Kommentar
12:14 Uhr, 11.08.2016

Italien kämpft an mehreren Fronten

Italien kommt einfach nicht zur Ruhe, weder politisch noch wirtschaftlich. Insbesondere die Bankenbranche sorgt beim Regierungschef Matteo Renzi sicherlich für manche schlaflose Nacht. Nicht genug, das Italiens Banken einen Berg fauler Kredite von ca. 360 Mrd. € vor sich herschieben und niemand sagen kann, wie in diesem Falle mit der erst seit Jahresanfang geltenden EU-Richtlinie zur Rettung maroder Banken umgegangen wird. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco hält die Möglichkeit von Staatshilfen für strauchelnde Kreditinstitute seines Landes weiterhin für möglich und auch für sinnvoll. Doch dazu ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Klaus Stopp: „Damit würde Italien von keiner der EZB-relevanten Rating-Agenturen mehr mit „A“ bewertet werden.“

Den Banken Italiens droht allerdings auch von anderer Seite Ungemach. So hat die kanadische Rating-Agentur DBRS angekündigt, eine Herabstufung des Landes zu prüfen, was wiederum Auswirkungen auf die Refinanzierungskonditionen der heimischen Banken haben würde. Doch auch der Risikoaufschlag beim Anleihen-Ankauf durch die Europäische Zentralbank (EZB) würde angepasst werden müssen, da mit dieser angedachten Herabstufung keiner der vier von der EZB ausgewählten Bonitätswächter Italien mehr mit „A“ bewerten würde. Zur Begründung eines solchen Schrittes wird auf die Kombination aus schwacher wirtschaftlicher Entwicklung und hoher Staatsverschuldung sowie die politische Unsicherheit des anstehenden Referendums verwiesen. Das Ergebnis dieser Volksbefragung hat auch Matteo Renzi sehr eng mit seiner politischen Zukunft verknüpft, wie es inzwischen so Usus geworden ist.

Bedenklich im Zusammenhang mit der Ankündigung seitens der DBRS ist allerdings, dass man sich in Rom nicht mit den zugrundeliegenden Fakten einer solchen Herabstufung beschäftigt, sondern einen Widerspruch gegen die Überprüfung der bisherigen Einstufung in Erwägung zieht. Der hierbei angeführte Grund der Bekanntgabe außerhalb des dafür vorgesehenen Mitteilungskalenders ist vielleicht juristisch haltbar, sagt aber sehr viel über die Nervenanspannung bei den politisch Verantwortlichen Italiens aus.

Man darf also durchaus auf die neuesten Entwicklungen in der Sache „Italien“ gespannt sein.

Klaus Stopp, Head of Market Making Bonds der Baader Bank

Muss sich Europa neu erfinden?
Diese Frage stellt sich der interessierte EU-Bürger nicht erst seit dem Brexit-Referendum, sondern bereits seit vielen Jahren. In den Zeiten der Finanzkrise wurden viele Unterschiede bei der Wirtschafts-, Steuer- und Haushaltspolitik überdeutlich. Aber auch im Umgang mit Flüchtlingen wurden getroffene Entscheidungen in den Mitgliedsstaaten oftmals als Diktate abgetan und somit nicht umgesetzt.

Insbesondere die Regierungschefs von Griechenland und Italien sind von der Haltung ihrer Partner in Nordeuropa bezüglich der Migrationspolitik sehr enttäuscht. Bis September 2017 sollen 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufgenommen werden, aber bisher wurden nur ca. 3.700 Menschen entsprechend der Beschlüsse vom September 2015 umverteilt. Nicht zuletzt aus diesem Grund und um dem sogenannten haushaltspolitischen Spardiktat der Nordeuropäer zu begegnen, hat Alexis Tsipras die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien, Malta, Portugal, Spanien und Zypern für den 9. September des Jahres zu einer Konferenz nach Athen eingeladen. Das Ziel dieser Konsultationen ist die Bildung einer Allianz gegen die Sparmaßnahmen. Dies wurde auf dem EU-Gipfel am 28. und 29. Juni zwischen Tsipras und Renzi unter dem Begriff „Pro-Wachstumsagenda" andiskutiert.

Gemeinsame Probleme sind oftmals ein Grund, um sich dem Projekt „gemeinsame Zukunft“ zu widmen. Insbesondere nach dem Brexit-Referendum scheint es an der Zeit zu sein, Europa zu verändern. Jetzt muss es gelingen, den nationalistischen Kräften in Europa die Grundlage zu entziehen und nicht mit fragwürdigen Entscheidungen gegenüber Defizitsündern das Gesamtkonstrukt in Frage zu stellen. Gleichzeitig sollte aber auch den Nettozahlern nicht das Gefühl des Aufbaus einer Transferunion gegeben werden.

Viel Zeit hat man nicht mehr, denn ansonsten kann dieses Treffen der Anfang vom Ende des gemeinsamen europäischen Gedankens sein. Ob das den Zerfall Europas in seine Einzelbestandteile oder eine Aufteilung der Eurozone in einen Nord- und einen Südteil bedeuten würde, muss abgewartet werden. Vielleicht wird aber auf diesem kleinen Gipfel nicht nur die Transferunion gefordert, sondern werden neue Möglichkeiten für ein friedvolles geeinigtes Europa gefunden. Querdenken ist in diesen Tagen nicht nur erlaubt, sondern einzufordern!

Auch Banken müssen betriebswirtschaftlich denken
Bereits seit Wochen und Monaten fragen sich viele Privatpersonen, ob es auch für sie irgendwann soweit sein wird, dass Strafzinsen fällig werden. Noch wird es von Bankenvertretern - wie dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer - nicht für möglich gehalten. Seines Erachtens ist der Wettbewerbsdruck zu groß. Dennoch hat bisher die thüringische Skatbank den Negativzins für Beträge ab 500.000 € eingeführt. Die Alternativ-Bank GLS plant einen Solidarbeitrag zu erheben und ab September wird die dritte genossenschaftliche Bank, die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee, ein „Verwahrentgelt“ für Beträge ab 100.000 € einführen. Des Weiteren ist zu befürchten, dass die Banken sich andere Mittel und Wege suchen werden, um den bei ihrer Hauptertragsquelle - dem Zinsüberschuss - entstandenen Verlust auszugleichen.

Wenn Banken die ihnen für das Aufrechterhalten des Geschäftsbetriebs in Rechnung gestellten Strafzinsen nicht an ihre Kunden weitergeben können, so werden sie nicht umhinkommen, Gebührenerhöhungen zu beschließen. Dies ist auch das Ergebnis, welches die FMH-Finanzberatung gestern veröffentlicht hat. Auch Banken müssen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ihre Leistungen bewerten und man stelle sich mal vor, was die Bankenaufsicht mit einem Kreditinstitut machen würde, das aufgrund seines Geschäftsmodells nachhaltig Verluste schreibt. Banken sind also gezwungen zu reagieren, machen dies allerdings bisher sehr vorsichtig.

Trotz aller gegenteiligen Statements werden die Kleinsparer auf diese Weise indirekt für die Niedrigzinspolitik der Europäischen Notenbank zur Kasse gebeten. Diese Konditionenanpassungen werden die Privatpersonen in unterschiedlicher Weise treffen und so zu dem ein oder anderen Ende einer langjährigen Geschäftsbeziehung führen.

Die geldpolitische Debatte zwischen BoE und EZB ist vorprogrammiert
Die Bank of England (BoE) hat es am vergangenen Donnerstag geschafft, die Finanzmärkte zu überraschen und die Kurse der unterschiedlichen Assetklassen positiv zu beeinflussen. Die Senkung des Leitzinses von 0,50 % auf 0,25 % war der allseits erwartete erste Schritt und der zweite und dritte folgte sogleich. Die Ausweitung der Staatsanleihenkäufe um 60 Mrd. GBP in den kommenden 6 Monaten und der Ankauf von Unternehmensanleihen im Volumen von 10 Mrd. GBP während der nächsten 18 Monate waren hingegen nicht von allen Marktbeobachtern in Erwägung gezogen worden. Die Einführung eines Term Funding Scheme zur Stützung der Kreditvergabe durch die Geschäftsbanken rundete das Maßnahmenpaket ab. Die anschließende Ankündigung, dass man durchaus gewillt sei, die Zinsen nochmals im Verlauf des Jahres zu senken, hat ebenfalls ihre Wirkung nicht verfehlt und strahlt noch immer auf die Finanzmärkte aus. So beläuft sich die Rendite der 10-jährigen britischen Staatsanleihen aktuell auf 0,525 %, nachdem sie am vergangenen Donnerstag vor der Zinsentscheidung noch bei ca. 0,80 % verharrte. Zur Erinnerung: Am Tag vor dem Brexit-Referendum rentierten die 10-jährigen Gilts bei 1,371 %.

Die seitens der BoE-Notenbankenvertreter unter Vorsitz von Mark Carney beschlossenen Maßnahmen sind alternativlos gewesen, aber in punkto Zinspolitik lassen die Erläuterungen Carneys zukünftig eine geldpolitische Debatte zwischen der BoE und der EZB erwarten. So sieht der britische Notenbankgouverneur die effektive Untergrenze bei den Leitzinsen knapp über null und nicht wie die EZB im negativen Bereich. Damit ist ein Negativzins unter seinem Vorsitz auszuschließen. Seines Erachtens wird eine solche Maßnahme nach hinten losgehen, weil die Banken im Zweifel ihre Kreditzinsen erhöhen müssten, um ihre Margen zu schützen. Es wird also spannend sein zu beobachten, wie zwei Notenbanken auf engstem Raum mit unterschiedlicher geldpolitischer Sichtweise und wirtschaftlichen Verflechtungen ihre zukünftige Zinspolitik betreiben.

In diesem Zusammenhang sei noch kurz ein Mitglied des Geldpolitischen Rates der japanischen Notenbank zitiert, der das Limit der durch eine Notenbank anzukaufenden Staatsanleihen nur dadurch begrenzt sieht, was die Regierung ausgibt. Hoffentlich hat das nicht „Super-Mario“ gehört.

EU-Defizitsünder werden in Watte gepackt
Bis zum 15. Oktober haben Portugal und Spanien Zeit bekommen, um neue Pläne zu präsentieren, wie sie ihre Haushalte in Ordnung bringen möchten. Das ist das vorläufige Ergebnis der Verstöße gegen die europäischen Schuldenregeln. Zuvor hatte die EU-Kommission bereits für einen Straferlass plädiert, um die EU-kritische Stimmung nicht weiter anzuheizen. Sollten sich die Regierungen der beiden Länder nicht an die Vorgaben halten, so würde als Sanktionierungsmöglichkeit noch die Kürzung der EU-Fördermittel bestehen.

Über diese Möglichkeit will die EU-Kommission, also die Straferlass-Befürworter, nach der Sommerpause mit Vertretern des Europaparlaments beraten. Das Ergebnis dieser Unterredung sollte allerdings nicht überraschen. Bereits im Jahre 2003 wurden die Defizitverfahren gegen Frankreich und Deutschland nicht umgesetzt und dies rächt sich nun. Denn den Vorwurf „Die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen" kann man nicht entkräften und um den europafeindlichen Kräften nicht noch mehr „Munition“ zu liefern, beißt man in den sauren Apfel und macht auf „liebes Kind“.

Doch mit solchen Einzelaktionen kann man nicht verhindern, dass Europa bei der Bevölkerung auf den Prüfstand gestellt wird. Sollte es einen politischen TÜV geben, so würden sicherlich verschiedene europäische Gremien ihre Betriebserlaubnis verlieren. Und das wäre auch gut so!

Sind die Sommerferien bald vorbei?
Ein Großteil der Deutschen befindet sich aktuell im Urlaub und somit ist es nicht verwunderlich, dass auch am Primärmarkt für Corporate Bonds Ferienstimmung aufkommt.

Solch ruhige Phasen bieten sich allerdings auch immer an, den Blick zurück und nach vorne zu werfen. Nach Informationen der Bayerischen Landesbank und der Ratingagentur S&P ist ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen, denn bis zum Jahresende soll sich bei gerateten Corporate Bonds sogar ein Refinanzierungsbedarf in Höhe von ca. 276 Mrd. USD aufgestaut haben. Das wäre volumenstechnisch mehr als die bisher seit Jahresbeginn aufgelegten Unternehmensanleihen im Volumen ca. 201 Mrd. USD. Diese prognostizierte Zunahme der Emissionstätigkeit lässt hoffen und positiv für Corporates auf die kommenden Monate blicken.

Den Anfang machte der Portugiesische Versorger EDP, der eine 7½-jährige Anleihe (A184XQ) im Volumen von 1 Mrd. € begab. Der Investor erhält hierbei eine jährliche Verzinsung in Höhe von 1,125 % bis zur Endfälligkeit am 12.02.2024. Die Anleihe wurde mit +113 bps über Mid Swap bzw. 99,616 % gepreist. EDP entschied sich für eine Mindeststückelung von 100.000 € weshalb die Anleihe eher für institutionelle Anleger von Interesse sein dürfte.

Mit Liquidität schafft man alles
Im Gleichschritt marschieren weiterhin die Assetklassen und lassen die Investoren ungläubig auf die Kurstafeln blicken. Mit den Notenbanken als großem Bruder schwinden die Ängste vor Fehlinvestitionen und das Hirn wird nur noch selten eingesetzt. Es ist schon ungewöhnlich, wenn die Kurse von Aktien und Renten über einen längeren Zeitraum Hand-in-Hand nach oben tendieren, aber auch diese Phase wird vorübergehen.

Bei solch einem atypischen Verhalten ist es sicherlich sinnvoll, die Charttechnik zu befragen. Aktuell notiert das Rentenbarometer bei 167,91 %, nahe dem 1. Widerstand bei 168 % (mehrere Hochs im Juli). Ein Durchstoßen dieser Marke würde die Blicke auf das bisherige Allzeithoch bei 168,86 % lenken, denn es ist nicht auszuschließen, dass im Zuge der Liquiditätsschwemme dieses Niveau erneut getestet wird. Der kurzfristige Aufwärtstrend mit einer täglichen Steigung von 8 Ticks bildet momentan bei 166,37 % eine erste Unterstützungslinie. Sollte diese durchbrochen werden, so würde eine zweite, sehr massive Unterstützung bei ca. 165,61 % (mehrere Hochs und Tiefs im Juni) zum Tragen kommen.

Österreich knapp hinter Deutschland
In dieser Handelswoche waren lediglich Österreich und Deutschland am Kapitalmarkt aktiv. Beide Länder stockten ihre 10-jährigen Emissionen auf und verdeutlichten hierbei den aus den Zinskurven resultierenden Renditeabstand. Das Volumen der österreichischen Bundesanleihe (A18X6P) wurde um 500 Mio. € auf rund 7 Mrd. € und das deutsche Pendant (110240) um 5 Mrd. € auf 10 Mrd. € erhöht. Die Zuteilung erfolgte in der Alpenrepublik zu einer Rendite von +0,073 % und in Deutschland zu -0,094 %.

USA-interessierte Anleger durften in dieser Woche nicht nur in den üblichen Geldmarkttiteln (55 Mrd. USD für 4 Wochen ; 40 Mrd. USD für 3 und 34 Mrd. USD für 6 Monate), sondern auch in T-Notes mit einer Laufzeit von 3 Jahren (24 Mrd. USD) und 10 Jahren (23 Mrd. USD) investieren. Den Schlusspunkt bildet heute die Versteigerung der T-Bonds über 15 Mrd. USD. Somit wurden insgesamt 191 Mrd. USD refinanziert.

Brasilien - nicht nur für Sportler lohnenswert
Während in Brasilien die Olympischen Spiele stattfinden und mancher Sportler sich Hoffnung auf den Gewinn einer Medaille macht, lohnt der Blick nach Südamerika. Trotz schlechter Wirtschaftsdaten und politischer Unruhen hat die brasilianische Währung gegenüber dem Euro in den vergangenen Monaten wieder deutlich zulegen können. Wurde die europäische Gemeinschaftswährung am 24.09.2015 noch bei 4,7830 BRL gehandelt, so notiert sie aktuell bei ca. 3,4900 BRL.

Doch auch der Greenback steht im Fokus der Anleger und erfreut sich großer Handelsaktivitäten. Alle US-Konjunkturdaten werden in den kommenden Wochen auf Hinweise einer wirtschaftlichen Stabilität untersucht, um schnell auf eine mögliche Zinsanhebung reagieren zu können. Hat man in der vergangenen Woche noch für September mit einem solchen Schritt gerechnet, so hat sich inzwischen die Meinung etabliert, dass man sich noch etwas Zeit lassen wird. So konnte sich der Euro von seinem Tief bei 1,1043 USD auf fast 1,12 USD erholen und handelt zurzeit bei ca. 1,1165 USD.

Rege Handelsaktivitäten konnten aber auch in Fremdwährungsanleihen auf türkische Lira und südafrikanische Rand festgestellt werden.

1 Kommentar

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  • Schose
    Schose

    Einen interessanten Vorschlag zur Umstrukturierung der Finanzmärkte konnte man letzthin im Berliner Tagesspiegel lesen: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nach-dem-urt.... Die Finanzmärkte müssen komplett neu gedacht werden, sonst ist der Kollaps vorprogrammiert.

    16:06 Uhr, 11.08.2016