Kommentar
18:18 Uhr, 04.04.2022

Ist jetzt ein radikales Umdenken bei Investmententscheidungen notwendig?

Während sich der Gesamtmarkt trotz der Umstände solide hält, gibt es hinter den Kulissen eine gewaltige Umwälzung.

Europa ist vom Ukrainekrieg stärker betroffen als Nordamerika. Das zeigt sich auch in der Aktienmarktperformance. Doch auch der US-Aktienmarkt zeigt eine gewaltige Umwälzung. Man kann sie nur nicht auf den ersten Blick erkennen. Die Umwälzung betrifft zwei Kategorien von Unternehmen. Die einen sind international tätig und sind auf globale Lieferketten angewiesen. Die andere Kategorie an Unternehmen produziert vorwiegend in den USA.

Langfristig entwickelten sich beide Kategorien mehr oder weniger gleich. Seit Beginn des Krieges ist das nicht mehr der Fall. Aktien von Unternehmen, deren Produktion und Lieferkette in den USA angesiedelt ist, markierten neue Allzeithochs. International abhängige Unternehmen korrigieren. Allein seit Kriegsbeginn beträgt die Performancedifferenz mehr als 20 %.

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Wie nachhaltig diese Umwälzung ist, wird man sehen. Die Outperformance von US-fokussierten Unternehmen war in den vergangenen Wochen enorm. Die relative Kursentwicklung war fast senkrecht (Grafik 2). In diesem Tempo wird es nicht weitergehen. Dennoch stellt sich die Frage, ob etwaige Rücksetzer eine Kaufgelegenheit sind.

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Der Krieg verändert vieles und führt möglicherweise zu einem neuen langfristigen Trend, der die Welt für mehrere Jahrzehnte beschäftigen kann. Den Trend lediglich als Deglobalisierung zu bezeichnen, wäre zu einfach. Die Anfälligkeit der Lieferketten und des Marktzugangs sind vielschichtig.

Lieferketten sind ein großes Problem und Sorgenkind. In den vergangenen Jahrzehnten verlagerten US-Unternehmen einen Großteil der Produktion ins Ausland. Dazu gehören auch Unternehmen wie Apple. Apple lässt Chips von Taiwan Semiconductor produzieren und die Geräte selbst vorwiegend in China.

Keiner weiß, wie sicher die Produktion in diesen Ländern ist. Der Ukrainekrieg führt vor Augen, was geschehen kann. Innerhalb von Tagen können Sanktionen zu einem kompletten Stopp der Beziehungen führen. Das komplette Geschäftsmodell ist gefährdet. Das gilt nicht nur für die Lieferkette, sondern auch den Marktzugang.

Ausländische Firmen haben ihre Tätigkeit in Russland größtenteils eingestellt. Weder wird produziert noch exportiert. Man stelle sich die gleiche Situation vor, nur mit China anstelle von Russland. Viele US-Unternehmen wären so gut wie wertlos, da sie keine Produkte mehr haben, die sie verkaufen können.

Nun ist es unwahrscheinlich, dass die USA oder generell der Westen eine solche Konfrontation mit China eingeht. Ausgeschlossen werden kann es nicht. Bereits in den vergangenen Jahren sanktionierten die USA bestimmte chinesische Unternehmen und schnitten sie von US-Technologie ab. China erschwert ausländischen Unternehmen im Gegenzug den Marktzugang.

In einer Welt, in der neue Blöcke entstehen, ist es wahrscheinlich, dass sich die Märkte nach und nach entkoppeln. Der Marktzugang wird erschwert und Lieferketten bleiben hochgradig anfällig für geopolitische Risiken und Regulierung bzw. arbiträrer Erlass von z.B. Exportverboten, gesetzlichen Hindernissen usw. Wer im Heimatland produziert und auch dort den größeren Umsatzanteil schreibt, gewinnt. Für alle anderen entstehen hohe Kosten, um die Sicherheit des Geschäftsmodells wieder herzustellen.

Keiner weiß, ob die Blockbildung so enden wird. Die Anzeichen sind deutlich. Anleger müssen bei ihren Investitionsentscheidungen möglicherweise radikal umdenken. Aspekte wie Produktionsstandorte werden wichtiger als die Betrachtung historischer Wachstumsraten, die häufig für die Bewertung von Unternehmen herangezogen werden.

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2 Kommentare

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  • Ex-Seemann
    Ex-Seemann

    Würde mich auch sehr interessieren...

    03:32 Uhr, 05.04.2022
  • urbietorbi
    urbietorbi

    Hallo Herr Schmale,

    sehr interessanter Gedanke. Können Sie uns auch sagen, welche Aktien ihren US-Fokus-Chart bilden ?

    18:30 Uhr, 04.04.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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