Japans neue Ära? Rallye, Risiko und die erste Frau an der Spitze!
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Das Land der aufgehenden Sonne sorgt für Bewegung an den Märkten. Während sich die Aufmerksamkeit auf die USA und China konzentriert, erlebt der japanische Aktienmarkt eine Hausse und katapultiert den Nikkei-Index auf historische Höchststände. Gleichzeitig kämpft die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einer enormen Staatsverschuldung. Im Zentrum dieser Entwicklung steht Sanae Takaichi, die erste Frau an der Spitze Japans.
Die 64-jährige Konservative, eine politische Weggefährtin Shinzo Abes, will neue Akzente setzen. Innenpolitisch plant sie höhere Staatsausgaben, außenpolitisch eine entschiedenere Linie gegenüber China. Doch ihre Machtbasis gilt als fragil. Sie führt eine Minderheitsregierung, die auf einen neuen Partner angewiesen ist. Steht Japan am Beginn einer neuen Wachstumsphase oder drohen die Risiken zu überwiegen?
Wir schauen uns in diesem Artikel drei spannende Aktien aus Japan an, die von den Entwicklungen profitieren könnten und aktuell spannende Einstiegschancen bieten. Natürlich konzentrieren wir uns dabei nur auf die wirtschaftlichen Folgen ihrer Politk und ignorieren ihre zurecht kritisch beäugten gesellschaftspolitischen Positionen.
Das Schulden-Dilemma: Eine tickende Zeitbombe?
Im Zentrum der Sorge steht die japanische Staatsverschuldung. Mit einer Quote von über 230 % des Bruttoinlandsprodukts ist Japan hier internationaler Spitzenreiter. Jahrelang war dies aufgrund der Nullzinspolitik kein vordringliches Problem, da sich der Staat fast kostenlos refinanzieren konnte.
Als Indikator für die volkswirtschaftliche Lage dient die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen (JP10Y). Sie zeigt, welchen Zins der Staat für neue Schulden zahlen muss. Lange bewegte sie sich nahe der Nulllinie. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Zinsen steigen, und Takaichis Pläne für expansive Ausgaben könnten den Druck auf die Anleihemärkte weiter erhöhen.
Jeder Anstieg hier bindet Haushaltsmittel für den Zinsdienst, die an anderer Stelle, etwa bei Zukunftsinvestitionen, fehlen. Dies stellt ein erhebliches Risiko für Takaichis wirtschaftspolitische Agenda dar.
Nikkei225: Aktien-Euphorie trotz Risiken?
Ein Blick auf die Börse offenbart ein anderes Bild. Nach der Wahl Takaichis stieg der Leitindex Nikkei 225 auf ein Allzeithoch von fast 50.000 Punkten. Die Stimmung unter den Anlegern ist positiv. Wie passt das zur angespannten Haushaltslage?
Die aktuelle Rallye wird von mehreren Faktoren getragen:
- Der schwache Yen: Die Abwertung der japanischen Währung wirkt wie ein Konjunkturprogramm für die exportstarke Industrie. Produkte von Konzernen wie Toyota oder Sony werden im Ausland günstiger, was den Absatz ankurbelt.
- Corporate-Governance-Reformen: Die Tokioter Börse erhöht den Druck auf Unternehmen, ihre hohen Barreserven für Aktienrückkäufe und Dividenden zu verwenden. Das steigert den Wert für die Aktionäre und kommt bei Investoren gut an.
- Die Hoffnung auf „Takanomics“: Anleger setzen auf die wirtschaftsfreundliche Agenda der neuen Premierministerin. Die Aussicht auf Deregulierung und staatliche Konjunkturprogramme beflügelt die Kurse.
Es ist eine Wette auf die Zukunft und die Ertragskraft der japanischen Konzerne, welche die strukturellen Risiken vorerst in den Hintergrund treten lässt. Die Frage bleibt, wie nachhaltig diese Entwicklung ist, insbesondere bei steigenenden Zinskosten für den Staat.
3 spannende japanische Aktien
Shin-Etsu Chemical – Der unsichtbare Champion der Weltwirtschaft
Shin-Etsu Chemical ist ein globaler Gigant, dessen Produkte für die moderne Welt unverzichtbar sind. Das Unternehmen ist der weltweit größte Hersteller von Silizium-Wafern, der absoluten Grundlage für jeden Computerchip. Gleichzeitig ist der Konzern auch Weltmarktführer bei PVC, einem fundamentalen Kunststoff für die Bau- und Konsumgüterindustrie. Diese duale Marktführerschaft in zwei Schlüsselindustrien verleiht dem Unternehmen eine außergewöhnliche Stabilität und Preissetzungsmacht.
Als exportorientierter Champion profitiert Shin-Etsu direkt vom schwachen Yen, der die Gewinne aus dem Auslandsgeschäft erhöht. Die Regierung Takaichi dürfte den Technologiesektor zudem als strategisch wichtig einstufen und dessen führende Unternehmen weiter unterstützen. Da die weltweite Nachfrage nach Halbleitern strukturell wächst, ist Shin-Etsu hervorragend positioniert, um von globalen Megatrends und der aktuellen Währungssituation zu profitieren.
Die Stimmung der Finanzanalysten für Shin-Etsu ist überwiegend positiv, wobei eine klare Mehrheit eine starke Kaufempfehlung ausspricht. Dieser Optimismus stützt sich auf die robuste Geschäftsentwicklung des Unternehmens: Dank solider Nachfrage in den Kernsegmenten und Währungsvorteilen durch den schwachen Yen zeigten sich Umsatz und Gewinn zuletzt stark. Die dominante Weltmarktposition ermöglicht es dem Konzern, auch in einem schwierigen Umfeld eine hohe Profitabilität zu erzielen.
Chart
Schaut euch den Chart der Aktien selbst nochmal an der Heimatbörse Tokio (TSE) an. Die wichtigen Levels und Indikatoren haben in EUR wenig Aussagekraft.
Allgemein bietet die Aktie aktuell eine gute Einsteigschance, da die mittelfristige Bodenbildung mit dem jüngsten Ausbruch abgeschlossen sein könnte.
Mitsubishi UFJ Financial Group – Die Wette auf die Zinswende
Die Mitsubishi UFJ Financial Group ist Japans größte Bank und das finanzielle Rückgrat der nationalen Wirtschaft. Das Kerngeschäft besteht aus dem klassischen Kredit- und Einlagengeschäft für Millionen von Privat- und Firmenkunden, ergänzt durch eine starke internationale Präsenz in der Vermögensverwaltung und im Investmentbanking. Nach Jahrzehnten der Stagnation steht das Geschäftsmodell nun vor einem fundamentalen Wandel.
Der Konzern ist ein direkter Profiteur der Zinswende in Japan. Nach über 20 Jahren Nullzinspolitik führen steigende Anleiherenditen zu einer Ausweitung der Zinsmarge, dem zentralen Gewinnhebel für Banken. Die expansive Fiskalpolitik der neuen Regierung könnte diesen Trend beschleunigen, indem sie Inflation und Zinsen weiter antreibt. MUFG ist als Marktführer ideal positioniert, um von diesem neuen makroökonomischen Umfeld überproportional zu profitieren.
Für die Mitsubishi UFJ Financial Group zeigen sich die Analysten ebenfalls optimistisch und vergeben mehrheitlich Kaufempfehlungen. Die positive Einschätzung wird durch die Erwartung einer anhaltenden Zinswende in Japan gestützt, die das Kerngeschäft der Bank direkt beleben würde. Nach Jahren niedriger Margen durch die Nullzinspolitik wird erwartet, dass steigende Zinsen das Ertragspotenzial von MUFG signifikant verbessern. Diese fundamentale Trendwende spiegelt sich in den positiven Dynamiken bei Umsatz und Gewinn wider, die sich zuletzt erfreulich entwickelten.
Chart
Zwar ist die Aktie seit 2020 bereits sehr stark gelaufen, allerdings könnte sich dennoch über dem letzten Allzeithoch bei einem nachhaltigen Ausbruch eine Einstiegschance ergeben. Die jüngste Konsolidierung hat dem Aufwärtstrend nicht geschadet und es ist wahrscheinlich, dass dieser fortgesetzt wird.
Kawasaki Heavy Industries – Der Rüstungs-Profiteur
Kawasaki Heavy Industries ist ein führender japanischer Schwerindustrie-Konzern, dessen Bedeutung weit über die bekannte Motorradsparte hinausgeht. Ein strategisches Kerngeschäft ist der Rüstungssektor, in dem KHI ein unverzichtbarer Partner der japanischen Verteidigungsstreitkräfte ist. Das Unternehmen entwickelt und produziert kritisches militärisches Gerät, darunter U-Boote, militärische Transportflugzeuge und Hubschrauber.
Die neue Regierung unter Sanae Takaichi verfolgt eine klare sicherheitspolitische Agenda, die eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorsieht. Das Ziel ist eine Abkehr von der rein pazifistischen Doktrin und eine militärische Stärkung angesichts geopolitischer Spannungen. Als einer der Hauptlieferanten der Streitkräfte ist Kawasaki ein direkter und logischer Profiteur dieser strategischen Neuausrichtung und kann mit einem signifikanten Anstieg der staatlichen Aufträge rechnen.
Chart
Mit der aktuellen News, dass Kawasaki mit Damiler Truck und dem Hamburger Hafen an einem Wasserstoff Projekt arbeitet, kam den letzten Handelstag Schwung in die Aktie. Über dem Allzeithoch könnte der mittelfristige Trend fortgesetzt werden.
Fazit: Boom auf Pump?
Die Euphorie am japanischen Markt ist verständlich. Mittelfristig stehen die Chancen gut, dass „Takanomics“, der schwache Yen und die Corporate-Governance-Reformen die Rallye weiter befeuern. Die vorgestellten Unternehmen sind gut positioniert, um von diesem Umfeld zu profitieren.
Dieser Boom ist jedoch auf Pump finanziert. Die Regierung Takaichi erkauft sich kurzfristiges Wachstum, während der Zinsdienst für den historischen Schuldenberg durch steigende Anleihe-Renditen immer teurer wird. Anstatt die wahren, strukturellen Probleme – die massive Staatschuld und die dramatische Demografie-Krise – anzugehen, werden sie lediglich in die Zukunft verschoben. Die aktuelle Politik ist eine riskante Wette, dass der Boom anhält, bevor die langfristigen Probleme dem Land die Rechnung präsentieren.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist in den besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.
