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14:13 Uhr, 09.02.2004

K: "Neue Reformphantasie" durch Regierungswechsel?

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"Neue Reformphantasie" durch Regierungswechsel?

Bundeskanzler Schröder ist vom Amt des Parteivorsitzenden der SPD zurückgetreten. Sowohl er als auch sein designierter Nachfolger betonen, dass es sich nur um einen Führungs- nicht jedoch um einen Politikwechsel handelt. Im Hinblick auf die Implikationen für den Aktienmarkt ist die weitere Zukunft des Reformprozesses entscheidend. Zunächst ist eine "Lähmung des Reformprozesses" das wahrscheinlichere Szenario mit negativen Konsequenzen für die relative Performance des DAX zum Euro STOXX 50. Von politischer Seite liegt das mittelfristige "Surprise Risk" auf Seiten einer "neuen Reformphantasie" infolge eines Regierungswechsels. Wir erwarten auf Sicht der kommenden Wochen eine neutrale Performance des DAX gegenüber dem Euro STOXX 50. Ein Rücktritt Schröders vom Amt des Bundeskanzlers würden wir als Signal für eine erneute Outperformance des DAX in Antizipation umfangreicher Reformen nach einem Regierungswechsel interpretieren.

Nur ein Führungswechsel an der Parteispitze aber kein Politikwechsel? Am Freitag hat Bundeskanzler Schröder mit seiner Ankündigung, vom Amt des Parteivorsitzenden der SPD zurückzutreten, überrascht. Aus den Stellungnahmen des Bundeskanzlers und seines designierten Nachfolgers sind folgende Punkte hervorzuheben:

- Bundeskanzler Schröder tritt vom Amt des Parteivorsitzenden der SPD zurück. Sein Nachfolger soll Franz Müntefering (Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag) werden. Der Posten des Generalsekretärs wird ebenfalls neu besetzt.

- Vor dem Hintergrund der vielen Wahlen in diesem Jahr wurde die Entscheidung damit begründet, durch die Ämterteilung die Kräfte besser auf "Regierungsarbeit" und "Vermittlung der Notwendigkeit der Reformen" gegenüber Partei und Wählern konzentrieren zu können.

- Auf einem Sonderparteitag der SPD am 21. März in Berlin soll der Führungswechsel an der Spitze der Partei vollzogen werden.

- Schröder und Müntefering haben bekräftigt, den Reformkurs fortsetzen zu wollen. Bundeskanzler Schröder hat erneut erklärt, bei der Bundestagswahl 2006 zur Wiederwahl antreten zu wollen.

Wie geht es weiter mit dem Reformprozess in Deutschland? Die Antwort auf diese Frage ist wesentlich für die zu erwartende trendmäßige relative Performance des DAX zum Euro STOXX 50. Die Implikationen der Veränderungen in der SPD-Führung für den Aktienmarkt werden wesentlich von der Zukunft des Reformprozesses bestimmt. Die Bandbreite der möglichen Entwicklungen lässt sich im Hinblick auf den Reformprozess durch zwei Szenarien abstecken:

- "Lähmung des Reformprozesses": Ein Stocken des Reformprozesses könnte insbesondere durch zwei Entwicklungen eintreten. 1) Die Regierung könnte sich durch ein Wiederaufflammen der Differenzen über den inhaltlichen Kurs innerhalb der SPD selber blockieren bzw. es könnte sich im Nachgang zu den personellen Veränderungen ebenfalls eine inhaltliche Politikänderung (Stop der Reformen) herauskristallisieren. 2) Der Reformprozess könnte durch eine Verweigerungshaltung der Opposition blockiert werden. Das Eintreten eines solchen Szenarios wäre negativ für den deutschen Aktienmarkt.

- "Neue Reformphantasie": Die Phantasie auf Reformen könnte insbesondere durch zwei Entwicklungen wiederbelebt werden. 1) Aus dem Zusammenspiel zwischen Regierung und Regierungsparteien in den kommenden Wochen wird deutlich, dass es zu keinem Politikwechsel kommt. 2) Die Differenzen über den inhaltlichen Kurs der SPD nehmen ein solches Ausmaß an, dass sich der Bundeskanzler zum Rücktritt entschließt. Ein Rücktritt des Bundeskanzlers würde nicht automatisch und zwingend zu einem Regierungswechsel führen. Allerdings könnte ein derartiger Schritt eine politische Eigendynamik entfalten, an deren Ende ein Regierungswechsel (z. B. über Neuwahlen) stehen könnte. Eine neue Regierung hätte die Mehrheit in Bundestag und Bundesrat und würde damit über die größtmögliche Handlungsfähigkeit verfügen.

Der Rücktritt vom Amt des Parteivorsitzenden schwächt zumindest zunächst die Machtbasis des Bundeskanzlers - nachhaltige Belastung für den Reformprozess? Der Rücktritt vom Amt des Parteivorsitzenden bedeutet für Schröder einen Autoritätsverlust. Die Tatsache, dass er sich zu diesem Schritt veranlasst sah, kann als Entzug des Vertrauens durch die Parteibasis interpretiert werden. Sollte diese Interpretation zutreffend sein, so würde dies die Aussichten auf eine Fortsetzung des Reformkurses eintrüben. In jedem Fall braucht Schröder Zeit um die Finanzmärkte von seiner vollen Handlungsfähigkeit zu überzeugen. Diese Phase dürfte sich über den Zeitraum bis zum Sonderparteitag hinaus erstrecken. Zunächst ist somit das Szenario einer "Lähmung des Reformprozesses" das wahrscheinlichere. Bei einer Zuspitzung der Konflikte innerhalb der SPD könnte dies jedoch durch einen Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers in das Szenario "neue Reformphantasie" umschlagen.

Wir haben derzeit den DAX gegenüber dem Euro STOXX 50 im Hinblick auf die relative Performance als neutral eingestuft. Der DAX hat seit Ende März 2003 den Euro STOXX 50 um 28% outperformt. Seit Ende April hatten wir den DAX auf "Outperform" gegenüber dem Euro STOXX 50 eingestuft und letzte Woche eine Umstufung auf neutral vorgenommen. Die Outperformance beruhte auf einer Kombination aus zyklischen konjunkturellen Faktoren und dem News-Flow zum Reformprozess in Deutschland. Die Umstufung auf "Neutral" haben wir mit abnehmenden Impulsen seitens des Reformprozesses begründet die durch die noch positiv wirkenden zyklischen Impulse nicht überkompensiert werden können. Letztere werden zudem auf Sicht der kommenden Monate nachlassen.

Wie viel hat sich mit dem Rücktritt des Bundeskanzlers vom Parteivorsitz geändert? Die mittelfristigen zyklischen Argumente, die gegen eine nachhaltige Fortsetzung der Outperformance sprechen, bestehen unverändert fort. Das von uns zunächst für wahrscheinlicher gehaltene Szenario "Lähmung des Reformprozesses" unterstützt unsere Erwartung einer neutralen Performance. Sollte es zu einem Regierungswechsel infolge von Neuwahlen kommen, so würde dies zu einer deutlichen Outperformance des DAX führen. Ein Rücktritt Schröders vom Amt des Bundeskanzlers würden wir bereits als Signal für eine beginnende Outperformance interpretieren.

"Lähmung des Reformprozesses" oder "neue Reformphantasie" - welche Ereignisse können dem Investor Hinweise liefern? Folgende Ereignisse in den kommenden Wochen sollten Aufschluss über den Kurs der SPD und der Opposition geben:

- Am 29. Februar finden in Hamburg Wahlen statt. Diese sind in diesem Jahr die ersten von insgesamt 14 Kommunal- und Landtagswahlen. Schlechte Ergebnisse der SPD könnten die Konflikte innerhalb der Partei über den "richtigen" Kurs verstärken und den Druck auf Schröder erhöhen.

- Am 7. März werden CDU und CSU ihre gemeinsamen Pläne für eine große Steuerreform vorstellen. Detaillierte Pläne (u. U. sogar die Ankündigung eines eigenen Gesetzentwurfs) würden den Reformdruck auf die Regierung erhöhen. Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten vom Wochenende lassen einen höheren Reformdruck wahrscheinlicher erscheinen als eine Blockadehaltung.

- Für den 21. März wird ein Sonderparteitag der SPD in Berlin einberufen. Auf dem Sonderparteitag wird der Führungswechsel an der Spitze der SPD formal vollzogen. Dieser Parteitag dürfte zugleich wichtige Erkenntnisse liefern, ob es sich bei den Veränderungen lediglich um einen Führungswechsel oder aber zugleich auch um einen Politikwechsel handelt.

Fazit: Wir erwarten vom DAX gegenüber dem Euro STOXX 50 eine neutrale Performance auf Sicht der kommenden Wochen. Ein Rücktritt Schröders vom Amt des Bundeskanzlers würden wir als Signal für eine erneute Outperformance des DAX in Antizipation umfangreicher Reformen nach einem Regierungswechsel interpretieren.

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