Kommentar
13:19 Uhr, 12.11.2012

Japan: Die nächste Rezession droht

1. Die japanische Volkswirtschaft steht mit einem Bein in einer Rezession und wird vermutlich das zweite Bein noch nachziehen. Im dritten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt um 0,9 % gegenüber dem Vorquartal gesunken (Bloomberg-Umfrage: -0,9 %, DekaBank: -0,8 %). Die Revisionen der Vorquartale halten sich in Grenzen, wenngleich der Anstieg im zweiten Quartal 2012 nur noch knapp im positiven Terrain liegt.

2. Noch vor wenigen Monaten sah die nähere wirtschaftliche Zukunft zumindest nicht vollkommen trüb aus. Dann folgte eine Abschwächung der Exportdynamik, die zunächst im Zusammenhang mit der europäischen Schuldenkrise bzw. dem schwierigeren globalen Umfeld stand. Die Eurokrise wirkt nicht nur über eine geringere Nachfrage, sondern auch über eine Aufwertung des Yen. Denn bis zuletzt wird die japanische Währung im Krisenmodus der Kapitalmärkte als sicherer Hafen geschätzt. Spätestens im September sorgte dann der Streit mit dem zurzeit noch wichtigsten Handelspartner China über den Kauf mehrerer Inseln für einen weiteren Rückgang der Exporte. Dieser trug maßgeblich, aber nicht vollständig, zu der deutlichen Eintrübung der wirtschaftlichen Entwicklung bei. Denn auch inländische Nachfragekomponenten zeigen eine deutliche Schwäche. So sanken die privaten Konsumausgaben im dritten Quartal 2012 zum zweiten Mal in Folge. Zwar hatten die Einzelhandelsumsätze einen Rückgang angedeutet. Ernüchternd ist aber, dass sich die Umsatzschwäche besonders im September gezeigt hat, was dazu führt, dass ein statistischer Unterhang für das vierte Quartal vorliegt. Dies bedeutet, dass im Falle eines unveränderten Umsatzvolumens in den Monaten Oktober bis Dezember ein Quartalsrückgang von knapp 2 % im vierten Quartal vorliegen wird. Zur Ernüchterung trägt auch bei, dass die Einkommen der privaten Haushalte im Quartalsvergleich im dritten Quartal ebenfalls gesunken sind. Hier scheint sich die schwache Lohnentwicklung negativ durchgeschlagen zu haben. Somit ist es aus heutiger Sicht wahrscheinlich, dass die Konsumausgaben auch im vierten Quartal sinken werden. In die gleiche Richtung lässt sich bei den gewerblichen Investitionen argumentieren. Der Rückgang der gewerblichen Investitionen wurde durch verschiedene monatliche Indikatoren ankündigt, wenngleich das Ausmaß eine negative Überraschung für uns darstellt. Diese Indikatoren schwächten sich ebenfalls im September deutlich ab, sodass auch hier die Vorzeichen für das vierte Quartal negativ sind. Immerhin stiegen die Wohnungsbau- und die Staatsinvestitionen verhältnismäßig kräftig an. Das Plus bei den Staatsin-vestitionen mag im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau nach der Naturkatastrophe im März 2011 stehen.

3. Auch die Entwicklung der Lagerinvestitionen ist noch geprägt von der damaligen Naturkatastrophe. Diese rutschten damals weit in den negativen Bereich und befinden immer noch dort. Der Lagerabbau erfolgte jedoch weniger deutlich als zuvor, was in der Arithmetik der Lagerinvestitionen zu einem positiven Wachstumsbeitrag führte. Eine Normalisierung der Lageraktivität in den kommenden Quartalen wird aber noch zu weiteren spürbaren Wachstumsbeiträgen führen können.

4. Die Exporte sind im dritten Quartal um 5 % gegenüber dem Vorquartal eingebrochen. Zum Vergleich: Im Zuge der Naturkatastrophe 2011 sanken die Exporte um 6 %. Leider liegen die Außenhandelsdaten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht auf Länderebene vor, sodass sich nicht quantifizieren lässt, inwieweit der Streit mit China hierzu beigetragen hat. Monatliche Länderdaten zeigen allerdings, dass im Sep-tember der Anteil der Exporte nach China von über 19 % auf unter 18 % gesunken ist und damit in die Nähe des zweitwichtigsten Handelspartners USA von gut 17 %. Sollte die Verspannungen zwischen Japan und China weiter Bestand haben, dann könnten diese die Exportentwicklung noch über mehrere Quartale spürbar belasten. Der negative Wachstumsbeitrag von den Exporten wurde durch einen Rückgang der Importe (diese fließen negativ in die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts ein) etwas gemildert. Hintergrund für die schwache Importentwicklung dürfte die insgesamt schwache Inlandsnachfrage gewesen sein. Der Wachstumsbeitrag vom Importrückgang ist also nur ein schwacher Trost.

5. Der Streit mit China sollte aus japanischer Sicht rasch beendet werden, da sonst eine Rezessionsdauer von mehr als zwei Quartalen droht. Entscheidend ist hierfür aber nicht nur, dass man sich auf oberster Regierungsebene verständigt. Vielmehr muss (aus japanischer Sicht) der chinesische Endverbraucher vom Kauf japanischer Güter überzeugt werden. Dieses Problem ist aber nur eines von mehreren. Nach der Naturkatastrophe im März 2011 fand eine Wende in der Energiepolitik statt. So wurde kurzfristig auf Atomenergie verzichtet und insbesondere Gas zur Stromerzeugung importiert. Aufgrund der sehr schwierigen Haushaltslage des Staates kann sich Japan diesen Energieimport dauerhaft kaum leisten. Ein bezeichnendes Warnsignal wurde hier in der vergangenen Woche veröffentlicht: Erstmals seit Beginn der Statistik wurde ein Defizit in der Leistungsbilanz festgestellt. Zwar wurde vor kurzem immerhin der Haushaltstreit überparteilich gelöst. Aber damit ist die ausufernde Staatsverschuldung noch nicht eingefangen. Für den weiteren Wachstumsausblick stimmt zurzeit nur die geringe Lageraktivität optimistisch, sodass wir die Wachstumsprognose für das kommende Jahr nach unten nehmen werden.

Quelle: DekaBank

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