daraus resultiert, wie soll es auch anders sein, ein wieder steigender Lagerbestand. Es ist schwer vorstellbar, dass es in diesem Marktumfeld zu nachhaltig steigenden Kaffeepreisen kommen könnte. Trotzdem sieht die Charttechnik auf langfristige Sicht einen steigenden Kaffeepreis, und vielleicht ist die internationale Kaffeeorganisation ICO ja dann doch erfolgreich mit ihren Maßnahmen, die Produzentenländer zu organisieren und den Kaffeepreis auf einem höheren Niveau zu stabilisieren. Denn immerhin gibt es wieder Versuche, die Produktionsländer mit ökologischem Kaffeeanbau zu organisieren – ein Thema, das eine wachsende Zahl von Kaffeeabnehmern in den Industrieländern interessiert, da sie sich selbst beim Endkunden mit „Bio-Kaffee“ bei der Vermarktung vom Wettbewerb abheben können. Und wer weis, möglicherweise werden die Chinesen und Inder ja auch einmal zu Kaffeetrinkern. Unmöglich ist das nicht, wenn man bedenkt, dass auch Japan einst ein traditionelles Teeland war, heute aber zu den größten Kaffeekonsumenten der Erde gehört.
Weitreichende Kursziele
Meine Kollegen von godmode-trader.de führen für Arabica-Kaffee ein langfristiges Kursziel von „jenseits der 300 cents“. Dieses würde dann aktiviert, wenn die Marke von 137 cents nachhaltig nach oben verlassen werden könne. Auch der Preisrückgang der letzten Wochen passe in dieses Gesamtbild. Der Preis für ein Pound Arabica-Kaffee ist seit Sommer von über 140 cents auf zuletzt 121 cents zurückgefallen. „Typisch ist, dass diese Pullbackbewegung einen überschießenden Charakter trägt“, so godmode-trader.de in der aktuellen Chartanalyse. Hier gebe es nun die Möglichkeit eines Einstiegs in Arabica-Kaffee. „Kursrücksetzer bieten die Möglichkeit in einen übergeordneten Trend mit einem verbesserten Chance/Risiko Verhältnis einzusteigen. Diese könnten zum strategischen Aufbau von Longpositionen dienen. Es besteht die Möglichkeit, dass der Future unter mittelfristigen Aspekten weiter ansteigen wird.“ Wenn Sie den Kaffeepreis in Echtzeit beobachten und selbst charttechnisch auswerten möchten, klicken Sie auf den unten stehenden Chart. Sie gelangen dann auf den kostenlosen Godmode-Profichart zu Kaffee.
Quelle: Rohstoff-Report
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