IW: Fachkräftemangel könnte Ansiedlung neuer Chip-Fabriken gefährden
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BERLIN (Dow Jones) - Der zunehmende Fachkräftemangel in der Halbleiterindustrie könnte die Ansiedlung neuer Chipfabriken in Deutschland gefährden. Das zeigt eine Untersuchung des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Danach wächst der Fachkräftebedarf in für die Halbleiterindustrie besonders relevanten Berufen rasch und kann ohne große zusätzliche Anstrengungen nicht gedeckt werden. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Fachkräftelücke um 30 Prozent von etwa 62.000 im Jahresdurchschnitt 2021/22 auf über 82.000 in 2022/23 gestiegen.
Da die Fachkräftelücke in der Halbleiterindustrie immer größer werde, müssten alle Potenziale zur Gewinnung von Fachkräften genutzt werden, so die IW-Expertin Sabine Köhne-Finster. Aktuell planen mehrere Chip-Unternehmen, wie etwa Intel, TSMC und Infineon, in Ostdeutschland Milliarden-Investitionen in neue Chipfabriken. Dabei soll es massive öffentliche Finanzhilfen geben.
"Insgesamt zeigt die aktuelle Analyse der Fachkräftesituation, dass eine große und schnell wachsende Fachkräftelücke die erfolgreiche Ansiedlung neuer Chipfabriken und den Ausbau bestehender Standorte der Halbleiterindustrie gefährden kann", so die Studie. "Der Bedarf an Fachkräften in der Halbleiterindustrie wird auf absehbare Zeit kaum durch den Nachwuchs aus Ausbildung und Studium gedeckt werden können."
Besonders viele Fachkräfte werden demnach in der Elektrischen Betriebstechnik und als Experten in der Elektrotechnik gesucht.
Anteil der älteren Beschäftigten nimmt zu
Die Studie wies zudem darauf hin, dass auch in den Berufen der Halbleiterindustrie der Anteil älterer Beschäftigter stetig zunehme. Derzeit seien bereits 23 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berufen der Halbleiterindustrie 55 Jahre und älter. Wenn es nicht gelinge, den Ersatzbedarf für die in den nächsten Jahren in Rente gehenden Beschäftigten zu kompensieren, werde sich der bereits heute deutlich spürbare Fachkräftemangel weiter verschärfen, warnte das IW.
"Um Fachkräfteengpässe zu reduzieren, ist daher ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich", so das Institut.
Ein Potenzial böten beispielsweise Helfer, die bereits heute in Berufen tätig sind, die die gesuchten Fachkräfte in der Halbleiterindustrie bei ihrer Arbeit fachlich unterstützen. Ein Teil der Fachkräftelücke könnte geschlossen werden, wenn beispielsweise Helfer in der Metallbearbeitung gezielt zu Fachkräften qualifiziert würden. Auch eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit, deren Anteil in vielen Engpassberufen der Halbleiterindustrie traditionell sehr gering ist, könnte mittelfristig dazu beitragen, die Fachkräftelücke zu verringern. Zudem sollten mehr Anreize für ältere Arbeitnehmer geschaffen werden, länger berufstätig zu bleiben.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/sha
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