K: Neuemissionen beleben deutschen Aktienmarkt
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Externe Quelle: Bankgesellschaft Berlin
Neuemissionen beleben deutschen Aktienmarkt
Nach zweijähriger Flaute scheint sich das Geschäft mit Neuemissionen in Deutschland allmählich zu erholen. Nach deutlich mehr als 100 Neuemissionen in den Jahren 1999 und 2000 war die Zahl der Börsengänge in den folgenden Jahren dramatisch gesunken. Im Zuge der mehrjährigen Baisse auf dem Aktienmarkt war das Geschäft Ende 2002 völlig zusammen gebrochen. Seit November 2002 gab es in Deutschland keine einzige Neuemission. Die jüngste Ankündigung gleich einer ganzen Reihe von Neuemissionen für den weiteren Jahresverlauf 2004 weckt bei Marktbeobachtern die Befürchtung, dass damit die Aktienmärkte ihren Höhepunkt überschritten haben könnten.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt tatsächlich eine gewisse Parallelität zwischen Börsengängen und allgemeiner Entwicklung des Aktienmarktes. Es ist wenig erstaunlich, dass sich Unternehmen bevorzugt in einem positiven Umfeld an die Börse wagen. Daher steigt die Zahl der Neuemissionen in der Regel an, nachdem sich die Aktienmärkte bereits einige Zeit positiv entwickelt haben. Die zeitliche Verzögerung zwischen der Entwicklung der Aktienindizes und den IPOs dürfte aber auch mit dem zeitlichen Vorlauf zusammenhängen, den eine Börseneinführung erfordert.
Die Zahl der Neuemissionen in Deutschland erreichte in den Jahren 1984, 1986 und 1989/1990 einen hohen Stand. In diesen Jahren wurde im Vorjahresvergleich auch eine hohe DAX-Performance erzielt. Im Jahr 1992, als nur neun Unternehmen an die deutsche Börse gingen, lag auch der DAX im Minus. Der Boom Ende der 90er Jahre schließlich führte zu einer für Deutschland nie zuvor gesehenen Zahl an IPOs. In den Jahren 1998 biss 2000 kamen insgesamt 396 Unternehmen an die Börse (zum Vergleich 1980-1997: 305). Vor allem in der Spätphase der Hausse kam es bei sehr hoher Bewertung des Aktienmarktes zu einer Überhitzung. Die Aussicht auf einen Börsengang, bei dem ihre Aktien weit über dem fairen Wert zu verkaufen waren, lockte auch zahlreiche Unternehmen an, die eigentlich nicht börsenfähig waren.
Für das laufende Jahr rechnen wir mit 10 bis maximal 15 Neuemissionen in Deutschland. Dies würde eine Normalisierung des mehr als ein Jahr lang brachliegenden Emissionsgeschäftes bedeuten. Ein Indiz für ein Ende des jüngsten Kursanstiegs oder eine hohe Bewertung der deutschen Börse insgesamt können wir darin nicht erkennen.
Nach der "Boom-and Bust-Phase" ist nun die Rückkehr zu einer "ganz normalen" Entwicklung zu beobachten. Dies steht im Einklang mit unserer Einschätzung von Konjunktur und allgemeiner Börsenentwicklung. Nach den Übertreibungen - zuerst nach oben und dann nach unten - kommt es jetzt zu einem "ganz normalen" Konjunkturzyklus: angefangen bei anziehenden Exporten über eine zunehmende Investitionsnachfrage bis letztlich zu einer Belebung des Konsums. Die Börse antizipiert diese Erholung. Weitere Aktienkursanstiege sind aufgrund der immer noch günstigen Bewertung zu erwarten. In dieser Phase kann auch die "ganz normale" Zahl von 10 bis 15 Neuemissionen absorbiert werden.
Im Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre gab es in Deutschland rund 16 Börsengänge pro Jahr. Die ersten Jahrzehnte halten wir aber nicht für repräsentativ, da der Aktienmarkt als Finanzierungsquelle für die deutschen Unternehmen seit den 80er Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Für den Zeitraum seit 1980 liegt die durchschnittliche jährliche Zahl an Börsengängen bei knapp 31. Klammert man hier die drei Boomjahre 1998 bis 2000 mit übersteigerter Emissionsaktivität aus, liegt der Durchschnitt wiederum nur bei 16 Börsengängen p.a. Die für das laufende Jahr erwartete Zahl an IPOs in Deutschland liegt demnach unter dem langjährigen Durchschnitt.
Die ersten Unternehmen, die nach der Flaute den Gang an die Börse wagen, unterscheiden sich stark von denen während des Emissionsbooms. Anstelle zahlreicher Unternehmen kleiner und mittlerer Größe vor allem aus dem Tech-Bereich stammen die Kandidaten dieses Jahres zum guten Teil aus traditionellen Branchen; in den meisten Fällen handelt es sich um größere und bekannte Unternehmen mit bewährtem Geschäftsmodell.
Die wichtigsten Börsengänge 2004 im Überblick
Der größte Börsengang im laufenden Jahr wird die Postbank sein. Sie ist mit 11.5 Mio. Kunden die größte Retail-Bank Deutschlands (vor der Deutschen Bank mit 8.4 Mio. Kunden). Im Herbst will die Deutsche Post voraussichtlich 49% ihrer Tochtergesellschaft an die Börse bringen. Mit einem Emissionsvolumen von schätzungsweise rund 2.5 Mrd. Euro dürfte der Börsengang der Postbank zu den fünf größten der vergangenen zehn Jahre gehören. Mit einem Freefloat in dieser Größenordung sollte das Unternehmen künftig einen der vordersten Plätze im MDAX einnehmen. Mittelfristig bestehen sogar Chancen auf einen Platz im DAX (neben T-Online, Beiersdorf und Hypo Real Estate).
Ende Januar 2004 hat der Touristikkonzern TUI überraschend den Börsengang seiner Tochter Hapag-Lloyd für die zweite Jahreshälfte 2004 angekündigt. Hapag-Lloyd soll sich künftig auf die Schifffahrtsaktivitäten (Containerschifffahrt und Kreuzfahrt) konzentrieren. Die restlichen Logistik- und Handelsaktivitäten will TUI in den nächsten zwei Jahren verkaufen. Auf Basis unserer Schätzungen für die operative Entwicklung des Logistik- Bereiches und eines durchschnittlichen Multiple von Vergleichsunternehmen schätzen wir den Wert der neuen Hapag-Lloyd auf insgesamt rd. 1.7 Mrd. Euro, so dass das Emissionsvolumen bei 30%iger Platzierung etwa 500 Mio. Euro betragen könnte. Eine Freefloat- Marktkapitalisierung in dieser Höhe würde derzeit für einen mittleren Rang im MDAX ausreichen.
Bayer hat angekündigt, im Rahmen der Fokussierung auf Kerngeschäfte den größeren Teil seines Bereichs Chemicals sowie einige Geschäftsfelder aus dem Bereich Polymere (Kunststoffe) in eine neue Gesellschaft unter dem vorläufigen Namen NewCo auszulagern und bis Anfang 2005 an die Börse zu bringen. Noch nicht entschieden ist, ob NewCo über ein IPO oder ein Spin-Off, bei dem die bisherigen Bayer-Aktionäre Anteile an der neuen Gesellschaft erhalten, platziert wird. Bayer plant - gegebenenfalls in mehreren Schritten - sich vollständig aus der neuen Gesellschaft zurückzuziehen. Da es sich bei den auszulagernden Bereichen um relativ ertrags- und wachstumsschwache Geschäftsfelder handelt, halten wir eine vorsichtige Bewertung in Höhe des 0.5fachen der Umsätze für gerechtfertigt. Aus dem Umsatz von zuletzt 5.6 Mrd. Euro würde bei vollständiger Platzierung eine Marktkapitalisierung von knapp 2 Mrd. Euro resultieren. Dies könnte für einen hinteren DAX-Platz ausreichen. Bei zunächst nur 50%iger Platzierung würde sich NewCo nach Freefloat-Marktkapitalisierung noch im vorderen Drittel der MDAX-Werte bewegen.
Auch der Spezialchemiekonzern Wacker will sich verstärkt auf sein Kerngeschäft konzentrieren und in diesem Zusammenhang die Tochtergesellschaft Siltronic an die Börse bringen. Siltronic gehört zu den drei weltweit größten Herstellern von Siliziumscheiben, die als Vorprodukt für die Halbleiterindustrie dienen. Aus einem geschätzten Jahresumsatz 2003 von 1.2 bis 1.3 Mrd. Euro und einem Multiple von 3 würde ein Börsenwert von 3.5 bis knapp 4 Mrd. Euro folgen. Unter Berücksichtigung eines Abschlags für das sehr schwankungsanfällige Geschäft sowie eines IPO-Abschlags halten wir einen Börsenwert von mehr als 2 Mrd. Euro für realistisch. Damit würde Siltronic selbst bei 50%igem Freefloat zu den fünf größten TecDAX-Werten gehören. Als kleinere Neuemission aus dem Technologiebereich könnte möglicherweise schon im März der ostdeutsche Halbleiterhersteller X-Fab an die Börse kommen.
Der Versorger E.on hat die Übernahme der Ruhrgas unter der Auflage genehmigt bekommen, sich von dem regionalen Versorger EWE (Elbe Weser Beteiligungsholding) zu trennen. Die 27.4%ige Beteiligung an EWE wurde im Dezember 2003 für rd. 500 Mio. Euro verkauft. Diesen Anteil wollen die Eigentümer des Regionalversorgers an der Börse platzieren. Bei entsprechender Freefloat-Marktkapitalisierung könnte das Unternehmen einen mittleren Rang im MDAX einnehmen.
Der bereits börsennotierte fünftgrößte deutsche Versorger MVV Energie plant zur Finanzierung weiterer Unternehmenskäufe den Streubesitz im laufenden Jahr von rd. 12% auf 25% zu erhöhen. Dies entspricht bei derzeitigen Kursen einem Volumen von gut 100 Mio. Euro. Der Versorger, der bisher im SDAX notiert ist, würde sich in diesem Fall in der MDAXRangliste nach Freefloat-Marktkapitalisierung von zuletzt Rang 78 deutlich verbessern. Bei günstiger Kursentwicklung ist ein Aufstieg in den MDAX denkbar. .
Deutschlands größter Betreiber von Autoteile-Fachmärkten Auto-Teile-Unger (ATU) wurde Juni 2002 von einem Finanzinvestor (der britischen Doughty Hanson) für angeblich rd. 900. Mrd. Euro übernommen. Der Börsengang von ATU (Jahresumsatz 2003 rd. 1.3 Mrd. Euro) könnte im 3. Quartal stattfinden und mehr als 1 Mrd. Euro einbringen. Damit wäre bei hohem Freefloat eine Mitgliedschaft der Aktie im MDAX programmiert.
Der Hersteller von Armaturen und Sanitärtechnik Grohe war schon einmal im MDAX notiert. Das Unternehmen erreicht bei einem Jahresumsatz von knapp 900 Mio. Euro einen Weltmarktanteil von etwa 10%. Der Haupteigentümer, das Private-Equity-Unternehmen BC Partners, nahm Grohe im Jahr 2000 von der Börse. Das Engagement dieses Finanzinvestors war von Anfang an auf wenige Jahre beschränkt. Derzeit scheint der Verkauf von Grohe an einen neuen Großinvestor wahrscheinlicher als ein Börsengang. Sollte es dennoch dazu kommen, halten wir die Aufnahme der Aktie in den MDAX für wahrscheinlich.
Börsen-Kandidaten für das kommende Jahr könnten z.B. T-Mobile (Mobilfunktochter der Deutschen Telekom), das drittgrößte deutsche Versicherungsunternehmen Talanx (ehemals HDI), die Restaurantkette Nordsee, der Industriegase-Produzent Messer Griesheim sowie der Pharmahersteller Hexal sein.
Neuemissionsvolumen 2004 vom Aktienmarkt verkraftbar
Wenn auch die Zahl der Neuemissionen auf dem deutschen Aktienmarkt 2004 mit voraussichtlich 10 bis 15 unter dem langjährigen Durchschnitt liegen dürfte, so wird das Neuemissionsvolumen angesichts einer Reihe größerer IPOs doch beträchtlich sein. Kommen alle oben angesprochenen Börsengänge im erwarteten Ausmaß zustande, kann dies - unter der Annahme eines weiterhin günstigen Börsenumfeldes - zu einem Neuemissionsvolumen in der Größenordnung von bis zu 8 Mrd. Euro führen. Das wäre das bisher vierthöchste Volumen überhaupt (nach 26.6 Mrd. Euro im Jahr 2000, 12.7 Mrd. in 1996 und 10.5 Mrd. 1999).
Ein hohes Neuemissionsvolumen, geplante Privatisierungserlöse des Bundes aus dem Verkauf von Aktien der Deutsche Telekom, Deutsche Post und Fraport in Milliardenhöhe sowie das zuletzt gestiegene Volumen von Wandelanleihen sorgen für ein reichliches Angebot auf dem deutschen Kapitalmarkt. Wir halten dieses erhöhte Angebot an Aktien aber für verkraftbar. In wie weit große Börsengänge die Märkte belasten, hängt vom Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ab.
Die deutschen Anleger kehren nach drei Baisse-Jahren nur sehr vorsichtig zur Kapitalanlage in Aktien zurück. Trotz der guten Performance seit dem Tiefstand im März 2003 ist die Aktienquote vieler privater und institutioneller Investoren noch sehr niedrig. Insbesondere die Entwicklung der Kapitalzuflüsse deutet auf ein erhebliches Potenzial für Aktien hin. So sind z.B. bei Publikums-Aktienfonds seit März 2003 netto zwar Zuflüsse zu verzeichnen, ihr Ausmaß ist jedoch bisher gering. Der kumulierte Netto-Zufluss lag von März bis November 2003 bei nur 3.3 Mrd. Euro. Im Zuge des erst allmählich wieder wachsenden Vertrauens in die Aktienmärkte rechnen wir für das laufende Jahr mit einer zunehmenden Nachfrage, die problemlos in der Lage sein sollte, das Neuemissionsvolumen zu absorbieren.
Größere Änderungen in der MDAX-Zusammensetzung
Die voraussichtlichen Börsengänge dieses Jahres lassen mittelfristig zahlreiche Änderungen im MDAX erwarten. Die von uns angesprochenen Kandidaten haben gute Chancen, sich für die MidCap-Indizes der deutschen Börse zu qualifizieren. Dabei würde Siltronic auf jeden Fall Einzug in den TecDAX halten.
Die anderen Kandidaten haben - mit Ausnahme von MVV Energie - sehr gute Chancen auf eine Aufnahme in den MDAX. Wir gehen davon aus, dass Postbank, ATU, NewCo, Hapag- Lloyd sowie EWE nach ihrem Börsengang die 60/60-Regel bezüglich der Ränge nach Freefloat-Marktkapitalisierung und Börsenumsatz für eine Aufnahme in den MDAX klar erfüllen werden. Dadurch würden sich die Ränge der bisher kleinsten MDAX-Kandidaten verschlechtern. Trotz der absehbaren Herausnahme bisheriger MDAX-Titel im Zuge von Übernahmen (Celanese durch Blackstone, Wella durch Procter & Gamble) wäre aus heutiger Sicht vor allem der MDAX-Platz von Zapf Creation, Krones, WCM und Fielmann durch die Neuankömmlinge bedroht.
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