Kommentar
19:14 Uhr, 05.07.2006

Japan vor nachhaltigem Wachstum?

Weltweit entdecken Anleger Japan wieder neu. Nach nunmehr 15 Jahren Stagnation und einem Teufelskreis aus Rezession, Deflation und staatlichen Investitionsprogrammen deuten positive Wirtschaftsdaten aus dem Land der aufgehenden Sonne darauf hin, dass die lange Phase der Krisen und strukturellen Anpassungen überwunden ist.

Dieser Artikel zeichnet ein Bild der Entwicklung des japanischen Aktienmarkts seit den 80er Jahren und zeigt die Chancen eines Investments in diesem Markt auf.

„Bubble-Economy“

Im Rahmen des Plaza-Abkommens, geschlossen am 22. September 1985 in New York, vereinbarten die Finanzminister und Zentralbanken der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten eine konzertierte Abwertung des US-Dollars. Im Zuge dessen floss in Erwartung einer Yen-Aufwertung spekulatives Kapital in großem Maße in den japanischen Aktien- und Immobilienmarkt. Zudem senkte das japanische Finanzministerium die Zinsen, was Unternehmen die Aufnahme neuer Kredite erheblich erleichterte. Dies setzte eine verhängnisvolle Aufwärtsspirale in Gang: Weitere Spekulationsgewinne erwartend, wurden mit Immobilien besicherte Kredite aufgenommen und wiederum in den Aktienmarkt investiert. Der Wert des Nikkei-Index verdoppelte sich zwischen 1987 und 1989. Dies führte so weit, dass das Grundstück im Stadtzentrum Tokios, auf dem sich der japanische Kaiserpalast befindet, zeitweise theoretisch mehr wert war als der gesamte USBundesstaat Kalifornien oder ganz Kanada.

Gründe für die Krise

Das Platzen der Immobilienblase sowie eine starke Aufwertung des Yen in den Jahren 1990 bis 1992 markierten schließlich das Ende dieser Spirale und von 40 Jahren des ununterbrochenen Wachstums in Japan. Grundstücke verloren landesweit innerhalb kurzer Zeit rund 75 % ihres Wertes, der japanische Aktienmarkt, der seinen Höhepunkt bei einem Nikkei-Stand von 38.915 Zählern am 29. Dezember 1989 erreicht hatte, brach bis auf 7.607 Punkte im Jahre 2003 ein. Banken, deren Kredite zu einem großen Teil zu 100 % mit Immobilien besichert worden waren, mussten in großem Maße notleidende Kredite abschreiben. Die Keiretsus, das System der wechselseitigen Kapitalbeteiligungen, welches in den 80er Jahren als ein wesentlicher Erfolgsfaktor der „Japan AG“ angesehen worden war, entwickelte sich zum Verhängnis für viele Unternehmen. Hatten diese im Zuge der Blase noch – aus Angst vor einem zukünftigen, in diesem Ausmaß jedoch niemals tatsächlich eingetretenen Arbeitskräftemangel – massiv neue Mitarbeiter eingestellt, wurden jetzt in großer Zahl Arbeitnehmer entlassen bzw. neue Kräfte nur auf der Basis von Teilzeitverträgen eingestellt, was sich in einer einbrechenden Konsumnachfrage niederschlug.

Teufelskreis aus Rezessionen und kurzzeitigen Erholungen

Angesichts der Tatsache, dass im Zuge des Platzens der Blase 40 % des japanischen Volksvermögens vernichtet wurden, muten die wirtschaftlichen Folgen relativ moderat an. Das reale Bruttoinlandsprodukt wuchs im folgenden Jahrzehnt im Durchschnitt rund 1 % pro Jahr – langsamer als in den anderen größeren Industrienationen und vergleichbar wie in Deutschland und Frankreich. Dies lag unter anderem an den massiven staatlichen Investitionsprogrammen: Über die Zeit verteilt investierte der Staat rund 140 Trillionen Yen (ca. 990 Milliarden Euro) vornehmlich in Bauprojekte und verhinderte so auf Kosten einer erheblichen Staatsverschuldung eine ernsthafte Depression.

Die zugrunde liegenden strukturellen Probleme der japanischen Volkswirtschaft wurden jedoch zunächst eklatant unterschätzt, tiefgreifende Maßnahmen lange Zeit nur zögerlich ergriffen. Man spricht daher auch von der Zeit der „goldenen Rezession“. Tatsächlich deuteten sich im Laufe der letzten 15 Jahre immer wieder Trendwenden an. In den Jahren 1994 bis 1997 zeichnete sich eine erste vorsichtige Wirtschaftserholung ab. Diese brach jedoch ein, nachdem die Regierung im Jahre 1997 die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte erhöhte, und auch die Asienkrise 1997/98 trug ihren Teil dazu bei. In den Jahren 1999/2000 vermag es auch der New-Economy-Boom – nicht zuletzt wegen der nachfolgenden Rezession in den Vereinigten Staaten – nicht, eine dauerhafte Erholung herbeizuführen. Der Aktienmarkt erholte sich zwischen den vier Rezessionen gleich zweimal um rund 50 %, bevor anschließend neue Tiefstände getestet wurden.

Zeit für einen neuen Konsens?

Dieses Mal scheint jedoch vieles anders zu sein. Die politische Lage hat sich stabilisiert, unter Ministerpräsident Koizumi wurden ab 2002 zahlreiche Maßnahmen ergriffen: Die japanische Zentralbank senkte die Leitzinsen auf Null, die Regierung unterstützte notleidende Banken mit frischem Kapital, die Kontrolle des Bankensystems wurde verschärft und der Arbeitsmarkt flexibilisiert. Im Unternehmenssektor wurden die „drei Exzesse“ – Überkapazitäten, Beschäftigung und übermäßige Verschuldung – abgebaut. Die Profitabilität japanischer Unternehmen hat sich wesentlich verbessert und der abnehmende Zwang, Verbindlichkeiten zu bedienen, macht Mittel frei für Investitionen und Lohnerhöhungen.

Auch im Banken- und Versicherungssektor ist die Krise überwunden. Zahlreiche Banken gingen in Konkurs, mehrere kleinere, nicht mehr überlebensfähige Institute wurden mit staatlicher Unterstützung zu schlagkräftigen Megabanken verschmolzen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Notleidende Kredite wurden auf ein international vergleichbares Normalmaß reduziert, die aggregierten Ausleihungen der Banken wachsen wieder und erstmals seit 1987 steigen wieder die Preise für Immobilien in guten Lagen. Die freien Cash Flows der Unternehmen haben historische Höchststände erreicht, was uns positiv im Hinblick auf Investitionen und Dividendenzahlungen stimmt. Nicht zuletzt kommt japanischen Unternehmen auch ihre geographische Nähe zu dem Wachstumsmarkt China zugute.

Während vergangene Zyklen zu einem großen Teil von der Entwicklung der Exporte abhingen, lassen sich Tendenzen ausmachen, dass die japanische Wirtschaft zunehmend von der Binnenkonjunktur getrieben und somit von den Unwägbarkeiten der Weltkonjunktur unabhängiger wird. So entspannt sich die Lage am Arbeitsmarkt, die Arbeitslosenquote hat sich auf einem – aus deutscher Sicht komfortablen – Niveau von rund 4,5 % eingependelt und Unternehmen stellen wieder Vollzeitbeschäftigte ein. Das wachsende Lohneinkommen schlägt sich auch in dem anziehenden Konsum nieder.

Diese Entwicklungen haben sich bereits in den Aktienkursen niedergeschlagen. Seit dem Tief im April 2003 hat der japanische Aktienmarkt bis Anfang diesen Jahres um über 100 % zugelegt. Internationale Investoren haben Japan wiederentdeckt und investieren kontinuierlich neues Kapital in den japanischen Aktienmarkt. Mangels historischer Vergleiche ist es schwer zu prognostizieren, wie sich der Aktienmarkt einer Volkswirtschaft entwickelt, die auf eine solch lange Zeit der Stagnation und Deflation zurückblickt. Wir gehen davon aus, dass Japan noch einen weiten Weg nach oben zu gehen hat. Angesichts eines nachhaltigen Wachstums der Unternehmensgewinne und der Tatsache, dass der japanische Aktienmarkt im internationalen Vergleich moderat bewertet ist, erwarten wir für die nächsten 12 bis 24 Monate weiteres erhebliches Aufwärtspotenzial.

Quelle: dit

Der dit (Deutscher Investment Trust) verfügt über fast 50 Jahre Fondsmanagement-Erfahrung in Deutschland und ist Teil einer der größten Vermögensverwalter der Welt – der Allianz Dresdner Asset Management. In über 100 Fonds verwaltet der dit mehr als 58 Mrd. Euro (Stand: Mitte Februar 2005).

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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