Kommentar
14:19 Uhr, 01.03.2005

Japan und die Rezession

Am Dienstag brach der US-Aktienmarkt empfindlich ein, nachdem der Ölpreis zuvor über die kritische Marke von 50-Dollar je Barrel geklettert war und sich der US-Dollar verbilligt hatte. Im weiteren Verlauf hellte sich die Stimmung nach Bekanntgabe eines überraschend niedrigen Verbraucherpreisindexes wieder auf. Hierdurch ließen nämlich die Inflationssorgen nach, die durch die in der letzten Woche drastisch gestiegenen Herstellerpreise ausgelöst worden waren. Für zusätzliche Entwarnung sorgten die am Freitag veröffentlichten BIP-Zahlen, die besser ausfielen als erwartet. Bemerkenswerte Kursgewinne verzeichneten in der letzten Woche Halbleiterwerte.

In der vergangenen Woche traten japanische Aktien größtenteils auf der Stelle. Je weiter die Woche voranschritt, desto mehr hellte sich die Stimmung jedoch auf, die vor allem von den Ereignissen in den USA bestimmt wurde. Gestützt wurden die gute Stimmung und der japanische Yen auch durch besser als erwartete Wirtschaftszahlen. Halbleiterwerte folgten den Vorgaben ihrer US-Wettbewerber und beendeten die Woche mit positivem Vorzeichen.

Zum Teil enttäuschende Unternehmensnachrichten bescherten den europäischen Märkten leichte Verluste. Obwohl die Ergebnisse zahlreicher Börsenschwergewichte den Erwartungen entsprachen, gaben auch die Märkte in Großbritannien nach. Die letzte Woche brachte eine Fülle neuer Unternehmenszahlen, und viele Standardwerte meldeten deutlich aufgestockte Dividenden. So zum Beispiel das Energieunternehmen Centrica, dessen Dividende um fast 60% angehoben wurde, während der Dienstleister Capita seine Dividende um mehr als 30% aufstockte.

Kursgewinne verzeichneten auch die asiatisch-pazifischen Märkte, beflügelt durch Stahlunternehmen, die am Donnerstag einen Sprung nach oben machten. Auslöser waren Anleger auf der Jagd nach Schnäppchen, denn zuvor hatte die Branche Verluste hinnehmen müssen. Als Stütze erwies sich auch die fest tendierende Wall Street, die damit auf besser als erwartete US-Inflationszahlen und die Nachricht reagierte, dass asiatische Zentralbanken möglicherweise doch nicht massiv aus dem US-Dollar aussteigen werden.

Eine weitere starke Woche verzeichneten die Aktienmärkte in den Emerging Markets. So beliefen sich die Nettokäufe von Aktien aus der Region wie schon in der Vorwoche auf eine Rekordsumme von 1,3 Mrd. US-Dollar.

An den Staatsanleihemärkten kletterten die Renditen von US-Treasuries im Wochenverlauf nach oben, und die verhaltenen Zahlen zum Verbraucherpreisindex wurden durch überraschend starke BIP-Zahlen zum vierten Quartal wett gemacht. So wurden die BIP-Zahlen zum vierten Quartal 2004 auf 3,8% nach oben korrigiert, was die Renditen stützte. Im Übrigen setzte sich die starke Nachfrage nach Langläufern fort, angeheizt durch die Erwartung auf eine weitere Abflachung der Renditekurve als Reaktion auf weitere Zinserhöhungen durch die US-Notenbank.

Anfang der Woche verbilligte sich der US-Dollar spürbar an den Devisenmärkten. Er reagierte damit auf Spekulationen, die asiatischen Zentralbanken könnten eine Streuung ihrer Devisenreserven in Erwägung ziehen und aus diesem Grund von US-Dollar in andere Währungen umschichten. Zum Wochenschluss kehrte sich der Trend aber wieder um, und der Dollar verteuerte sich insbesondere gegenüber dem Euro, da der Markt mit höheren US-Zinsen rechnet.

An den Rohstoffmärkten schoss der Ölpreis auf den höchsten Stand seit vier Monaten, denn wegen des kalten Wetters in den USA und Europa rechneten die Marktteilnehmer mit einem Abschmelzen der Ölvorräte. Derweil äußerte der saudische Ölminister Ali Naimi die Erwartung, dass der Ölpreis in einer Spanne von 40-50 US-Dollar je Fass verharren wird. Von den Märkten wurde das als Signal für eine Politik Saudi-Arabiens gewertet, die auf höhere Ölpreise abzielt. Gleichzeitig zog der Goldpreis an, dem der anhaltend schwache Dollar zugute kam.

Japan und die Rezession

Ein leises Stöhnen mag dem einen oder anderen Japan-Beobachter angesichts der jüngsten Konjunkturzahlen über die Lippen gekommen sein, aus denen ein neuerlicher Rückfall Japans in die Rezession im Dezember ersichtlich wurde. So enttäuschend die Nachricht auch ist, halten wir sie doch nicht für übermäßig Besorgnis erregend. Denn in den meisten Fällen haben besagte Zahlen mindestens soviel mit der Basis zu tun, auf der sie berechnet werden, wie mit dem tatsächlichen Trend, den sie aufzeigen. Auch dürfte die Flutkatastrophe im Dezember zu einer gewissen Verzerrung der Zahlen geführt haben. Lügen gestraft wurden sie jedenfalls in der letzten Woche durch Anzeichen für ein schneller als erwartetes Wachstum in der japanischen Industrie. So stieg die Industrieproduktion im Januar – saisonal bereinigt - um 2,1% gegenüber dem Vormonat. Parallel dazu legten die Einzelhandelsumsätze so kräftig zu wie seit 1997 nicht mehr. Hieraus ziehen wir den Schluss, dass es besser ist, den Blick über die kurzfristigen Zahlen hinaus auf das mittelfristige Anlageszenario Japans zu richten. Für uns jedenfalls bleibt die japanische Erholungsstory intakt. Hierfür sprechen die zu Ende gehende Phase mit massiven Verlusten, die nachlassenden Bilanzprobleme und die anhaltenden Vorteile durch Wachstumsschübe in anderen Teilen Asiens.

Alle Augen richten sich auf die Beschäftigungszahlen außerhalb der Landwirtschaft

Im Mittelpunkt des Interesses stehen eindeutig die für Freitag angekündigten US-Beschäftigungszahlen außerhalb der Landwirtschaft. Für sie wird nach den schwachen Zugewinnen im letzten Monat mit einem Wiederanstieg gerechnet. Die US-Beschäftigungszahlen außerhalb der Landwirtschaft können durchaus für Bewegung an den Märkten sorgen, und diesmal werden sie sicher auf Anzeichen dafür unter die Lupe genommen, ob sie der Fed als Begründung dienen können, die Zinsen aggressiver anzuheben als bislang erwartet. Und auch in diesem Fall empfehlen wir Anlegern, ganz gleich wie die Zahlen ausfallen, über den kurzfristigen Trend hinauszuschauen und überlegt zu handeln, statt sich von der Nervosität am Markt anstecken zu lassen. Aus dem in der letzten Woche veröffentlichten Sitzungsprotokoll der US-Notenbank geht jedenfalls hervor, dass die Fed 2005 an ihrer Politik der gemäßigten Zinsschritte in Richtung auf ein „neutrales“ Zinsniveau (bei rund 3,5%) festhält.

Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)

Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt rund 500 Mrd. US-Dollar (per 31. Dezember 2003). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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