Kommentar
00:00 Uhr, 27.03.2008

Jetzt erwischt es Spanien - und morgen die restliche Welt?

Wir haben es jetzt schwarz auf weiß. Spanien funkt das erste S.O.S. Europa ist in wenigen Wochen schon um eine "finanzielle Attraktion" reicher. Eine Immobilienkrise breitet sich gerade über das Land aus.

Die Toreros auf dem Häusermarkt werden jetzt reihenweise von ihren eigenen Bullen umgerannt, bevor ihnen das passiert, was man inzwischen schon anschaulich in den ersten US-Zeltstädten beobachten kann. Wenn man sich den spanischen Häusermarkt und die Verschuldung der dortigen Bürger genauer anschaut, bleibt einem nur ein "Au Backe!" im Halse stecken. Vor der Wahl Anfang März durfte das offenbar noch niemand wissen. Heute sind wir ein Stückchen schlauer. Die Hausverkäufe brachen im Januar im Vergleich zum Vorjahr um 27% ein, meldet das Statistikamt. 26% weniger Hypothekenkredite wurden vergeben. Es ist wie in den USA. Vielleicht sogar schlimmer. Im vergangenen Jahr wurden 14% weniger Wohnungen verkauft. Und ich höre noch das Pochen der Werbetrommel für diese tollen spanischen Pfandbriefe, die Anfang des Jahres schon mal "suspekt" geworden sind. Alles toll! Alles gut besichert! Na womit wohl? Na mit Immobilien, oder das, was man da so kennt. Ich erinnere mich auch noch an die weiß angemalten Hohlblocksteine, die es auf Mallorca im letzten Jahr schon für 200.000 Euro zu kaufen gab. Es wurde noch wild gebaut, da schossen schon die Schilder mit der Aufschrift "Se vende" (zu verkaufen) wie Pilze aus dem Boden. Auch auf fast jedem vierten Luxusboot im Hafen von Cala d'Or war "Se vende" zu lesen. Jetzt schießt der Schilderwald auf dem Festland ins Kraut. Mit dem Immobilienmarkt bricht der wichtigste Konjunkturpfeiler der Spanier weg. Und jetzt? Angesichts der nunmehr massiven Schwäche rechnen Volkswirte für dieses Jahr mit einem drastischen Einbruch des Wirtschaftswachstums. Doch wo bitteschön waren diese Experten und haben Feuer!!! gerufen, als die kreditfinanzierten Sandburgen im Preis begannen zu rutschen? Auf dem Sonnenauge blind? Das war keine Leistung, und schon gar keine aus Leidenschaft. Vor wenigen Monaten noch wurde dem Anleger ein immerwährenden Häuserboom versprochen und spanische Jumboanleihen angepriesen. Selbst Praktikanten in der dritten Ausbildungswoche sahen in ihrem Sommerurlaub, dass das so nicht gutgehen kann. Und es ging nicht gut. Diese vielen "Se vende" - Schilder mussten einem schon im letzten Sommer "spanisch" vorkommen.

Spanien hat wie Italien, Portugal und Griechenland unglaublich und lange Zeit von den niedrigen Zinsen in der Eurozone profitiert. Letztlich konnten diese Länder plötzlich die Früchte der Stabilitätspolitik der Deutschen Bundesbank ernten, ohne jemals etwas dafür getan zu haben. Die unverhoffte Politik des billigen Geldes ließ den Verschuldungsmotor in diesen Ländern immer schneller laufen. Und dies war dann der Treibsatz für den Konsum und die Betonburgen, die nun überall oft unverkäuflich herumstehen.

Doch diese Häuser sind nicht das einzige Problem am Mittelmeer. Das Land, dass seine frühere Peseta bei jedem Problem abwerten konnte, besitzt nun den starken Euro, der jeden Export abwürgt. Abwerten geht nicht mehr. Zudem sind die Spanier bis zur Halskrause verschuldet. Über drei Viertel aller Spanier (76 Prozent) geben mehr als 40 Prozent ihrer Einkünfte zur Begleichung von Hypothekenschulden und Konsumentenkrediten aus. Das sind 13 Prozent mehr als noch vor fünf Monaten. Die Zahlen wurden am Wochenende von der Agencia Negociadora de Productos Bancarios veröffentlicht. Ich habe es nicht geprüft, aber das klingt nach S.O.S. und dem Ruf nach der Feuerwehr mit einem ganz dicken Löschschlauch.

Die EZB sollte schon jetzt mal die Geldbeutel zurechtlegen. Da gibt es bestimmt genügend Probleme zu lösen, und sei es mit frisch gedrucktem Geld. Oder die Zinsen senken? Oder beides? Ich wüßte nicht, was ich täte für ein Land, in dem die Inflation schon siedet. Und auch Herr Steinbrück sollte seine Geldbörse dicht am Mann halten, wenn europäische Hilferufe an sein Ohr dringen. Schließlich hat Deutschland im letzten Jahr einen Leistungsbilanzüberschuss von 200 Mrd. EUR eingefahren.

Die Buchmacher nehmen inzwischen gerne Wetten auf die nächsten umfallenden Kandidaten an. Großbritannien? Irland? Frankreich? Griechenland? Der ganze Ostblock? Ich befürchte, sie werden alle der Reihe nach kippen.

Übrigens, drei von elf Spaniens Immobilienkönigen sind wieder aus der Forbes-Liste verschwunden. Die Götter kümmern sich gerade um die restlichen acht.

Nichts währt ewig.

Frank Meyer - TV-Moderator bei n tv

http://www.frank-meyer.tv/

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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