Kommentar
08:47 Uhr, 21.07.2015

JP Morgan: "Weit und breit keine Probleme"

JP Morgan konnte für das zweite Quartal gute Zahlen vorweisen. Die Vorzeichen für das dritte Quartal stehen ebenfalls günstig, denn Probleme "gibt es weit und breit keine". Wie bitte?

Wenn man eine solche Zuversicht hört, dann wundert man sich hier in Europa schon ein wenig. Gerade eben erst ist ein Desaster für die Eurozone ausgeblieben und dann kommt der CEO von JP Morgan daher und spricht davon, dass weit und breit keine Probleme zu sehen sind. Das mutet schon etwas merkwürdig an, doch letztlich hat Jamie Dimon mit seiner recht pointierten Analyse Recht. Ob Griechenland den Euro hat oder nicht ist vollkommen unbedeutend.

Griechenland war nicht das einzige Thema, welches die Märkte beschäftigte. Der chinesische Aktienmarkt machte nicht gerade Lust auf riskante Investments. Letztlich ist aber auch das nur ein Ereignis am Rande, welches das Geschick der Weltwirtschaft nicht beeinträchtigt. Von anderen Krisenherden wie der Ukraine wurde erst gar nicht geredet.

Dimons Weisheit in Bezug auf die aktuellen zwei Top Themen sind umgangssprachlich schnell zusammengefasst: beides ist wurscht. Dimon verpackte das natürlich deutlich eloquenter. Nichtsdestotrotz läuft es darauf hinaus. In China sind keine Luftsprünge mehr zu erwarten, doch das ist die natürlich Konsequenz von jahrelangem Wachstum im Bereich von 10%. Eine Abkühlung ist ganz normal.

Die Eurofrage ist ein klein wenig komplizierter. Ein Land mehr oder weniger mit oder ohne Euro ist für die Weltwirtschaft nicht relevant, vor allem, wenn es sich um ein eher kleines Land im europäischen oder weltweiten Kontext handelt. Was hingegen beachtet werden muss, das ist der psychologische Effekt. Dimon bringt es auf den Punkt: Europa braucht einen vernünftigen und gut durchdachten Deal. Würde irgendjemand den Euro noch wollen oder der Eurozone beitreten, wenn der Eindruck entstünde es würde überhaupt keine Disziplin im herrschen?

Dimon sprach damit aus, was viele nicht so richtig fassen können. Die Einigung mit Griechenland wird von vielen als Fehler dargestellt. Tatsächlich ist das neue Paket alles andere als ein Konjunkturprogramm. Doch kann man die Eurozone noch als eine stabile und vertrauenswürdige Währungsunion mit Regeln verkaufen, wenn alle Vereinbarungen gebrochen werden und trotz Schuldenkrise in einem Viertel der Mitgliedsländer einem bankrotten Staat noch Geld hinterhergeworfen wird?

Griechenland hat sehr schwere Monate vor sich, daran besteht kein Zweifel. Schuld daran ist jedoch nicht das neue Reformprogramm per se. Die Alternative wäre der offizielle Bankrott gewesen. Das hätte langfristig besser sein können, doch kurzfristig wäre der Schmerz wohl noch größer gewesen.

Gestern öffneten erst einmal wieder die Banken, wobei es eher eine rein symbolische Öffnung war. Die Kapitalverkehrskontrollen bestehen immer noch. Die Banken haben zu wenig Spielraum, um eine erhöhte Nachfrage jenseits der 60 Euro am Tag befriedigen zu können. Damit kann ein Bank Run nach wie vor nicht stattfinden. Für die Banken heißt das, dass sie auch in den kommenden Tagen nicht zusammenbrechen werden. Für Griechen bedeutet es weiterhin höchste Unsicherheit. Solange sie ihr Geld nicht in Sicherheit bringen können besteht immer noch die Möglichkeit eines sog. Bail-ins. So etwas geschah in Zypern als Bankkunden enteignet wurden, um Banken zu rekapitalisieren.

Eine Rekapitalisierung ist so oder so notwendig. Ohne die Nothilfen der EZB sind die Banken insolvent. Die Nothilfen können immer weiter aufgestockt werden, bis auch die allerletzte und schlechte Sicherheit der Banken aufgebraucht ist. Spätestens dann ist es aus. Ohne frisches Kapital würde das früher oder später passieren - je nachdem wie schnell Griechen ihr Geld in Sicherheit bringen wollen.

Für die Wirtschaft bedeuten die Kapitalverkehrskontrollen einen weiteren Abschwung. Importe können nicht bezahlt werden, Kunden können nur noch kleinere Ausgaben tätigen. Von Investitionen darf man gar nicht erst sprechen. Kredit ist nicht zu haben. Das wird sich in diesem Jahr nicht mehr ändern. Kredit fließt erst nach einer Rekapitalisierung der Banken. Wie hoch diese sein muss kann man noch nicht abschätzen. Erste Überlegungen gehen in die Größenordnung von 25 Mrd. Bedenkt man, dass die Wirtschaft noch einmal in eine tiefe Rezession stürzen wird und somit die Kreditausfälle wieder zunehmen werden, dürften 25 Mrd. auch im Zusammenhang mit der aktuellen Solvenz zu wenig sein.

Das Ausmaß der Katastrophe ist für Griechenland groß. Es ist eine wirtschaftliche Katastrophe, die natürlich auch eine menschliche Tragödie nach sich zieht. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Immerhin sollen in den kommenden Jahren über 35 Mrd. Euro aus EU Fördermitteln für Griechenland bereitgestellt werden. Das ist eine sehr hohe Summe, die für Investitionen zur Verfügung steht und hat das Ausmaß eines ausgewachsenen Konjunkturprogramms. Das wird in den Diskussionen häufig nicht erwähnt, vielleicht auch, weil es nur mittel- bis langfristig positive Effekte haben wird - sofern die Regierung in Athen die Gelder auch aktiviert.

Letztlich ist die Griechenlandfrage überhaupt noch nicht geklärt. Das ist sie erst, wenn klar ist, was mit den Banken geschieht. Das wird Anleger bis Jahresende noch öfters nervös machen. In diesem Fall sollte man sich die Einschätzung von Jamie Dimon noch einmal in Erinnerung rufen: im großen Gesamtkontext ist es keine relevante Frage.

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6 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • FJHaydn
    FJHaydn

    Für Jamie Dimon mag es mittelfristig keine Probleme geben, für die Eurozone schon. Griechenland als isoliertes Problem zu sehen, greift doch viel zu kurz. Es ist nur ein Symptom, das grundsätzliche Schwächen des gesamten Systems aufzeigt. Deshalb ist es ja auch nicht lösbar. Es gäbe ja durchaus Möglichkeiten, GR wieder auf die Beine zu helfen, wenn GR wirklich das einzige Problem darstellen würde. Man ergreift diese aber nicht und kann sie nicht ergreifen, weil man den Präzedenzfall fürchtet und weiß, wenn das einreißt, dann kippt das Ding. Also macht man weiter wie bisher, obwohl klar ist, dass man das Problem wieder nur verschiebt und es sich dabei dort und an allen anderen Fronten noch verschärft.

    Die Selbstsicherheit von Leuten wie Dimon resultiert einfach daraus, dass große Systemzusammenbrüche selten sind und deshalb nach einer gewissen Zeit fast niemand mehr im System ist, der den letzten Zusammenbruch erlebt hat. Man kennt zwar die Vergangenheit und die Schwächen, glaubt aber tapfer daran, dass diesmal alles anderes sei und alte Gesetze nicht mehr gälten. Die "New Economy" lässt grüßen.

    09:54 Uhr, 21.07. 2015
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Gesundbetern wie Jamie Dimon werden ihre lauen Prognosen noch auf die Füße fallen. Die Probleme im Finanzsektor fangen erst an. Diesmal allerdings sind die Staaten an der Reihe. Griechenland ist das Äquivalent zu Bear Stearns...

    09:36 Uhr, 21.07. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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