Kommentar
15:59 Uhr, 12.06.2020

Italiens Beschäftigungswunder

Während überall auf der Welt Arbeitslosenraten steigen, ist sie in Italien auf den tiefsten Stand seit Jahren gefallen. Das ist ein schlechtes Zeichen.

In Italien sank die Arbeitslosenrate während der Krise von fast 9 % auf 6,3 %. Zum Vergleich: in Deutschland stieg die Quote von 5 % auf 6,1 %. Das macht wenig Sinn, gilt Deutschland mit dem Kurzarbeitsmodell doch als Musterschüler und als ein Land, das die Krise einigermaßen gut überstehen sollte.

Wie gut Deutschland die Krise wirklich übersteht, wissen wir erst in einigen Monaten. Aktuell sind über 10 Mio. Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit (Grafik 1). Die Arbeitsmarktkrise ist beispiellos und alle können nur hoffen, dass aus Kurzarbeitern nicht Arbeitslose werden. Bedingung dafür ist, dass die Wirtschaft wieder anspringt und schnell das Vorkrisenniveau erreicht.


Das wird nicht überall gelingen. Einige Großunternehmen haben bereits einen Jobkahlschlag angekündigt. Tui will 8.000 Stellen streichen. Viele Fluggesellschaften haben eine ähnliche Größenordnung im Blick. Auch die Autobranche will tausende Stellen streichen. Einige werden aus der Kurzarbeit nie zurück in die Vollzeit finden.

Sogar mit Kurzarbeit ist die Arbeitslosenquote gestiegen (Grafik 2). Der Anstieg hat sich zuletzt verlangsamt. Eine Verlangsamung ist allerdings noch keine Umkehr. Im Gegensatz zu den USA, wo schnell entlassen werden kann, zieht sich das in vielen europäischen Ländern über einen längeren Zeitraum.


Umso überraschender ist es da, dass die Arbeitslosenrate in Italien stark sinkt (Grafik 3). Im Vergleich zu Deutschland macht das überhaupt keinen Sinn. Es gibt dafür allerdings eine einfache Erklärung. Viele haben sich aus dem Arbeitsmarkt verabschiedet.

Die Zahl der Nichterwerbspersonen, also Personen, die arbeiten könnten, aber nicht nach Arbeit suchen, ist stark gestiegen (Grafik 4). Selbst während der Finanzkrise kam es nicht zu einem so schnellen Anstieg. Das ist ein großes Problem. Wer sich erst einmal aus dem Arbeitsmarkt verabschiedet, kommt so schnell nicht zurück.

Italien leidet seit vielen Jahren unter einer Wachstumsschwäche. Diese begann nach der Finanzkrise. Der ersten Rezession 2008/09 folgte eine zweite (Eurokrise 2011/12). Danach stagnierte die Wirtschaft ein Jahr lang und erholte sich bis 2019 nur langsam (Grafik 5).

Nun droht die Wirtschaftsleistung stark einzubrechen. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte auf das Niveau von 1995 fallen. Das ist eine Katastrophe. Der Schuldenberg wird nicht kleiner. Wenn das BIP dazu noch sinkt, steigt die Verschuldung. Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung dürfte sie um 10-15 Punkte ansteigen.

Ein Land kann sich aus dieser Misere nicht heraussparen. Wird gespart, springt das Wachstum erst recht nicht an und locken Menschen zurück auf den Arbeitsmarkt. Je weniger Menschen überhaupt am Arbeitsmarkt teilhaben wollen, desto schwieriger wird es zu wachsen. Ein dauerhafter Rückgang der Erwerbsbevölkerung drückt das BIP und die Entschuldung kann erst recht nicht beginnen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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