K: "Back to normal" - Normalisierung
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Externe Quelle: dit
"Back to normal" - Normalisierung
Der dit (Deutscher Investment Trust) verfügt über mehr als 45 Jahre Fondsmanagement-Erfahrung in Deutschland und ist Teil einer der größten Vermögensverwalter der Welt - der Allianz Dresdner Asset Management. Die Gesellschaft verwaltet derzeit in über 700 Wertpapier- und Geldmarktfonds ein Anlagevolumen von über 125 Mrd. Euro.
Das Jahr 2004 brachte viele Höchstleistungen: Die globale Wirtschaft wird so stark wie seit 20 Jahren nicht mehr wachsen und der Welthandel expandierte mit der stärksten je gemessenen Zunahme. Auch Öl schwang sich in ungeahnte Höhen empor und legte sich wie Mehltau auf die Märkte.
Die gestiegenen Ölpreise verstärkten die ohnehin schon angemeldeten Zweifel an der Nachhaltigkeit des globalen Aufschwungs. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die jüngst von den USA ausgehende weltweit zu verzeichnende konjunkturelle Abkühlung lediglich eine Abflachung des Konjunkturpfades im Sinne einer Normalisierung darstellt und somit der Aufschwung selbsttragend ist oder in einen Abschwung mündet. Wie sieht unser Konjunkturbild für 2005 aus und was heißt dies für die Aussichten an den Aktienund Anleihemärkte?
USA: Jenseits des Gipfels?
Im Laufe des Jahres hat sich der Aufschwung in den USA leicht abgekühlt. Die Wachstumsraten des realen BIP (gegenüber dem Vorquartal, annualisiert) im zweiten und dritten Quartal lagen zwar noch über der Potenzialrate, die auf ca. 3,5% geschätzt wird, sind aber unter 4% gesunken. Vor allem der private Konsum expandierte in geringerem Tempo. Dies lag zum einen am Kaufkraftentzug, hervorgerufen durch die hohen Ölpreise und zum anderen am Auslaufen der finanzpolitischen Impulse (Steuererleichterungen bzw. -rückerstattungen). Zudem verlief die Entwicklung am Arbeitsmarkt im Frühjahr und Sommer recht enttäuschend. Die Anzahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft stieg Mitte des laufenden Jahres mit durchschnittlich 100.000 pro Monat sogar etwas schwächer als das Arbeitskräftepotenzial. Somit legte auch die Bruttolohnsumme schwächer zu als erwartet. Von der weiteren Entwicklung des privaten Konsums, der 70% zur gesamtwirtschaftlichen Produktion beiträgt, und der Ölpreise hängt das Konjunkturbild in 2005 entscheidend ab. Was ist zu erwarten? Bei Betrachtung des privaten Konsums sind es primär vier Punkte, die es zu beachten gilt: Sparquote, Einkommensentwicklung, Ölpreis und Finanzpolitik.
- Sparquote: Laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (VGR) ist die Sparquote der privaten Haushalte in den letzten Jahren deutlich gefallen. Im dritten Quartal 2004 betrug sie lediglich 0,2%. Vielfach wird nun befürchtet, eine verstärkte Spartätigkeit zur Korrektur dieser niedrigen Quote könnte das Wachstum von privatem Verbrauch und BIP abwürgen. Besteht das Risiko eines deutlichen Anstiegs der Sparquote? Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass verschiedene Transaktion der privaten Haushalte in der VGR recht willkürlich erfasst werden. Würden z.B. die Ausgaben für dauerhafte Konsumgüter (Autos und Möbel) - bereinigt um die Abschreibungen - wie die Anschaffung von Immobilien behandelt und als Investition gewertet, würde die Sparquote 3 Prozentpunkte höher ausfallen. Ähnliche Abgrenzungsprobleme treten bei den Einkommen auf. Hier werden beispielsweise Kapitalgewinne bereits bestehender Vermögenswerte nicht berücksichtigt, Kapitalgewinnsteuern dagegen schon. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass die Sparquote in allen denkbaren Abgrenzungen gesunken ist. Warum? Ein Grund könnten die niedrigen Realzinsen sein, die die privaten Haushalte zur Refinanzierung von Hypotheken genutzt haben. Es existieren zwar keine eindeutigen empirischen Belege, dennoch ist davon auszugehen, das eine positive Zinselastizität der Sparquote besteht. Zudem gibt es Anzeichen für langfristige, strukturelle Veränderungen des Sparverhaltens, hervorgerufen durch einen leichteren Zugang zu Finanzprodukten, ein beschleunigtes Produktivitätswachstum und die Änderung der Konkursgesetze. Während die letzten, eher strukturellen Faktoren gegen einen raschen Anstieg der Sparquote sprechen, ist aufgrund der zyklischen Faktoren mit einer verstärkten Spartätigkeit zu rechnen. Mit tendenziell steigenden Realzinsen wird auch die Sparquote klettern, allerdings moderat. Hierfür spricht auch, dass nach Untersuchungen der US-Notenbank Fed der Rückgang der Sparquote fast vollständig auf eine höhere Konsumquote bei Haushalten mit hohen Einkommen konzentriert war. Eine Gruppe, die sehr stark von steigenden Preisen für Vermögenswerte (Aktien, Immobilien) profitiert hat, und die nach gängigen Konsumtheorien ihre Konsumpläne bei negativen Einkommensschocks (Arbeitsmarkt, Energiepreise) nur unterproportional anpassen.
- Einkommensentwicklung: Die Einkommensentwicklung ist eng mit der Lage am Arbeitsmarkt verbunden. Dort machte lange Zeit die Furcht vor einer "jobless recovery", einer Konjunkturerholung die am Arbeitsmarkt vorbeigeht, die Runde. Davon kann keine Rede mehr sein. Seit Jahresanfang stieg die Beschäftigung um knapp 2 Mio. an. Dies entspricht etwa 200.000 neuen Arbeitsplätzen im Monat. Hierdurch hat die angespannte Einkommenssituation (erinnert sei an die Sparquote von 0,2%) eine wesentliche Entspannung erfahren, denn ohne die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, müsste der zusätzliche Konsum zumindest teilweise aus der finanziellen Substanz finanziert werden. Dass der positive Trend am Arbeitsmarkt anhalten wird, dafür spricht der Rückgang des Wachstums der Arbeitsproduktivität in Richtung des langfristigen Trends, verschiedene Sentimentindikatoren sowie Unternehmensumfragen.
- Ölpreis: Ohne Zweifel wird der Anstieg der Ölpreise samt Derivate (Benzin, Heizöl) Bremsspuren in der Konjunktur verursachen, da sie bei den privaten Haushalten wie eine Steuer wirken und somit Kaufkraft entziehen und bei den Unternehmen höhere Input- und Produktionskosten verursachen. Doch wie stark werden die Effekte sein? Die Ausgaben der privaten Haushalte für Energie sind infolge des starken Ölpreisanstiegs um 60 Mrd. USD gestiegen. Dies hat sich jedoch nicht allzu dämpfend auf den Konsum ausgewirkt, da die Energieintensität (Energieverbrauch relativ zum BIP) seit Anfang der 70er Jahre stetig zurückgegangen ist. Der Energieeinsatz ist - gemessen in British Thermal Unit (BTU) - von 18 auf knapp 10 gesunken. Anders ausgedrückt, ist der Energieverbrauch seitdem um 35% gestiegen, das BIP aber um mehr als 150%. Dennoch lohnt ein Blick auf die Vielzahl von Studien, die sich mit den Auswirkungen von Ölpreisschocks auf Konjunktur und Inflation beschäftigen. Tenor: Ein dauerhafter Anstieg der Ölpreise um 10 USD je Barrel dämpft das Wachstum binnen Jahresfrist um 0,5 Prozentpunkte und erhöht die Inflation um 1,0 Prozentpunkte. Bei Berücksichtigung indirekter Effekte - Rückgang des Vertrauens - wären die Auswirkungen indes doppelt so hoch. Aber selbst wenn der Ölpreis der Sorte West Texas Intermediate auf einem Niveau von 47 USD stagnieren würde, wären die direkten Auswirkungen beherrschbar. Denn in diesem Fall würde der Ölpreis in 2005 um ca. 6 USD (14%) gegenüber 2004 steigen und somit das BIPWachstum um 0,3 Prozentpunkte schmälern.
- Finanzpolitik: In den letzten Jahren hat die Finanzpolitik die Konjunktur sehr stark stimuliert. Nach den Überschüssen in den Fiskaljahren 1998-2001 rutschte das Budget 2002-2004 ins Defizit. Im Fiskaljahr 2004, das im September endete, belief sich der Fehlbetrag auf 413 Mrd. USD (3,6% des BIP). Einige der in den vergangenen Jahren beschlossenen Steuersenkungen, die im laufenden Jahr auslaufen sollten, hat der Kongress jüngst verlängert. Dazu gehören der Kinderfreibetrag, Steuererleichterungen für Ehepaare und die Anhebung der Einkommensgrenze für Steuersätze von 10%. Ferner wurden Erleichterungen bei der alternativen Mindestbesteuerung (AMT), um
die Folgen der "kalten Progression" aufzufangen und Freibeträge für Forschung und Entwicklung festgeschrieben. Weiteres Ziel bleibt darüber hinaus, das Steuersystem einfacher und wachstumsfreundlicher zu gestalten. Was bedeutet dies für den Budgetausblick auf kurze Sicht? Gewisse stimulierende Effekte dürften von erhöhten Staatsausgaben, insbesondere in den Bereichen Verteidigung und innere Sicherheit, ausgehen. Diese werden aber weitaus geringer sein als Steueränderungen, von denen jeder Haushalt und jedes Unternehmen betroffen sind. Nach der jüngsten Projektion des CBO (Congressional Budget Office) wird das Budget im Fiskaljahr 2005 ein Defizit von 400 Mrd. USD (3,3% des BIP) ausweisen. Die zusätzlichen finanzpolitischen Impulse würden somit bei Null liegen. Der Haushalt wäre also weitgehend konjunkturneutral.
Alles in allem dürfte der private Konsum in 2005 mit einer Rate von 3% expandieren. Vorausgesetzt, unser Basisszenario trifft zu und es werden im Schnitt knapp 200.000 neue Stellen geschaffen und die Lage am Ölmarkt entspannt sich leicht.
Was machen die anderen BIP-Komponenten?
- Die Ausrüstungsinvestitionen, die im laufenden Jahr mit einer Zuwachsrate von voraussichtlich 13% ein wichtiger Wachstumsmotor waren, werden in 2005 an Dynamik einbüßen. In 2004 profitierten sie von kräftigen Gewinnsteigerungen, die die Innenfinanzierungsmöglichkeiten erhöhten. Die Zuwachsraten der Gewinne haben ihren Höhepunkt mittlerweile aber überschritten. Zusammen mit niedrigeren Währungsgewinnen ausländischer Tochterfirmen und einer verhalteneren Binnenkonjunktur wird die Tendenz schwächerer Gewinne anhalten. Zudem laufen die erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten von Ausrüstungen gegen Ende des Jahres aus. Investitionen, die ursprünglich für 2005 geplant waren, wurden somit vorgezogen und fehlen im nächsten Jahr. Da allerdings die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe zugenommen hat und es in einigen Bereichen zu Engpässen kommt und zudem das Wachstum des Kapitalstocks noch unter seinem langjährigen Durchschnitt liegt, werden die Investitionen keinen Einbruch erleiden und etwa 7% zulegen können.
- Die Ausfuhren werden aufgrund der nach wie vor lebhaften Auslandsnachfrage, besonders aus Asien, weiter zulegen können. Allerdings nicht mehr so kräftig, wie man aus verschiedenen Frühindikatoren ablesen kann. Dagegen werden die Importe aufgrund der moderateren Inlandsnachfrage deutlich schwächer zulegen. Da jedoch die Importe die Exporte um den Faktor 1,5 in absoluten Zahlen übertreffen, dürfte sich dennoch keine spürbare Verbesserung des Außenbeitrags und der Leistungsbilanz ergeben. Was ergibt die Aggregation der verschiedenen Komponenten für das Gesamtbild? Die bereits seit einigen Monaten festzustellende Abkühlung setzt sich fort, was aber keine Sorgenfalten bereiten muss. Es handelt sich um eine willkommene Normalisierung, da das US-BIP in 2005 mit annualisierten Quartalsraten von rund 3,5% zulegen dürfte und damit in Blickkontakt mit der Zuwachsrate des Produktionspotenzials bleibt.
Euroland: Gespalten auf niedrigem Niveau.
In der ersten Jahreshälfte 2004 konnte sich die Wirtschaft im Euroraum erholen. Das BIP expandierte mit knapp 2,3% schneller als im zweiten Halbjahr 2003. Das Wachstum wurde getragen von den sehr kräftigen Impulsen der Weltwirtschaft, was vor allem an der lebhaften Exportentwicklung in Deutschland zu sehen war. Dies konnte die retardierenden Effekte der hohen Ölpreise kompensieren. Mit Ausnahme von Frankreich und Spanien blieb dagegen die Inlandsnachfrage, vor allem der private Konsum in Deutschland schwach. Der private Verbrauch in beiden Ländern wurde durch positive Vermögenseffekte im Zuge stark steigender Immobilienpreise angeregt. In Spanien profitierten die Immobilienmärkte zudem schon seit Mitte der neunziger Jahre von den im Rahmen des Konvergenzprozesses gesunkenen Realzinsen. Diese Divergenzen im Konjunkturverlauf fanden ihren Niederschlag auf dem Arbeitsmarkt. Während in den Ländern mit robusterer Nachfrage die Beschäftigung zumindest konstant blieb, ist sie speziell in Deutschland und den Niederlanden gesunken. Konnte man mit Blick auf das erste Halbjahr also durchaus noch von einer Erholung sprechen, ist das Bild seitdem durch die Abschwächung der Weltwirtschaft, den hohen Ölpreisen und der starken Aufwertung des Euro getrübt. Dies zeigt der Blick auf verschiedene Stimmungsindikatoren, wie Ifo, INSEE, ISAE, Belgischer Frühindikator, Einkaufsmanagerindex oder dem Geschäftsklima der EU-Kommission. Zusammengenommen deutet der Datenkranz auf eine Wachstumsverlangsamung in den nächsten Monaten hin. Mit Blick auf das nächste Jahr wird entscheidend sein, ob die erwarteten geringeren Impulse von der Weltwirtschaft durch eine stärkere Binnennachfrage ausgeglichen werden können und wie stark die Ölpreise bremsen.
Analog zu den USA ist das "schwarze Öl" als Konsumgut und Produktionsfaktor eine wesentliche Determinante für die Wirtschaftsund Inflationsentwicklung im Euroraum. Die höheren Energiekosten wirken wie ein Steuer, da auf kurze Sicht der Verbrauch sehr unelastisch reagiert. Aufgrund der Tatsache, dass der Euroraum fast alle fossilen Energieträger importieren muss, lassen sich die direkten Kosten recht gut abschätzen, denn mit dem gestiegenen Ölpreis erhöht sich somit auch der Importwert. Hieraus resultiert dann der Realeinkommensentzug. Zudem ist zu beachten, dass die höheren Ölpreise auch die Weltwirtschaft dämpfen und somit über die Exportschiene negativ wirken. Im Monatsbericht November hat sich die EZB intensiver mit den Auswirkungen beschäftigt und kommt zum Ergebnis, dass ein in Euro gerechneter Anstieg um 50%, was der tatsächlichen Entwicklung in den letzten 12 Monaten entspricht zu einer Inflationserhöhung von 0,3 bis 0,6 Prozentpunkten im ersten und 0,1 bis 0,4 Prozentpunkten im zweiten Jahr führen sollte. Das BIP-Wachstum würde um 0,1 bis 0,8 Prozentpunkte im ersten Jahr gebremst und für das zweite Jahr ergeben sich Effekte von -0,3 bis 0,2 Prozentpunkte gebremst. Das scheint beherrschbar, denn positiv zu Buche schlagen:
- In realer Rechnung fiel der Anstieg der Ölpreise wesentlich geringer als z.B. in den siebziger Jahren aus.
- Die Kursgewinne des Euro gegenüber dem US-Dollar wirken dämpfend.
- Der Anstieg wurde von der starken globalen Nachfrage hervorgerufen und ist somit ein Reflex der starken Weltwirtschaft.
- Die strukturellen Faktoren sind heute günstiger als bei früheren Ölpreiskrisen. Zum einen ist die Ölintensität geringer und zum anderen sind die Arbeits- und Gütermärkte etwas flexibler geworden.
Sollte unser Basisszenario eintreten, d.h. der Ölpreis in 2005 bei durchschnittlich 40 USD/Barrel liegen, werden die Effekte beherrschbar sein. Nichtsdestotrotz ist der hohe Ölpreis kein Konjunkturprogramm und wird dafür sorgen, dass die Erholung im Euroraum mäßig bleibt. Bei einer anhaltend expansiven Geldpolitik und einer annähernd neutralen Finanzpolitik scheinen sich die Investitionen stärker zu erholen als der private Verbrauch. Hierfür sprechen das günstige monetäre Umfeld, die verbesserte Ertragslage, die moderat steigenden Lohnstückkosten sowie ein allmähliches Anziehen der Konsumnachfrage. Dagegen dürfte der private Konsum nur langsam an Schwung gewinnen. Auf der einen Seite werden die Realeinkommen nur wenig steigen, da höheren Löhnen und Gehältern steigende Gebühren und Abgaben gegenüber stehen und
auf der anderen Seite die Haushalte sehr stark von sozial- und ordnungspolitischen Reformen verunsichert sind. Die Exporte bleiben eine Wachstumsstütze, die Dynamik lässt aber voraussichtlich nach. Da die sich EWU-weit festigende Binnennachfrage nicht ausreichen dürfte, um das erwartete Nachlassen der Exportdynamik auszugleichen, wird das Wirtschaftswachstum wie im laufenden Jahr knapp 2,0% betragen.
Deutschland: Kranker Mann Europas?
In der ersten Jahreshälfte konnte sich die Erholung der deutschen Wirtschaft festigen und somit die zähe Stagnation, die im Jahr 2000 begann, überwinden. Aber! Einerseits war das Tempo im Vergleich zu früheren Erholungsphasen gering und andererseits scheint das Ende der Fahnenstange bereits erreicht bzw. scheint der kleine Wachstumsgipfel wieder hinter uns zu liegen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Deutschland am Tropf der Exporte hängt. Von der Binnennachfrage gingen keine Impulse aus. Hohe Energiepreise und die unbefriedigende Arbeitsmarktlage sowie die Sozialreformen lasteten auf dem privaten Verbrauch und die Anlageinvestitionen sanken sogar. Was zeigt der Blick nach vorne?
- Die starke Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage wird bei einer langsameren Gangart der Weltwirtschaft und der Euro- Aufwertung zum Malus. Noch profitiert die Exportwirtschaft von Wechselkurssicherungsgeschäften und der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit. Aber bereits der im dritten Quartal 2004 negative Beitrag der Nettoexporte zeigt den Gegenwind. Zudem wird sich im Laufe des kommenden Jahres nach der üblichen Zeitverzögerung die momentane Euro-Stärke negativ niederschlagen. Die realen Exporte werden langsamer expandieren, aber Konjunkturmotor bleiben.
- Die Binnennachfrage, allem voran der private Konsum, scheint dies nicht ausgleichen zu können. Bruttolöhne und -gehälter werden zwar leicht steigen und zudem tritt die letzte Stufe der Steuerreform in Kraft. Dem stehen aber Belastungen gegenüber in Form der privaten Absicherung von Zahnersatz und Krankentagegeld, des Zuschlags zur Pflegeversicherung für Kinderlose, einer wahrscheinlichen Nullrunde bei den Renten, der weiteren Erhöhung der Tabaksteuer und Leistungskürzungen durch das neu eingeführte Arbeitslosengeld II. Des Weiteren wird sich der Arbeitsmarkt nur zögerlich beleben. Dies lässt kein Konsumfeuerwerk erwarten.
- Die Rahmenbedingungen für die Investitionen verbessern sich: Die Gewinnperspektiven der Unternehmen bleiben bei moderat steigenden Arbeitskosten, Entlastungen durch die Gesundheitsreform und niedrigen Zinsen günstig. Zudem liegt nach dem Ifo-Konjunkturtest die Kapazitätsauslastung mittlerweile über ihrem langjährigen Durchschnitt und hat sich ein Nachholbedarf an Ersatzinvestitionen aufgestaut. Die für den Arbeitsmarkt so wichtigen Erweiterungsinvestitionen spielen aber wohl keine Rolle.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Binnennachfrage die schwächeren Impulse des Außenhandels nicht wird ausgleichen können. Das reale Wachstum wird somit schwächer als in 2004 ausfallen. Arbeitstäglich bereinigt - im Jahr 2004 ist die Anzahl der Arbeitstage ungewöhnlich hoch - bedeutet dies allerdings ein gleich bleibendes Wachstum. Auf niedrigem Niveau.
Japan: Ende der Deflation?
Japan hat 2004 überrascht. Aufgrund einer starken Expansion der gesamtwirtschaftlichen Produktion bis zum Frühjahr wird das BIP real rund 4% zulegen können. In den letzten Wochen hat sich die Dynamik aber merklich abgekühlt. Die Investitionen, Hauptwachstumstreiber, legten kaum noch zu und angesichts kaum steigender Realeinkommen expandierte der private Konsum mäßig. Zusätzlich dämpfte der markante Rückgang der öffentlichen Investitionen. Dagegen blieben die realen Exporte stark. Bei dieser moderaten Erholung dürfte es in den kommenden Monaten bleiben:
- Aufgrund des Ölpreisanstiegs bleibt es bei den mäßigen außenwirtschaftlichen Impulsen.
- Es zeichnet sich zwar eine Verringerung der Investitionsdynamik ab. Diese dürfte sich aber in Grenzen halten, da die in der Grundtendenz aufwärts gerichtete gewerbliche Bautätigkeit gegen eine Trendwende bei den Anlageinvestitionen spricht. Zudem sind die Unternehmensgewinne zuletzt stark gestiegen und der Zugang zu Krediten hat sich verbessert. Ferner ist zu beachten, dass das Wachstum des Kapitalstocks in den letzten Monaten hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurück blieb.
- Die Basis für den privaten Konsum hat sich stabilisiert: Dank einer besseren Lage am Arbeitsmarkt dürften die nominalen Arbeitseinkommen wieder zulegen können. Außerdem ist der Ölpreisanstieg noch nicht auf die Verbraucherpreise durchgeschlagen.
Somit dürfte sich das BIP-Wachstum auf knapp 2% verlangsamen. Interessant: Nach vielen Jahren der Deflation geht die Bank of Japan für das Fiskaljahr 2005 davon aus, dass die Kerninflationsrate bei einer sich allmählich schließenden Outputlücke wieder positiv ausfallen wird, wenn auch minimal.
Emerging Markets: Wachstumsinseln?
In 2004 hat sich das starke Wachstum in den Schwellenländern fortgesetzt. Die Ländergruppe wird mit ca. 6,5% expandieren können. Allerdings zeigen sich bereits seit Mitte des Jahres vor allem in Asien leichte Ermüdungserscheinungen. Dies spiegelt primär die Angst vor der "Abkühlung á la China" wider. In Lateinamerika und Russland hingegen konnte sich die gesamtwirtschaftliche Expansion dank der hohen Rohstoffpreise weiter beschleunigen. Die Themen "China" und Rohstoffpreise im Allgemeinen bzw. Energiepreise im Speziellen werden auch in 2005 eine Schlüsselrolle spielen.
- Asien: Die Dämpfungsmaßnahmen in China spielen eine zentrale Rolle. Diese waren vor dem Hintergrund von Überhitzungssymptomen (vor allem im Energie- und Transportsektor) und des deutlichen Anstiegs der Inflationsrate aus Sicht der chinesischen Behörden notwendig geworden. So wurden zunächst die Mindestreservesätze für Geschäftsbanken und später auch die Leitzinsen angehoben. Zudem wurden die Richtlinien für die Kreditvergabe für Investitionsprojekte verschärft oder Investitionsgenehmigungen verweigert. Das gewünschte "soft landing" dürfte der Regierung gelingen. Nach einem Zuwachs von etwa 9% wird die Produktion in 2005 mit einer Rate von 8% wachsen. Somit werden die asiatischen Schwellenländer von der konjunkturellen Verlangsamung in China und den USA in die Zange genommen. Die Abschwächung dürfte sich aber in Grenzen halten, da zum einen die Binnenkonjunktur in vielen Ländern recht robust ist und zum anderen ein recht großer wirtschaftspolitischer Puffer existiert, um inoder externe Schocks abzufedern.
- Lateinamerika: Der Anstieg der Ölpreise in Verbindung mit den hohen Preisen für Industrierohstoffe hat die Exporterlöse kräftig steigen lassen. Hiervon profitierte die Binnennachfrage: Die Anlageinvestitionen expandierten bei gestiegenen Absatz- und Ertragserwartungen und der private Konsum legte bei einer steigenden Beschäftigung zu. Auch im kommenden Jahr ist mit einer anhaltenden Expansion zu rechnen, wenngleich auf etwas geringerem Niveau. Die Rohstoffpreise dürften von den derzeitigen Höchstständen zurückgehen, die Konjunktur aber weiter unterstützen. Zudem gestaltet sich die Liquiditätslage günstig: Die Leistungsbilanz ist nur minimal im Defizit und der Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen sprudelt kräftig.
- Osteuropa: Das BIP konnte im ersten Halbjahr kräftig zulegen. Dank der Kräftigung des Aufschwungs im Euroraum gewannen der private Konsum und die Investitionen spürbar an Schwung. Analog zu den anderen Regionen wird sich der Aufschwung etwas abkühlen. Nach gut 5% dürfte der reale Zuwachs in 2005 etwa 4% betragen. Dies ist vornehmlich auf Polen zurückzuführen, wo die Aufwertung des Zloty gegenüber dem Euro den Außenbeitrag belastet. Aufgrund geringer Beschäftigungs- und Reallohnzuwächse wird ferner der private Konsum nur moderat zulegen.
Für die Weltwirtschaft gilt somit: Abkühlung ja, Abgleiten in die Rezession nein. Da die meisten Volkswirtschaften mit Raten in der Nähe des Potenzialpfades wachsen, normalisiert sich das Wachstumsbild.
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