Kommentar
16:30 Uhr, 11.10.2022

Ist es dumm, jetzt keine Aktien zu kaufen?

Viele haben Angst vor dem großen Crash und denken nicht einmal ansatzweise daran, Aktien zu kaufen. Ein Fehler.

Persönlich warte ich geduldig an der Seitenlinie und kaufe ebenfalls keine Aktien, zumindest noch nicht. Darüber nachgedacht wird fast täglich, meist mit dem gleichen Resultat: Es ist noch zu früh, um zu kaufen. Ein Bärenmarkt endet für gewöhnlich dann, wenn Anleger keine Hoffnung mehr haben.

In diesem Bärenmarkt ist es die Hoffnung auf eine Umkehr der Geldpolitik. Immer wieder träumen Anleger vom Fed-Pivot. Erst, wenn auch der letzte verstanden hat, dass es diese Umkehr nicht geben wird, ist der Boden erreicht. Der Bärenmarkt ist also noch nicht vorbei, doch das Ende könnte näher sein als viele denken.

Fällt der letzte Puzzlestein an seinen Platz (keine Hoffnung mehr), ist die Ausgangslage ausgezeichnet. Denn: Der Aktienmarkt hat eine lange Historie der Outperformance, wenn die Inflation erst zu fallen beginnt. In den USA kann man mit solider Sicherheit davon ausgehen, dass die Inflationsrate im Juni ihr zyklisches Hoch erreicht hat.

Seit Juni sind die Kurse nochmals gefallen. Ein neues Jahrestief wurde vor kurzem erreicht. Rückblickend wäre es also zu früh gewesen, im Juni zu kaufen. Langfristig betrachtet waren die Monate, in denen die Inflation ihr Hoch erreichte, gute Kaufmonate (Grafik 1). Wer zum Inflationshoch kaufte und dann ein oder zwei Jahre lang Aktien hielt, konnte in der Regel auf eine gute Performance zurückblicken (Grafik 2).

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Der Aktienmarkt erreichte in der Vergangenheit häufig in der Nähe des Inflationshochs ein Tief. Die Stichprobe ist allerdings begrenzt und allein aufgrund dieser Statistik sollte man keine Entscheidung treffen. Dennoch ist der Umstand interessant, denn die gute Performance ist nicht nur zufällig.

Das gute Timing erklärt sich zum Teil durch Rezessionen. Die vergangenen Inflationshochs wurden während einer Rezession erreicht und Kurse stehen in einer Rezession tiefer. Diese Regel galt allerdings nicht in den 40er-Jahren. Das Timing hängt also nicht allein am Konjunkturzyklus. Wäre dies der Fall, dürfte man nun keinesfalls kaufen und müsste auf den Beginn der Rezession warten.

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Auf eine Rezession muss man nicht warten. Das Erreichen des Inflationshochs reicht aus, um den Markt über den Umweg der Geldpolitik zu stützen. Derzeit wird die Politik weiter gestrafft. Doch genauso wie Anleger der Fed bis jetzt nicht geglaubt haben, dass sie ihren Plan umsetzt, scheint ihr auch niemand zu glauben, dass sie ab Februar 2023 keine oder nur noch minimale Zinsschritte machen wird.

Die Straffung der Geldpolitik ist aller Voraussicht nach in vier Monaten vorbei. Kaufkurse finden sich vermutlich davor, nicht danach. Langsam, aber sicher kann man sich mit dem Gedanken von Käufen anfreunden.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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